„Ist das dein Ernst?", frage ich und will mich umschauen. Kelly versucht wirklich nicht zu lachen. „Danke schön, du hast mich veräppelt.", sage ich und Kelly prustet vor Lachen. „Tut mir leid, aber ich schwöre, eines Tages bleibt dieser Aufzug stecken.", meint sie. Ich nicke und verschränke die Arme vor meiner Brust. „Klar, eines Tages ist aber bestimmt nicht heute.", erkläre ich. Kelly legt den Kopf schief und schaut mich an. Sie nickt. „Ich fahre öfter mit diesem Aufzug und immer wenn jemand mit mir fährt, der scheinbar das erste Mal hier ist, naja, den kann man damit ja mal reinlegen.", erklärt Kelly. Ich nicke. „Schon klar, du musst den Fahrstuhl ja auswendig kennen, wenn du immer damit fährst.", ergänze ich. Kelly nickt. „Aber was ist bei mir anders, was bei den anderen nicht ist, dass du dich so schnell verrätst?", frage ich. Kelly schmunzelt. „Keine Ahnung, du bist halt nicht wie die anderen komischen Vögel, die hier rein wollen.", meint Kelly trocken. Ich nicke und bedanke mich. „Das ist aber nett von dir.", grinse ich.
„Mal eine Frage, was würde eigentlich passieren, wenn der Fahrstuhl wirklich stecken bleiben würde?", erkundige ich mich. Ich will ja keine Panik schieben, aber langsam habe ich das Gefühl, der Aufzug ist wirklich stehengeblieben. „Das ist eine Frage, die ich dir nicht beantworten kann. Ich bin mir nicht mal sicher, ob der Notfallknopf funktionieren würde. Oder was noch nicht funktioniert.", sagt Kelly. Ich nicke. „Alles klar und ab wann merkt man, ob sich das Teil hier noch bewegt?", wage ich zu fragen. Das Fragezeichen in Kellys Gesicht kann man nun nicht mehr übersehen. „Ich weiß nicht, ähm, meinst du wir stecken schon fest?", fragt sie mit großen Augen. „Du hast damit angefangen! Ich bin nicht schuld!", lache ich und Kelly sieht mich unschuldig an.
„Quatsch, das war ja nur ein Scherz. Ich meine, das war ja nicht mit Absicht oder so. Ich gestehe hiermit auch, ich habe den Aufzug nicht manipuliert.", grinst Kelly und hebt ihre rechte Hand, als wolle sie es schwören. „Ich glaube dir ja, aber ich mache mir jetzt echt Sorgen, dass wir hier nicht wieder rauskommen.", mache ich mir wirklich Sorgen. Kelly wird langsam misstrauisch. „Also gut. Ich meine, du machst mir gerade auch echt Angst, aber ich will ja nichts sagen, weil wenn man was sagt, dann...", sie stoppt kurz, „...dann passiert das auch." Sie endet. Ich nicke. „Ja, ich mache mir auch Angst. Es tut mir wirklich leid. Ehrenwort, aber was will man machen?", seufze ich. Kelly nickt. „Ich werde meinen Bruder anrufen.", erkläre ich. „Wirklich? Hat man in dieser Kiste Empfang?", staunt Kelly. Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich weiß nicht. Normalerweise telefoniere ich nicht in einem Aufzug. Du etwa?", frage ich. Kelly schüttelt den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Keine Ahnung, ich meine, wenn du niemanden erreichst...?", will Kelly wissen. Ich hole tief Luft. „Tja, dann heißt es warten.", sage ich kurz angebunden. „Was meinst du mit warten?", fragt Kelly. Ich wähle Andreas' Nummer. „Keine Ahnung, was soll ich damit meinen?", entgegne ich.
Kelly schaut mich entsetzt an. „Chris, Mensch! Was meinst du? Warten? Wie lange sollen wir denn warten?", empört sich Kelly. Ich bedeute ihr ruhig zu sein, denn schon halte ich mein Handy an mein Ohr. „Okay, ich meine, das heißt also, wir sitzen hier fest! Super, danke.", faucht Kelly. Ich rolle mit den Augen. „Beruhige dich mal. Ich meine, das bringt es doch auch nicht!", gebe ich zur Antwort. Kelly schnaubt. „Als ob! Warum sollte ich mich denn beruhigen? Das war nur ein Spaß und jetzt stecken wir echt fest? Was ist das denn für eine Scheiße?", brüllt Kelly. „Boah! Kelly, jetzt lass mich doch mal in Ruhe! Immerhin versuche ich hier, was zu erreichen!", werde ich nun auch langsam lauter. Was kann ich denn dafür? Nichts! Eben! Da braucht sie mich gar nicht so anschreien! „Dann tu doch mal was!", schreit Kelly. Was soll ich denn ihrer Meinung nach tun? Andreas geht nicht an sein Handy, vielleicht hört er es nicht. Soll ich ausstiegen und den Aufzug anschieben oder wie denkt sich Kelly das? „CHRIS!", schreit Kelly und ich nehme das Handy vom Ohr. Ich lege auf und stecke es wütend in meine Hosentasche. „Jetzt warte mal! So kannst du nicht mit mir reden! So lasse ich auch nicht mit mir reden!", fauche ich. Jetzt soll die junge Lady sich mal beruhigen! Was denkt sie sich denn? Ist sie die einzige, die hier feststeckt? Garantiert nicht! „Ich kann tun was ich will...", beginnt Kelly. Ich staune und ziehe wirklich auch erschrocken die Augenbrauen hoch. „Alles klar, wenn du das meinst. Dann viel Spaß.", sage ich und wende mich ab. Ich wähle erneut Andreas' Nummer. „Bitte heb' ab. Bitte, Andreas.", flehe ich. „Ach, findest du es in meiner Anwesenheit etwa doof?", kommt es aggressiv von Kelly. Ich kann nur meine Augen schließen. Es gab doch mal so beruhigende Aufgaben, die man machen kann, wenn man kurz vorm explodieren ist. Naja, ich weiß nicht. „Du kannst ja gerne weiter hier drin bleiben, wenn wir gleich rauskommen. Ich halte dich nicht davon ab.", kontere ich. Ich bin bloß froh, wenn ich hier raus bin. Mit der halte ich es doch nicht länger aus! Ohne Witz, Freunde! Kelly lacht herablassend. Okay, für mich ist die durch! Ich bin doch nicht der dumme vom Dorf oder so.
Ich schreibe Andreas eine Nachricht. >Bitte schreib mir sofort zurück, wenn du diese Nachricht hast.'< Ich kann nur hoffen. So lasse ich mich auf den Boden sinken und lehne meinen Kopf in den Nacken. Ich starre an die Decke. Lieber Gott, womit habe ich das verdient? In diesem Aufzug festsitzen mit einer pubertären Zicke. Und ich darf so denken! Ich muss schließlich hier sitzen. Aus den Augenwinkeln vermerke ich, wie auch sie sich langsam setzt. Natürlich nicht direkt neben mich. Sondern schön in die andere Ecke. Sie quetscht sich ganz nah an die Wand, umschlingt ihre Beine mit ihren Armen und legt ihren Kopf auf ihre Knie. Ich schließe meine Augen. Was für ein Tag. Und dabei sollte der doch gut werden! Also, wenn ich Andreas Glauben geschenkt hätte, dann wäre er wirklich eine einzige Katastrophe. Was für ein Horror! Ich fahre mir mit meinen schwitzenden Händen über die Haare. Scheiß auf die Frisur, und das heißt was, scheiß auf die schwitzenden Hände. Es ist echt nicht mehr lustig, hier zu sitzen und nichts tun zu können.
Ich könnte jetzt genauso aufspringen und gegen die Türen schlagen. Und vor Wut kochen. Warum? Warum, was würde das denn bringen? Nur noch mehr Wut, denn es würde ja nichts bewirken. Höchstens würde es mir Schmerzen bereiten und das würde zu noch mehr Wut führen. Und dann gibt es ja noch das bisschen Angst, was man hat. Ich meine, was passiert denn hier? Was passiert denn? Der Fahrstuhl steht ja nur. Ich glaube, der kann ja nicht abstürzen oder so. Oder?
Schreckenssekunde! Ich meine, was ist denn, wenn wir hier keine Luft mehr kriegen? Kann das passieren? Man fährt immer mit dem Fahrstuhl überall hin, aber dann sitzt man einmal fest und weiß nichts mehr. Ich meine, der Aufzug hat doch irgendwas damit hier drin Luft reinkommt. Also, daran werden wir nicht sterben. An Hunger und Durst, das wäre wahrscheinlicher. Und an Langeweile. Wenn Kelly und ich uns bis dahin nicht schon gegenseitig umgebracht haben.
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Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FF
FanfictionJeder hat einen besten Freund, seinen Seelenfreund. Mit ihm ist man auf unzertrennliche Weise auf ewig verbunden. Eine solche Verbindung schenkt uns das Bewusstsein, verstanden zu werden. Und zwar genauso, wie wir sind - ohne uns verstellen zu mü...