„Die ganze Nacht lag ich noch wach. Ich bin mir sicher, sie wird es lieben. Ich habe an alles gedacht!“, erzähle ich aufgeregt meinem Bruder, der mit mir am Frühstückstisch sitzt. Müde hält Andreas seinen Kopf über die Müslischüssel. „Schön. Und warum musstest du mich jetzt so früh wecken?“, beschwert er sich. Ich grinse. Warum nicht? So macht man das unter Brüdern! „Ich spüle auch.“, biete ich an und grinse. „Und ja, ich weiß, dass ihr eine Spülmaschine habt.“, schiebe ich hinterher und Andreas schaut mich böse an. „Chris, können wir erst die freien Tage hier planen und dann Stuttgart mit Kelly?“, fragt Andreas. Natürlich nicke ich. Warum auch nicht? So wichtig ist Kelly ja nicht. Es hängt nur ihr Leben am seidenen Faden! „Hast du dich eigentlich mal gefragt, ob sie lügt?“, kommt etwas, was ich gar nicht erwartet hätte. „Wie kommst du darauf?“, frage ich. „Naja, und wenn die jetzt auch so ein verrückter Fan ist?“, meint er. Ich überlege. „Nein, so ist sie nicht.“, verteidige ich sie. „Du kennst sie nicht, Chris. Sag mir nicht, dass du sie jetzt nach dem bisschen schreiben kennst.“, kontert mein Bruder. Ich schlucke. Nein, eigentlich nicht. „Aber sie weiß mehr von mir, als ihr alle zusammen und das beruht auf Gegenseitigkeit. Sie vertraut mir und ich ihr. Das kann ich sagen!“, rufe ich und irgendwie sage ich es lauter, als ich will. Andreas sieht mich an. Verwundert, verdutzt und vielleicht auch entsetzt. „Ich bitte dich, überlege was du sagst. Meinst du, nur weil ihr euch in einem steckengebliebenen Fahrstuhl kennengelernt habt, seid ihr nur die einzigen Menschen auf dieser Welt?“, wirft mir mein Bruder. Ich reiße die Augen auf. Erstaunt, entsetzt und sichtlich erschüttert. „Habe ich das gesagt?“, flüstere ich. Fast tonlos. „Nein. Aber seit diesem Tag, du redest immer nur von Kelly!“, erklärt mein Bruder mit Nachdruck in seiner Stimme. „Nein!“, halte ich gegen. Andreas schüttelt den Kopf. „Du merkst es nicht mal! Chris, woher willst du wissen, dass sie dir gut tut?“, meint Andreas. Ich schlucke. Wer sagte, dass sie mir gut tut? Aber ich merke, ich tue ihr gut. Wenigstens ein bisschen und ist das nicht ein Fortschritt? Und ist das nicht alles wert? Soll sie doch lieber leben und es genießen. „Andreas. Ich mag sie, ich werde sie nie lieben. Wie auch? Ich bin zu alt für sie. Aber ich gebe alles, damit sie wieder Spaß am Leben hat. Also. Ich bitte dich, stell mich hier nicht vor die Wahl zwischen Kelly und dir. Denn darauf läuft es hinaus. Ich weiß es, du sagst es nicht. Aber du denkst es.“, sage ich traurig und stehe auf. Ich sehe zu meinem Bruder. Er sieht auch traurig aus. ^“Ich stelle dich nicht vor die Wahl. Das würde ich nicht machen, du kennst mich. Aber ich warne dich. Pass auf, denn wenn sie es nicht schafft, dann will ich nicht, dass es dich runterzieht.“, warnt er und ich nicke. „Gib ihr und mir eine Chance. Ich will ihr zeigen, dass es sich zu kämpfen lohnt. Ohne alles, ich will ihr keinen Zaubertrick zeigen um sie auf die Seite des Lebens zu ziehen. Aber ich will ihr zeigen, was man erreichen kann!“, spreche ich voller Überzeugung. Ohne, dass Andreas weiß, was ich für eine Zeit hatte. Nein, das muss er nicht wissen. Es ist ja auch Vergangenheit und gestern, das war auch nur ein Übelkeitskotzen und kein ‚Finger-in-den-Hals-stecken‘. Also bitte, ich habe es hinter mir und ich bin mir sicher, Kelly wird es auch schaffen. „Chris, ich habe dir nichts vorzuschreiben. Du bist erwachsen, zu mindestens älter als achtzehn und den Rest musst du machen. Ich sage dir nur, lass dich nicht gehen. Chris, du spielst mit dem Leben und ich will dich nicht auch in einer Depression verlieren. Chris, das kann passieren. Ich liebe dich doch…“, sagt Andreas und wird immer leiser. Er hat sich erhoben und steht vor mir. Ich lächle schwach und er auch. Dann ist es Still und wir sind leise. Er umarmt mich und er drückt mich. Ganz fest, ganz kurz. Dann lässt er mich los. „Planen wir. Also, wie willst du Kelly nach Stuttgart bekommen?“, erkundigt sich Andreas und ich beginne zu strahlen. „Dein Ernst? Wirklich!“, schreie ich auf und mein lieber Bruder nickt. NEIN! Wie krass ist das denn? Kelly kommt nach Stuttgart und wir retten ihr Leben! Sie wird es lieben. Und ich gestehe, auf eine besondere Art und Weise liebe ich sie jetzt schon.
Das Planen beginnt. Andreas und ich nehmen uns aller Hand vor. Wir planen die nächsten Tourtage komplett durch. Wir halten wieder Meetings ab. Fahren zu Interviews und machen allerlei mit der Familie und so vergeht auch schon der erste Tag zu hause. Nein, von Kelly habe ich nichts gehört und ich habe ihr auch noch nichts geschrieben, denn jedes Mal, wenn Andreas und ich denken wir hätten den perfekten Tag für Kelly. Da basteln wir weiter. Wir wollen ihr einen Tag frei geben. Wir wollen sie nicht bevorzugen und wir wollen sie nicht auf die Bühne holen. Wir wollen nur, dass sie da sitzt. Nur dass sie sitzt und schaut. Sich verzaubern lässt, ohne dass es einer bemerkt. Ohne, dass jemand weiß, dass Kelly eine gute Freundin ist. So eine Planung. Oh und wir gehen in den Zoo am nächsten Tag. Lalle zusammen. Die Familie, alle. Andreas und Co. Mama und ich, wir alle eben. Ich schätze Papa hätte es auch gefallen. Beinahe hätte ich Kelly gefragt, ob sie mit möchte. Aber nein. Wir gehen allein, als Familie. Wir gehen zusammen, als Familie und ich finde es super. Mensch, vier Tage hatten wir! Vier Tage, die wir frei haben. Und davon sind schon zwei rum. Es wird spät, wir waren noch bei Joe. Abends liege ich total fertig im Bett. Ja, von Kelly habe ich gehört. Sie ist einverstanden und ihr Vater auch. Warum muss sie noch ihren Vater fragen? Sie ist doch erwachsen. Sie ist neunzehn, wenn ich mich recht erinnere. Aber sie wohnt noch bei ihrem Vater. Warum zieht sie nicht aus? Es gibt doch Wohngruppen, es gibt Wohngemeinschaften und auch Studentenheime. Ist zwar nicht das Beste, aber immerhin besser als alles. So liege ich in meinem Bett und schließe langsam die Augen. Im Moment ist es wirklich schön. Der Ausflug heute, mit der gesamten Familie, war das schön. Sogar Silvia war da. Mit ihrem Mann und ihren Kindern. Voll schön. Und ich schlafe ein…
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Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FF
FanfictionJeder hat einen besten Freund, seinen Seelenfreund. Mit ihm ist man auf unzertrennliche Weise auf ewig verbunden. Eine solche Verbindung schenkt uns das Bewusstsein, verstanden zu werden. Und zwar genauso, wie wir sind - ohne uns verstellen zu mü...