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Der gestrige Tag schwindet dahin und ein neuer kommt. Am frühen Morgen fühle ich mich gewappnet um Kellys Nachrichten zu lesen. >Peinlich, peinlich. Dein Auftritt gestern... Was konntest du denn alles nicht erklären? Und Besserwisser? Frag mal Andreas...<, schreibt sie mit vielen lachenden Smileys. Ich lache. Aha, also hat sie es gesehen. „Guten Morgen.", wünsche ich meinem Bruder. „Ebenso...", brummt dieser zurück. Noch liegt er in seinem Bett. Schon Sekunden später quetsche ich mich dazu. „Hast du gut geschlafen?", frage ich ihn. Murrend versucht mein Bruder sich zu drehen. „Was willst du?", seufzt er. „Ich nichts, aber viele Fans...", lache ich. Andreas ringt sich zu einem Lachen ab, das mehr nach einem sterbenden Schwan klingt, als nach einem ordentlichen Lachen. Lassen wir ihn, es ist ja noch früh am Morgen. „Soll ich dir einen Kaffee holen?", biete ich mich an. Andreas nickt und ich mache mich auf. Kaffee holen. Dafür müssten wir Assistenten haben! Ich gehe die langen Gänge unserer Arena entlang. Und da sehe ich sie! Sie! Wow! Mein Grinsen wird immer breiter und ich kann kaum an mich halten. Dann gehe ich auf sie zu. Eigentlich wollte ich ja Kaffee holen. Eigentlich... Und dann stehe ich davor. Beuge mich hinunter und überprüfe sie. „Warum steht ihr armen Rollerskates denn hier so allein?", flüstere ich und lasse mich auf den Boden plumpsen. Schnell sind die Rollschuhe angezogen und unsicher stehe ich auf. Die ersten Schritte sind wacklig, aber dann sause ich durch die Gänge. Immer geradeaus, weil Kurven doof sind und ich irgendwie auch nicht bremsen kann. Jetzt müsste ich nur wissen, wohin ich schnell muss. Oder wie man bremst? Da will ich schon um eine Ecke, als mir eine bekannte Stimme entgegenkommt. „Also dann. Wir hören voneinander...", vernehme ich nur.

„Aaannnndddrrreeaasss!", schreie ich noch, doch da ist es schon zu spät. Er kommt um die Ecke. Rumms... Ich fahre gegen ihn. Bumms... Ein lauter Knall und wir liegen beide auf dem Boden. Zuerst sehe ich gar nicht, wo das Problem liegt, da „Hast du dir weh getan?", fragt er mich zuerst. Ich schaue auf. „Quatsch nein...", sage ich. Hoffentlich... Er hilft mir hoch. „Und du dir? Alles gut?", will ich wissen. Ein Nicken ist die Antwort und mein Gegenüber klopft sich den Staub des Bodens ab. „Was machst du eigentlich hier?", erkundige ich mich. Blitzblank und angezogen steht er vor mir. „Nun, ich wollte mir Kaffee holen.", erklärt er. Und er reibt sich seinen Kopf. „Bist du mit dem Kopf gegen die Wand...?", frage ich. Er nickt. Leicht und vorsichtig. „Das wollte ich nicht.", entschuldige ich mich. „Sagen sie alle...", brummt Andreas. Ich sehe ihn grimmig an. „Glaubst du mir nicht?", bin ich entsetzt. Er nickt. „tue ich nicht. Du wolltest das bestimmt schon immer mal machen.", sagt er und geht. „Bis nachher!", rufe ich ihm nach. Andreas nickt wieder, in weiter Ferne. „Fahr nicht noch einen um, kleiner Bruder.", ertönt dann Andreas' Stimme. Ich grinse. Mein Bruder, ein lieber. Durch und durch. Gemütlich rolle ich weiter. Mein Handy checken. Oh, ich sollte Kelly wohl mal lieber antworten. >Andreas frage ich lieber bis zur Show nichts mehr. Habe Rollschuhe gefunden und ihn gerade damit umgefahren.<, schreibe ich. Mal sehen, was sie antwortet.

Dann mache ich mich zum Frühstück. Schon von weitem rieche ich den Kaffee. Hat Andreas jetzt eigentlich Kaffee? Ich treffe das Team, alle sehen mich verwundert an. „Heute auf Rollschuhen performen?", fragt Andreas. „Hast du die als Deko in einen der Gänge gestellt?", kontere ich. Alle lachen. Und Andreas erscheint. „Glaubt ihm nicht, wenn er sagt, dass er das gut kann. Oder dass er die Dinger unter Kontrolle hat.", verrät er. Ich werfe ihm einen protestierenden Blick zu. „Schon das erste Opfer? Chris, ich glaube Andreas steht auf deiner Seite...", vernehme ich Buddas' Stimme. „Vielen Dank... Vielleicht hat Andreas ja auch nicht aufgepasst.", vermute ich und Andreas nickt eifrig. „Klar, ich denke normalerweise jedes Mal daran, vorsichtig um eine Ecke zu gehen, bevor mich einer umnietet. Nur heute war ich dezent abgelenkt...", macht er sich lustig. Ich stemme die Hände in die Hüften. „Du hast telefoniert!", verkünde ich. „Ein schweres Verbrechen...", erklingt es von Thomas. Stefan, unser Tourarzt, kommt näher ran. „Geht es euch beiden denn gut? Oder wollt ihr nur wissen wer schuld hat?", sieht uns Stefan fragend an. „Ja!", sagen wir beide gleichzeitig. „Beides!", schieben wir erneut gleichzeitig hinterher. „Denen geht es super. Merkt man doch...", lacht jemand aus den hinteren Reihen. „Aufgepasst, sonst bist du der nächste, den er umfährt.", ruft Andreas. Ich muss gegen meinen Willen lachen. „Gut, wenn ihr meint, dass ich das nicht kann. Dann übe ich das eben. Draußen. Allein.", erkläre ich und rolle davon. Hinter mir reden sie. Und Stühle werden gerückt.

Draußen angekommen fahre ich einen großen Kreis. „Von wem hast du die eigentlich...?", fragt mich plötzlich jemand. Ich stoppe. Versuche es... „Sind deine, nicht wahr?" Ich schaue zu Tina hoch. Sie ist unsere Maskenbildnerin. Und sie ist meistens auch die, die auf Rollschuhen um Andreas und mich herum tänzelt. „Jap.", antwortet sie. Ich nicke. „Wie kannst du das nur so gut?", frage ich sie. Tina lacht. „Wie kannst du so gut zaubern...", beginnt sie und tritt nah an mich heran. „Üben und denken.", sage ich. Sie nickt. „Ich übe und denke.", meint sie. Ich nicke. Und schon erhalte ich von ihr eine kleine Übungsstunde im Rollschuhlaufen. Sehr lustig, aber dann ruft die Arbeit schon wieder. Andreas und ich essen zu Mittag und besprechen mit dem Team einige wichtige Sachen. Die erste Show startet um Ein Uhr. Noch Zeit um in die Maske zu gehen und Zeit, um zu Hause anzurufen. Ich lasse Kelly lieber mit ihren Freunden allein und schicke nur eine Nachricht. Gute Wünsche für die Show, kommen augenblicklich zurück. Andreas legt nun auch wieder auf und wir umarmen uns noch einmal. Dann geht die erste Show los. Alles wie immer, perfekt. Wir drücken unsere Sprüche und machen ein Theater, das sich gewaschen hat. Wie immer, lustig. Magisch, der Moment.

Am liebsten würde ich für immer auf der Bühne stehen bleiben. Der tosende Applaus, die Anerkennung. Ich glaube, es gäbe auch ein Leben ohne diesen Beruf. Aber es wäre nicht annähernd so schön. Niemals. Ich schließe meine Augen, als Andreas und ich uns nach der erste Show verbeugen. Der Applaus hält an. Wunderschön, wirklich. Danach haben wir Pause. Empfangen noch einige Gäste, geben das eine Interview und schließlich heißt es: „Wer zuerst in unserer Cafeteria ist!" Hunger haben wir alle. Alle sehr und bevor die zweite Show losgeht müssen wir noch vieles klären. Es gab einige Unreinheiten, wie Andreas bemerkt hat in der Show. So vermitteln wir hier und da. Klären jenes und dies. Versuchen uns noch eine Runde auszuruhen, bauen wieder auf. Räumen auf, planen um. Alles innerhalb kürzester Zeit. Und dann ist Rund zwei kurz davor zu starten. Andreas und ich hechten auf unsere Plätze und ab geht die Party!

Wieder feiern wir mit dem Publikum und rocken alles. Bis zum Trick der Rose. Da ist noch alles gut. Ich suche mir eine nette junge Lady. In meinem Alter. Susanne. Schöner Name, aber mir gefällt ihre Nase nicht so. Geschmacksache. Und beim nächsten Mal weniger Parfum. Danke. „Bruder? Die Kerze?", erinnere ich ihn. Andreas nickt und will seinen tollen Trick vollführen, doch das erste Feuerzeug springt nicht an. Genervt schmeißt er es hinten rüber. Das zweite „Ersatz"-Feuerzeug scheint ebenso wenig zu gehen. Ich muss mir ein Lachen schon verkneifen. Doch Andreas scheint genervt zu sein. Ich helfe ihm ein bisschen. Ein bisschen. „Kannst du das nicht ohne Feuerzeug?", frage ich. Andreas lacht auf. „Du kennst den Trick nicht, oder Bruder?", grinst er. Das Publikum lacht. „Gib doch einfach zu, wenn du es nicht kannst.", setze ich zum Gegenangriff an. Andreas nickt und gibt schließlich auf. „Eigentlich...", beginnt er und wendet der jungen Dame zu. „Eigentlich wollte ich der junge Lady nur die Möglichkeit freihalten, noch einmal zu überlegen, ob sie nicht...", grinst Andreas und die Menge lacht. Ich werfe ihm einen wirklich bösen Blick zu. „Ach Quatsch, Susanne und ich verstehen uns gut.", lache ich und der Trick geht seinen normalen Weg weiter. Auch die Show danach läuft ohne weitere Zwischenfälle. Am Ende verbeugen wir uns wieder und hören dem Applaus zu. Wunderbar und wir verlassen die Bühne. Morgen geht es nach Kiel. Die letzte Station vor unserer Osterpause. Wir bauen noch schnell ab und räumen die Requisiten wieder in ihre Kisten und in die Lkws. Dann verabschieden wir uns vom Team. „Bis morgen!", rufen alle wie wild durch einander und es geht in die Busse. Andreas und ich machen uns fertig und legen uns ins Bett. Ich stelle den Wecker noch und wünsche Andreas eine gute Nacht. Dann schlafe ich auch schon...

Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt