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Nach der zweiten Show bauen wir schön alles ab. Und verpacken es in den Lkws. Dann fahren wir los. Aber mit Kelly stimmt wirklich was nicht. Den Rest des Abends ignorierte sie unzählige Anrufe und Nachrichten auf ihrem Handy. Ich bin echt nervös, was diese Sache angeht. Und auch Andreas kann mich da irgendwie nicht beruhigen. Auch er macht sich langsam Sorgen. Verständlich. Wer würde das nicht? Und so liegen wir nach diesem harten Tag im Bett und schlafen alle tief. Naja, fast Alle. Ich sitze in unserem Tourbüro und tippe auf meinem Laptop einige Zeile. Ja, fast wie ein Tagebuch. Ich finde es schön. Und wieder lese ich mir meine Zeilen durch...

Was mache ich bloß? Worauf will ich hinaus? Was wird passieren? Dinge, die passieren einfach. Sinnlos. Dieser Text, warum auch. Immer. Ohne Punkt und Komma. Nicht zusammenhängende Zeilen. Man könnte auch einfach Lalalalalalalala schreiben. Hätte den gleichen Sinnlosen Inhalt, wie diese Zeilen. Unfassbar. Ich. Ich bin unfassbar. Wie, nur wie, kann ich mich so an eine Person heften? Und ich merke doch, dass es mich runter zieht. Ich spüre es doch. Aber wen lüge ich an? Andreas. Meinen Bruder? Meinen Beschützer und Retter in der Not. Ehrenritter der Tafel Runde, Ehrlich-Crew und Entertainment. Was ist das für ein Shit, den ich hier scheibe?

Lächerlich. Wie kann ein erwachsener Mann so etwas schreiben? Pahh, peinlich, ich bin erbärmlich. Und es geht mir durch Kelly im Moment ja nicht besser. Aber ich kann sie ja nicht einfach so hier irgendwo mit ihren Problemen stehen lassen. Nach fünf Minuten sind einige Zeilen hinzugekommen...

Ab wann ist man eigentlich befreundet? Oder ab wann hat man einen guten Freund? Wenn ich jetzt sage, ich zähle sie schon zu meiner Familie... Was heißt das dann? Gute Freunde, beste? Womöglich Seelenverwandte? Nun gut, so hoch würde ich es noch nicht setzen. Aber Kelly hat mir tatsächlich irgendwas gebracht. Ob nur seelisch oder was anderes. Sie hat mich schon verändert. Ich achte auf mein Umfeld. Mein Kelly-Umfeld. Ich entwickle vielleicht so etwas wie einen Beschützerinstinkt. Ich will nicht, dass ihr etwas zu stößt. Sie bedeutet mir schon zu viel. Aber woran misst man das? Woran erkennt man, wie viel ein Mensch einem bedeutet? Oft ist es so, dass erst etwas passieren muss, damit man merkt, was einer einem bedeutet. Und bei Kelly, was würde bei Kelly passieren, damit ich ihr sagen kann, dass sie mir so viel bedeutet...?

Irgendwie wütend schlage ich den Laptop zu. Geht es hier ums Ganze? Natürlich tut es das! Es geht ums Ganze und wenn man Andreas glauben mag, dann geht es wirklich um ein Leben. Wie will man ein Leben schützen? Wie soll ich Kelly schützen? Wenn ich nicht mal weiß, was ihr so zusetzt. Wenn ich nicht mal das Problem kenne. Warum passiert das alles so? Manchmal, da glaube ich doch schon, es steigt mir zu Kopf. Vielleicht übertreibe ich wirklich. Ich meine, Andreas könnte Recht haben. Wenn Kelly mir zu viel bedeutet, vielleicht erkenne ich die Grenze nicht. Es muss ja eine geben! Eine Grenze! Aber wo? Wenn ich auch nicht mehr kann? Wenn ich auf an meinem Limit bin? Wenn ich auch sage, dass es mir zu schlecht geht? Nein, das kann es doch nicht sein. Genervt und irgendwo hoffnungslos schiebe ich den Laptop von mir weg. Ich will das gar nicht! Gar nicht schreiben und gar nicht lesen. Warum auch? Es zieht mich doch nur runter! So mache ich mich wieder auf ins Bett. In weniger als fünf Stunden muss ich wieder wach und halbwegs fit sein. Mensch, das macht mich schon fertig. Was ein Stress! Hätte ich doch lieber versucht durchzuschlafen und hätte mich nicht mit Kellys Problemen auseinander gesetzt. Sind ja schließlich nicht meine. Aber sie bedeutet mir doch so viel. Und ich lege mich müde und schlapp in mein Bett. Und drehe mich auf die Seite, so dass ich sie sehen kann. Ruhig und tief scheint sie in dem anderen Bett zu schlafen. Ihre gleichmäßigen Atemzüge und das beruhigende Schaukeln des Busses tragen mich tief in den Schlaf. Gott sei Dank noch ein bisschen.

„Guten Morgen...", flüstert mir jemand ins Ohr. Noch sehr verschlafen luge ich unter meiner Bettdecke hervor. „Deine Decke versteckt dich aber ganz gut...", murmelt jemand leise. Und ich rieche frischen Kaffee. „Guten Morgen...", brumme ich nun endlich und gewöhne mich an das helle Tageslicht. Es ist Kelly, die vor meinem Bett hockt und mir eine Tasse Kaffee vor die Nase hält. Müde räkle ich mich und schließe wieder die Augen. „So müde?", fragt sie. Ich nicke schwach. Sehr müde, wenn sie nur wüsste. „Dann tu ich den Kaffee wieder weg, für nachher.", meint sie unbeirrt und ich strecke meine Hand aus. „Willst ihn also doch...", lacht Kelly. Ich nicke und schlüpfe aus meinem Bett. Ich nehme den Kaffee friedlich entgegen, während Kelly mich strahlend anlächelt. Nichts von ihrem gestrigen Ich ist da. Ein fröhlicher Mensch. So wie ich sie nun in den letzten Tagen kennen lernen durfte. So, wie ich sie gern immer sehen würde. „Bist du schon fertig?", erkundige ich mich und richte mich endlich auf. Kelly zuckt mit den Schultern. 

Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt