Es geht nach Hause. Wieder in die leere Wohnung. Aber sie ist ja jetzt wach. Das gibt einem Hoffnung. Auch wenn ich gerade dann mit dem Thema eigentlich abschließen wollte. Super gemacht, du tolles Leben. Planst mal wieder die besten Dinge. Und dann auch noch so passend. Ich liebe es. Jedes Mal aufs Neue. Nach unserem Bier am Abend schlafen Andreas und ich wie Babys. Auch wenn nur er ein ganzes Bier getrunken hat. An meinem Bier habe ich nur lustlos genippt. Übertreibe ich es jetzt? Kein Bier mehr am Abend? Wo bin ich nur gelandet? Ich brauche dringend Schlaf. Am besten ganz viel davon und wenig Stress. Aber ich glaube ich bin mit diesem Wunsch nicht allein. Heben mal bitte alle die Hand, die das auch wollen? Die Fahrt nach Hause dauert nicht lange. Ich glaube, es sind nur zwei Stunden. Davon merken wir aber nichts. Schön eng in unsere Kojen gekuschelt, schlafen wir tief und fest. Von was auch immer ich träumen werde, ich hoffe es hat nichts mit Kelly zu tun. Das werden nur Albträume. Denn wie ertrage ich ihr Leid, ohne selbst verletzt zu werden? Das scheint alles ein bisschen unmöglich. Ich weiß es nicht. Kann ich denn jemanden fragen? Nein. Belasten will ich ja keinen. Und schon gar nicht Andreas. Niemandem kann ich mich anvertrauen. Und vom Reden werden die Probleme ja auch nicht gelöst. Ach, was rede ich da? Erst mal sollte ich mich auf heute konzentrieren. Montag. Um zehn Uhr treffe ich mich mit Dr. Schmerwitz und Kellys Vater. Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Was auch immer es war, die Sache steht fest. Da gibt es nicht mehr viel zu sagen.
„Guten Morgen.", flüstert jemand in mein Ohr. Ich zucke erschrocken zusammen und blinzle gegen das Licht. Es ist Alex, der vor mir steht. „Zuhause absetzen oder mit zu Andreas?", fragt Alex mich. Mit anderen Worten: Wir sind da. „Nein, schon gut. Ich bin wach.", brumme ich und rolle mich aus dem Bett. Alex sieht mich an. „Das hat meine Frage auch nicht beantwortet.", lacht er. Ich ziehe leise die Luft ein. „Ja, keine Panik. Ich mache mich fertig und steig aus.", antworte ich und suche meine letzten Sachen, dann verlasse ich auch schon den Bus. Unseren schicken Nightliner. „Dann bis bald, Bruder.", höre ich und drehe mich um. „Sorry, Andreas. Ich dachte, du schläfst noch.", versuche ich mich raus zureden. Andreas lacht und tritt aus dem Nightliner. „Wie lieb von dir...", grinst er und kommt auf mich zu. „Heute schon was vor?", fragt Andreas. Dummerweise kann ich nicht lügen. „Ähm. Ja.", sage ich. Super! „Und was?", kommt auch schon die nächste Frage. Ich neige den Kopf. „Egal. Bisschen hier und bisschen da was machen. Aufräumen, Rechnungen. Steuern." , erkläre ich. Steuern? „Du und Steuern?", lacht Andreas. Ich nicke eifrig. Klar, ich und die Steuern. „Fährst du heute dann auch wieder zu Kelly?", erkundigt sich Andreas, „Ich habe gehört, sie sei aufgewacht und deswegen dachte ich...", meint mein Bruder. Ich lächle schwach. Wenn er wüsste. „Wir können ja auch zusammen Kelly besuchen fahren. Ich schätze, sie würde sich freuen, wenn wir dort auftauchen." Ich schlucke. Klar gerne! Komm wir fahren zusammen. „Ich...", stottere ich. Aber da müsste ich noch kurz erklären, dass auch Kellys Vater dort sein wird. „Sicher geht das. Sollen wir uns einfach um zwölf treffen? Dann fahre ich ein bisschen eher, damit ich noch fragen kann wo sie liegt.", rette ich, was zu retten ist. Vergeblich. „So ein Quatsch. Wir holen dich einfach ab und fahren dann los. Das passt auch besser vom Auto her. Oder wir machen es ganz spannend und du kommst zu uns hoch gefahren, schläfst bei uns. Die Kinder würden sich bestimmt freuen. Außerdem kann Lene dann auch kochen.", schlägt Andreas vor. Gerne. Ganz abgeneigt bin ich ja nicht. „Okay, ich komme um zwölf zu euch. Dann können wir fahren.", sage ich. Das wird zeitlich knapp. „Ist gut. Sag einfach Bescheid, dann können wir die Kids fertig machen. Die müssen leider mit, denn Lene will dann auch mit und wir haben ja keinen Babysitter. Du bist ja auch mit.", lacht Andreas. Ich nicke und ringe mich zu einem Lächeln ab. „Sehr gut. Bis nachher dann.", sage ich und drücke Andreas noch einmal kräftig. Jetzt wird es stressig. Ich hechte mit meinen Sachen die Treppen hinauf, so schnell es eben geht. Ich schließe die Tür auf, räume meine Sachen in Rekordzeit weg. Und als ich dann auf die Uhr schaue haben wir schon halb Neun. Da sind wir heute aber spät angekommen. Ich überlege. Zeit zum Joggen habe ich noch. Also ziehe ich mich schnell um und packe mir eine Leinentasche ein. Brötchen holen. Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren und laufe los. In der Bäckerei herrscht Hochbetrieb. Die letzten Trödler machen sich ans Frühstück und so brauche ich einige Zeit bis ich meine Bestellung aufgeben kann. Doch danach kann ich wieder loslaufen. Ich nehme einen kleinen Umweg nach Hause. So trainiere ich ein bisschen länger. Zuhause angekommen lege ich die Brötchen erst mal in die Küche. Dann dusche ich schnell. Eine halbe Stunde. Nach dem Duschen bereite ich mir schön mein Brötchen. Lecker mit Marmelade und Käse. Ein ganzes Brötchen esse ich. Nervös schaue ich auf die Uhr. Es ist halb zehn. Ich räume alles schön auf und mache mich dann auf den Weg. Hinter dem Rücken meines Bruder. Er muss ja nicht alles wissen.
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Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FF
FanficJeder hat einen besten Freund, seinen Seelenfreund. Mit ihm ist man auf unzertrennliche Weise auf ewig verbunden. Eine solche Verbindung schenkt uns das Bewusstsein, verstanden zu werden. Und zwar genauso, wie wir sind - ohne uns verstellen zu mü...