„Wie lange sitzen wir hier schon?" Es kommt mir so vor, als wären es schon Stunden. „Keine Ahnung." Meine Stimme klingt ziemlich brüchig. Die Luft ist echt bescheuert hier drin. Aber was will man machen? „Aber wenigstens bin ich nicht allein.", sagt Kelly. Wir starren an die gegenüberliegende Wand. „Danke, das finde ich toll.", freue ich mich. Ich drehe meinen Kopf zu ihr und schaue in ihre klaren Augen. „Mensch, was für ein Tag. Ruft dein Bruder eigentlich auch mal zurück?", fragt sie. Ich muss grinsen. „In den meisten Fällen.", gebe ich offen zu. Kelly lacht. „Ups, dann ist da hier wohl einer der nicht meisten Fälle.", stellt sie lachend fest und auch ich muss lachen. Ja, tatsächlich. Das könnte sein. „Du scheinst Recht zu haben.", spreche ich meine Gedanken aus. Kelly nickt und knibbelt an ihren Finger herum. „Und in den meisten Filmen ist es so, dass das Handy dann klingelt, wenn man es darauf anspricht, dass es dann passiert.", erklärt sie. „Was ist dein Lieblingsfilm?", frage ich sie. Sie legt den Kopf schief. „Keine Ahnung, es gibt viele tolle Filme. Festlegen kann ich mich da nicht.", antwortet sie. Ich nicke. „Und die engere Auswahl?", belasse ich es noch lange bei dieser Frage. Kelly stützt ihren Kopf auf. „Also, da wird es schon schwieriger.", meint sie und ich freue mich endlich ein Thema gefunden zu haben, dass sie auch gut findet. „Und die Filme heißen?", helfe ich ihr. Kelly lacht und boxt mich freundschaftlich in den Arm. „Lass mich doch mal überlegen!", grinst sie und ich kann nur lachen. Kelly schüttelt ihren Kopf. „Du bist unmöglich!", meint sie. Ich grinse unverschämt und kann dem nichts hinzufügen. „Chris, ehrlich. Du bist wirklich verrückt. Soll ich dir jetzt alle Filme aufzählen, die ich mag? Die gesehen habe und mag?", fragt sie fassungslos. Im positiven Sinne. „Klar. Dann darfst du mich das auch fragen.", bin ich sehr fair. Kelly kann erneut nur lachen. Sie hat ein schönes Lachen. „Ich glaube, du hast eh nur einen Lieblingsfilm.", sagt sie und versucht zu ernst wie nur irgend möglich zu wirken. Ich grinse frech und Kelly schnaubt durch die Nase. „War ja klar, Chris!", ruft sie und ich kann nur entschuldigend mit den Schultern zucken. „Also? Was ist dein Lieblingsfilm?", fragt sie. Ich brauche nicht zu überlegen. „The Prestige.", kommt es wie aus der Pistole geschossen. Kelly staunt. „Nur der? Guckst keine anderen Filme?", will sie wissen. Ich neige den Kopf. „Doch, ja. Klar, denke ich. Also, die meiste Zeit bin ich eh nicht zuhause, also...", meine ich und Kelly hat noch mehr Fragezeichen im Gesicht. „Naja, wenn wir auf Tour sind.", erkläre ich und Kelly versteht es. Ihr Gesicht hellt sich auf, als der Ton meines Handys ertönt. „Na endlich!", stöhnt sie und ich schaue auf mein Display. „Fehlalarm. Mein Akku ist fast leer.", muss ich Kelly vertrösten. Sie stöhnt auf. „Super! Langsam glaube ich, dein Bruder und mein Vater haben sich verbündet und sind abgehauen.", wirft sie ihre Spekulationen durch den Raum. Amüsierend. Wirklich amüsierend. „Vielleicht haben sie das wirklich getan. Aber, was wird dann aus uns?", frage ich und erwarte eine super Antwort. „Nun ja, bevor ich hier sterbe, werde ich dich wohl zerlegen und auffressen. Und von deinen Blut trinken.", sagt Kelly und sieht dabei erschreckend ernst aus. „Auweia, du Vampir.", witzle ich und Kelly lacht. Sie sieht mir in die Augen und ich lese Dankbarkeit.
Bei manchen Menschen, sagt man, da findet man eine harte Schale und einen weichen Kern. Ich schätze, hier ist das der Fall. Nach außen will sie sicherlich stark wirken, doch innen brodelt es gewaltig. Ich weiß, ich bin kein Psychologe und das will ich auch um Himmelswillen nicht sein, doch ich spüre ihre Anspannung deutlich. „Chris?", flüstert sie in die Stille. Ich drehe meinen Kopf zu ihr. „Darf ich mich anlehnen?", fragt sie schüchtern. Ich nicke. Klar, warum nicht? Ist doch nichts dabei? Oder? „Aber klar. Mach das ruhig. Scheinbar dauert es etwas länger das Problem zu beheben.", erkläre ich und biete ihr freundlich meine Schulter an. Nur zögernd und sehr unsicher rutscht sie näher. Dann bettet sie langsam und vorsichtig ihren Kopf auf meine Schulter. „Danke.", sagt sie noch leise, dann schon hat sie ihre Augen geschlossen. Ich würde ja nicken, doch ich will mich nicht bewegen. Ich weiß nicht viel über sie. Eigentlich nur ihren Namen und dass ihr Vater nicht so perfekt ist. Mehr denke ich, mehr weiß ich nicht. Und doch lehnt dieses junge Mädchen an meiner Schulter. Und sie, sie weiß ja auch nicht viel von mir. Nun, auf den ersten Blick sieht es so aus, als wüsste nicht viel über mich. Wer weiß, ob sie mich schon mal gesehen hat. Interview gesehen hat, eine Show besucht hat. Wer weiß das schon? Doch im Moment ruht sie in einer Seelenruhe an meiner Schulter und scheint schlafen zu wollen. So lange sind wir doch nicht hier drinnen? Oder? Ich meine, wie viele Stunden sind denn schon wirklich vergangen? Dauert es alles wirklich so lange oder ist das nur, weil wir hier fest sitzen und nicht draußen sind? Ich seufze und schließe ebenfalls meine Augen. Nur einen Augenblick ausruhen. Die Luft hier drinnen, wird die eigentlich auch irgendwann schlecht? Ich meine, haben wir irgendwann keinen Sauerstoff mehr? Oder gibt es da nicht die Klimaanlage, die frische Luft hinein bringt? Mit der Zeit werde ich auch langsam durstig. Ich habe Durst. Und natürlich haben wir nichts hier. So ein Pech. Ups. Pech.
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Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FF
FanficJeder hat einen besten Freund, seinen Seelenfreund. Mit ihm ist man auf unzertrennliche Weise auf ewig verbunden. Eine solche Verbindung schenkt uns das Bewusstsein, verstanden zu werden. Und zwar genauso, wie wir sind - ohne uns verstellen zu mü...