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Am nächsten Tag besprechen Andreas und ich weitere Kleinigkeiten unserer Tour. Wir planen wieder den kompletten Tag. Wir reden mit unserem Team und schicken kleine Sachen zur Inspektion. Wir kontrollieren den Bus und checken allerlei Dinge. Nebenbei schreibe ich wieder mit Kelly, die allerdings eigentlich fleißig in der Schule sein soll. Naja, was solls. Ein Schulterzucken, mehr nicht. Gestern das war wirklich schön und ich habe mich gefreut, dass Andreas nichts zu Kelly gesagt hat. Im Moment ist alles noch so verschwiegen und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das Andreas überhaupt hätte sagen dürfen. Auf der anderen Seite, und das will ich betonen, hat Andreas leider Recht. Wenn es hart auf hart kommt, dann können wir Kelly davon nicht abhalten und das macht mir Sorgen. Aber von ihr höre ich gerade nur Gutes. Sie schrieb mir eben nur Gutes. >So einen geilen Start in den Tag, den hatte ich schon lange nicht mehr! <, konnte ich lesen. Aber mehr war es auch schon wieder nicht. Nun, sie hat ja auch Schule. Andreas und ich proben noch ein paar Dinge, dann treffen wir uns zum Mittagessen bei ihm. Leckere Pfannkuchen hat Lene gezaubert und Andreas hat die Kinder von der Schule abgeholt. Ein sehr fürsorglicher Vater. Und wir lassen es uns schmecken. Mama ist auch dabei.

Ein richtiger Familientag. Auch Silvia ist heute dabei. Mit ihrem Mann und ihren Kindern. Wunderbar, es wird gespeist, gelacht. Alles zusammen und nebenbei erreichen mich super tolle Nachrichten von Kelly. Ihre Noten sind super, ihre Freunde sind alle schön glücklich in einer Beziehung und sie wünscht sich nichts mehr, als endlich mit jemandem von unserer Crew ins Auto zu steigen. Mensch, wir hatten eine so lustige Idee, aber Kelly fand das doof. Eigentlich wollten Andreas und ich mit unserem schicken Tourbus vor der Schule parken und sie dann abholen. Aber nein, die leibe Kelly steht nicht auf große Auftritte. Ist ja mal wieder typisch. Naja, muss sie wissen. Ich dachte wirklich, das wäre die perfekte Methode sie einzuladen. Nun gut, jetzt holt einer sie von zuhause ab und bringt sie mit dem Tourauto nach Stuttgart. Mal sehen, wie das klappt. Ich bin total gespannt, weil ich mich jetzt auch einfach freue ihr unsere Show zu zeigen. Sie soll nicht hinter die Kulissen schauen, sie soll es genießen und nichts fragen. Es ist, schwer. Denn ihr meine Arbeit zu zeigen, ohne etwas verraten zu wollen oder dürfen, das wird nicht einfach. Schließlich haben Andreas und ich ja auch beide im Magischen Zirkel geschworen, dass wir keine Tricks verraten. Aber, mal angenommen, sie erfährt rein zufällig Tricks...

Würde Andreas mich zwar nicht komplett köpfen, aber ich bin mir sicher, er ist von Kelly noch nicht so ganz überzeugt. Mal schauen. So neigt sich auch dieser Tag seinem Ende zu. Früh schlafen gehen, damit man am Morgen überhaupt raus kommt. Was ein Theater! Meine Sachen für die nächste Rundreise sind schon gepackt und schwupp, da liege ich schon in meinem Bett und schlafe. Träume von den bevorstehenden Shows und hoffe, dass nichts schief geht. Der Wecker am Morgen, ja der treibt Kummer und Sorgen. Was für ein schrecklicher Ton, bis ich ihn an die Wand schmeiße. Punkt eins auf der To-Do-List abgehakt. Aggressionen auslassen. Es wird noch schnell gepackt und alles schön sortiert, dann fahre ich mit meinem schönen schicken Opa-Auto zu Andreas. Hier kann ich es parken. Bei Andreas, einfach mal eben schnell abstellen, damit niemand es klauen kann. Lene passt auf. Hat sie versprochen! Wehe, wenn nicht! Und so stehe ich wenige Sekunden später bei meinem Bruder auf der Matte. „Bereit?", fragt er, als würden wir zum Mond fliegen. „Ja.", sage ich. Zusammen schreiten wir, wie Astronauten, auf unseren Bus zu. Andreas küsst Lene innig und ich muss schmunzeln. Und danach bin ich traurig.

„Ich habe niemanden der mich küsst...", sage ich traurig und leise. Da lacht Lene auf. „Das tut mir Leid.", sagt sie und ich hebe den Blick. Da staune ich nicht schlecht, als Andreas auf mich zu kommt und mir einen Kuss auf die Stirn drückt. Mit großen Augen starre ich ihn an. „Du wolltest einen Kuss.", rechtfertigt sich Andreas und Lene lächelt. Ich nicke. „Sicher...", meine ich, noch immer verwirrt. Aber doch nicht von dir! Bruderherz! „Das ist sehr lieb von dir.", gebe ich zurück und gehe auf Lene zu. „Ich würde dir auch einen geben...", flüstert Lene und ich grinse. „Ja bitte.", bitte ich sie und ich erhalte einen Kuss auf die Wange von ihr. „Sehr lieb, danke.", sage ich und Andreas steht neben mir. „Hey, jetzt muss ich noch einen bekommen. Schließlich bin ich der Ehemann und nicht der Schwager...", brummt er und erhält einen weiteren Kuss. „Nur so, aus lauter Lust und Laune, um dich zu ärgern...", beginne ich und Andreas sieht mich böse an. Da flüchte ich doch mal lieber in den Bus. Auch wenn das eher dumm war, denn Andreas muss ja auch irgendwie hier rein. Naja, er findet mich schon nicht. „Du bist so ein Kleinkind. Versteckst dich im Bett!", lacht mein Bruder und zieht den Vorhang zur Seite. „Ey, du hast noch gar nicht gezählt...", protestiere ich und kann mir das Lachen ebenso nicht verkneifen. „Also, ich zähle bis drei und dann bist du aus meinem Bett raus! Mit deinen Schuhen! Also...", beginnt Andreas und schon ertönt auch seine erste Zahl. „Bin ich eines deiner Kinder?", frage ich patzig. Er grinst. „Nein, dem lieben Gott sei Dank nicht.", meint er und zählt weiter. Ich schüttele den Kopf und verlasse das Bett. „Aber siehe da, auch bei dir funktioniert das, was bei meinen Kinder geht.", staunt Andreas und ich jage ihn mit einem Kissen durch den Bus. Dass sich dieser schon in Bewegung gesetzt hat, merken wir, als er um eine Kurve fährt.

„Woooahhh!", rufe ich und halte mich an einem der Sitze fest. „Das hast du davon!", antwortet mein lieber Bruder. Aber auch er kullert wie eine Kugel durch den Bus. „Tja, wer zuletzt lacht...", necke ich ihn. Doch Andreas grinst. „Tja, der hat es eher nicht verstanden...", kommt es prompt zurück. Ich schließe meine Augen. Danke, genau das sollte doch nicht passieren. „Na dann? Auf die Plätze?", fragt Andreas. Ich nicke. „Fertig, los...", brumme ich leise und laufe locker nach oben in unser Büro. Dort erwartet mich eine Nachricht auf meinem Handy. „Ich glaube, Kelly hat geschrieben.", meine ich und sehe Andreas abwartend an. „Und?", will dieser wissen. Ich zucke mit den Schultern. „Habe noch nicht nachgeschaut. Ich schaue gleich. Wir sollten uns lieber auf die Show konzentrieren.", sage ich. Andreas nickt und wir nehmen am Tisch Platz. „Okay, wir besprechen folgendes und dann schreibst du weiter mit Kelly.", meint er und ich staune. Was meint er? Ist das so wichtig? Okay, Kelly ist schon wichtig. Aber Andreas muss mir doch nicht sagen, wann ich mit ihr zu schreiben habe! „Ich kümmere mich schon...", gebe ich unsicher zurück. Und dann planen wir. Kein Gespräch über Kelly mehr. Ich ignoriere ihre Nachricht und wir kommen auch schon an der Halle an. Stuttgart. Kelly will auch dabei sein. Nach der Schule. Wann? Heute oder morgen? Oh je, ich habe es vergessen. Doch Zeit zu überlegen, wo bleibt sie? Nirgends. Denn schon werden die Kisten in die Halle geschoben und getragen. Und schon werden Andreas und mir die Outfits für die heutige Show gegeben. Und schon stehen wir in unserer Garderobe und lassen uns herrichten. Wir rufen wieder zuhause an, wie vor jeder Show. Dann geht es los. Die Show ist der Hammer! So viel Spaß wieder und Freude. So wunderbar und für einen Moment, da vergesse ich, dass eigentlich Kelly im Publikum sitzen sollte. Für diesen Moment, bis zur Pause, in der ich auf mein Handy schaue und viele verpasste Nachrichten und Anrufe sehe. Was ist los? Panik macht sich in mir breit, doch ich kann nichts tun. Ich bin gebunden, meine Hände sind gebunden. Ich muss zur Show. Ob ich das bereuen werde?

Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt