Gestern Abend habe ich nichts mehr getan. Nichts mehr. Ich saß nur noch auf meinem Bett. Von Kelly kam nichts mehr. Auch ich schrieb nichts mehr. Bis nach Trier ist es nicht weit. Und schon eine Stunde später steht der Bus wieder. Ach, Donnerwetter. Draußen ist eine Stern klare Nacht. Keine Wolke und nichts sonst. Nur der dunkel, schwarze Himmel und mehr nicht. In meiner Hand halte ich mein Handy. Es ist ein Uhr nachts. Ich kann nicht schlafen. Zu gern würde ich sie jetzt anrufen und ihr Versprechen, dass alles wieder gut wird und dass sie kämpfen soll. Aber, ich kann nicht. Es geht nicht. Ich sitze hier und kann kein Körperteil bewegen. Schon zum vierten Mal lese ich ihre Nachricht. Ich könnte nun lügen und sagen, dass es mir doch gar nicht so nahe geht. Aber, wie gesagt, es wäre eine Lüge. Alles eine Lüge. Und es sind erst vier Minuten vergangen. Wieder vier. Wie lange ich hier schon wirklich sitze, habe nicht auf die Uhr geschaut. Da erreicht mich eine Nachricht von ihr. Ich zögere. Sie weiß, dass ich zögere. Ich bin mir sicher. Aber was in der Nachricht steht. Ich weiß nicht. Ich will sie nicht lesen. Ich habe Angst. Wenn sie mir noch mehr verraten will. Bin ich bereit? Ich habe gefragt! Ich wollte es wissen. Hätte ich weniger Zeit gehabt. Dann hätte ich nicht gefragt, ich hätte es nicht gewusst. Und ich könnte ihr schreiben. Und ich könnte wieder lachen. So wie früher mit ihr.
Ach, was rede ich da? Woher kommt das? Woher? Ich kenne sie nicht. Nicht so gut. Zwar, weiß ich Dinge, die sonst keiner zu wissen scheint. Aber ich mache mir nicht ihr Problem zu meinem. Ich kann sie nicht fangen. Wenn sie fällt. Ich kann sie nicht halten, ich kann sie nicht schützen. Ich kann nicht. Wenn sie, ja wie sagt man das? Ich will nicht sagen. Ich will nichts sagen. Nicht sagen, nichts meinen. Oh, mein lieber Gott! Jetzt bete ich. Dafür, dass sie mir eine schöne Nachricht geschrieben hat. Und dass wir uns sehen. Wieder sehen. Ich wünsche es mir, ich will sie unterstützen, ihr helfen. Ja, doch! Aber sicher! So wie sie mir half. Im Fahrstuhl. Mensch, was dieser Tag ins Rollen gebracht hat. Ich kann nur staunen. Was für eine Welle, eine Achterbahn der Gefühle. Und ich? Mittendrin, zu entscheiden zwischen Leben und Spaß. Kelly und meiner besiegten Zeit. Ich will nicht mehr. Ein Schnaufen, ein wütendes schnauben. Kein Rückfall. Zuerst muss ich jetzt was essen! Ich muss! JETZT! Schnell, sonst... Keine Ahnung, ob ich denke, dass ich zerfalle. Aber da stehen die Süßigkeiten. Viel Schokolade und viele Gummibärchen. NEIN! Nicht so viel. War das nun eine innere warnende Stimme? Dann ignoriere ich sie mal und greife zu. Ganz viel, leckere Sachen. Ich öffne ihre Nachricht. >Chris, es tut mir leid. Ich wollte dich jetzt nicht runterziehen. Bitte, wirklich. Ich glaube, wir sollten das Thema nicht mehr ansprechen. Vielleicht sollten wir auch einfach uns so gegenseitig erst mal eine Pause gönnen...<, schreibt sie. Wie in einer Beziehung? Quatsch, wir schaffen das auch so. Oder? Schokolade, ganz viel davon! Bis mir schlecht wird. Aber leise. Und wir müssen gleich joggen gehen. Ganz viel, wir dürfen nichts genießen. Schnell runter die leckeren Sachen. Ein Schlingen, ein Würgen und schließlich ist mir nach einer kompletten Tüte Schokobons und zwei Tafel Schokolade, wie einem Stück Kuchen wirklich übel. So übel und doch antworte ich Kelly mit klarem Kopf. >Alles ist gut, Kelly. Versprich mir nur, dass du durchhältst. Wenigstens, bis ich dich noch einmal sehen darf. <, antworte ich. Und mir ist so übel. Schnell steige ich aus dem Bus und renne ein bisschen abseits zu einem der wenigen Bäume. Dort lege ich mein eben Gegessenes wieder offen vor mich hin. Es sieht wirklich nicht sehr lecke aus, war es zwar. Doch nun brennt mein ganzer Hals. Es schmeckt ekelhaft und ich kotze mir wirklich die Seele aus dem Leib. Nein, was habe ich getan? Was habe ich getan! ICH! Was habe ich getan? Dass es wieder so wird, wie es nun ist. Ich könnte kotzen, wenn ich es nicht schon täte. Zu meinen furchtbar aussehenden Mageninhalt folgen nun auch Tränen. Dicke Tränen, aus Wut. Aus Verzweiflung. Und endlich weicht der ganze Stress von mir. Ich falle auf meine Knie und heule. Wie eine Pussy, so würde man es doch sicher beschreiben. Oder? Zerbrochen, wie Glas. Verlassen, wie naja, wie man halt ist. Zusammen gekauert, wie ein ängstliches Tier. Oder ein Baby, wie ein armes kleines Baby und ich lese ihre Nachricht erneut. Warum geht es mir so nahe? Warum, ich kenne sie nicht mal richtig. Ach, sie hatte mir glaube ich ja schon wieder eine Neue Nachricht geschickt. Oder bildete ich mir das ein? Es ist kalt draußen. Mehr oder weniger. So um die zehn Grad oder drunter dürften es schon sein. Bahh, was ein Geschmack in meinem Mund. Ekelhaft, ich glaube ich putze nun erst mal meine Zähne und danach gehe ich joggen. Und duschen. Wieder. Viel und lange. Okay, das nenne ich einen Plan. Einen einfachen Plan. Und so stehe ich auf und wische mir meine Tränen weg. Ich richte mich gerade auf und schlucke den letzten scheiße schmeckenden Rest von allem runter. Ich könnte schon wieder alles auskotzen. Ekelhaft. Ich gehe schnell in den Bus und putze mir die Zähne. Schön sauber alles. Und ich ziehe mich an. Schöne Joggingsachen und schon geht es los. Mit lauter Musik in den Ohren beginne ich zu joggen. Okay, stopp. Ich muss mal eben auf die Uhr schauen. Was? Nein, es ist noch so früh. Quatsch, ich kann doch nicht jetzt joggen gehen. Also lege ich mich wieder stumm ins Bett. Doch die Augen zu schließen ist unmöglich. So starre ich ohne viel an die Decke. Mein Handy blinkt auf. Eine Nachricht. Von Kelly. Sie hat mir geschrieben, ist schon länger her. >Chris, wie lange denn? <, kann ich lesen. Wann? Einen Zeitpunkt? Keine Ahnung, wann denn? Ich überlege. Wir haben heute noch zwei Shows in Trier und dann erst mal wieder Pause bis Stuttgart. Hmmm, ob sie zu einer Show will? Nach Stuttgart direkt? Wäre eine Möglichkeit. Aber wie kommt sie dahin? Ich kann sie schlecht im Tourbus mitschmuggeln. Oder? Naja, ich frage mal. Jemand wird sie doch sicher fahren können. Hat sie schon ihren Führerschein, dann vertraue ich ihr meinen Wagen an. Naja... >Kannst du am 10.03 in Stuttgart sein? <, frage ich. Mal schauen was für eine Antwort kommt. Ich schließe meine Augen und schlafe doch noch ein.
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Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FF
FanfictionJeder hat einen besten Freund, seinen Seelenfreund. Mit ihm ist man auf unzertrennliche Weise auf ewig verbunden. Eine solche Verbindung schenkt uns das Bewusstsein, verstanden zu werden. Und zwar genauso, wie wir sind - ohne uns verstellen zu mü...