*~*~* 25 *~*~*

239 19 6
                                    

Nach Ludwigsburg packen wir alles zusammen. Bis spät in die Nacht. Aber motiviert. Es geht nach Hause. Zu Kelly und ich freue mich. Aber das dauert mir hier alles wieder zu lange. Die ganze Abbauaktion. Das einräumen, bis nach dem Duschen und dem Zähne putzen endlich im Bett liegen. Noch eine Nachricht an Kelly schicken: >Gute Nach, Engelchen. Ich freue mich schon auf morgen< Dann drehe ich mich um und versuche relativ schnell einzuschlafen. Es dauert eine Weile, bis ich zur Ruhe komme. Ich mache mir noch viele Gedanken über morgen. Wie das sein wird, wenn Kelly wieder bei mir wohnt... Ich glaube, es kann keiner von uns kochen...

Andreas weckt mich am nächsten Morgen ganz lieb. Ein Blick auf die Uhr zeigt einen schönen Montagmorgen um neun Uhr. Das nenne ich ausschlafen. Ich checke mein Handy. Mails, auch eine Nachricht von Kelly. >Guten Morgen, Sonnenschein. Wenn wir jetzt wirklich eine WG gründen, dann melde ich mal an, dass ein Einkauf nötig sein wird.<, schreibt sie. Ich lächle. Sie denkt ja richtig gut mit. Sehr cool. Ich tippe eben schnell die Antwort: >Wir können ja nach der Schule, wenn du nichts anderes vor hast mal eben Einkaufen fahren. Und so viel dürfte das eh nicht sein, ich bin ab Donnerstag sowieso wieder weg.< Dann steige ich zusammen mit Andreas aus dem Bus. Lene und Mama erwarten uns. „Hallo!", begrüßt man sich stürmisch. Umarmungen, Küsschen auf die Wange und Mama lässt gar nicht mehr los. „Na, wie waren die Tage auf Tour?", fragt uns Lene lachend. Ups. Innerlich zucke ich zusammen. Verständlich? „Ach, wie jede Show waren die letzten auch der absolute Hammer.", schwärme ich. Den kleinen Patzer mit dem Zusammenbruch, das lasse ich lieber mal aus. Auch den Krankenhausaufenthalt. Besser so! Andreas verschweigt es auch. Bruderversprechen. Dafür bin ich ihm auch unendlich dankbar. Wir brauchen hier jetzt keinen Aufstand. Nichts davon! Aber Andreas verrät nichts. Nicht wie Kelly. Sie hätte es auch wirklich getan. Wirklich Mich verraten.

Wir unterhalten uns noch ein bisschen, dann werden die Lkws gecheckt und die Nightliner ausgeräumt. In den nächsten zwei Tagen werden sie gereinigt und dann wieder hier zur Verfügung gestellt. Für die nächsten Tage auf Tour. Dresden, Potsdam, Kiel. Fürs erste. Nach den Tagen, da verbringe ich erst mal die Osterzeit mit meiner Familie. Andreas, Mama, Lene und den Kindern. Aber auch Kelly zählt da schon zur Familie. Mein kleiner Engel. Wie lange kenne ich sie schon? Erst wenige Wochen. Und doch bedeutet sie mir so viel, als würde ich sie schon mein ganzes Leben kennen. Nun ja, wir haben auch schon wirklich krasse Höhen und Tiefen hinter uns. Man denke an den Fahrstuhl. Aber auch so verstehen wir uns sehr gut. Sie ist das erste Mädchen, welches meinen Rasierschaum unter Dusche im Tourbus benutzt hat. Weil sie sich die Beine machen wollte. Bemerkenswert. Ich lache. Schon lustig, wie sich mein Leben in den letzten Wochen so verändern konnte und hat. Wozu ein Mensch fähig ist. Oder besser, welche Auswirkungen er auf ein Leben haben kann. Ganz erstaunlich. Aber ich bereue nichts! Als hätte ich eine Ehe geschlossen. Das Klingeln eines Handys reißt mich aus den Gedanken. Oder war es das Festnetz von Andreas?

Mittlerweile sitzen wir bei Andreas und Lene auf der Couch. Elf Uhr. Die Zeit rennt. Gleich muss ich noch nach Hause und die Wäsche ansetzen. Einen Einkaufszettel schreiben, Kelly abholen. Oder auch nicht. Jedenfalls ist es doch viel Andreas telefoniert, Mama und Lene plaudern und ich? Ich sitze hier und lächle. Der morgendliche Kaffee ist schon getrunken. Schön wieder zu Hause zu sein. Wir reden nicht mehr viel. Für mich geht es nach Hause. Ich räume meine privaten Sachen ein und aus. Räume um, räume auf. Plane und notiere. Mache die Wäsche und übe mich darin, einen ordentlichen Raum herzustellen. Für Kelly. Meinen alten Arbeitsplatz. Um zwölf setze ich mich hin. Ich habe Hunger und das Gefühl schon wieder schlafen zu können. Ich bin ganz nervös. Wenn Kelly gleich kommt. Um halb eins ist es soweit. Es klingelt. ES KLINGELT! Ich renne zur Tür. Ziemlich verschnauft öffne ich die Tür. Es kommt herein: Kelly! Wie erwartet und doch schlägt mein Herz so schnell, wie bei einer Überraschung. „Hey...", haucht sie. Dann schmeißt sie ihre Tasche auf den Boden und wir umarmen uns stürmisch. Ich klammere mich richtig an sie. „Wie geht es dir...?", frage ich. „Gut. Naja, die Schule nervt und die üblichen Probleme einer jungen Dame.", antwortet sie. Ich mustere sie. Dame? Sie? Dame? Lady, junge Dame? „Die Lady hat Probleme...?", erkundige ich mich. Sie nickt. Ich schlucke. Mädchenprobleme. „Reden?", versuche ich es. „Einkaufen? Ich habe Hunger.", kommt es zurück. Ich lache. Aber erfülle ihr den Wunsch. „Im Auto?", frage ich. Sie nickt und ich schließe meine Wohnung. Gemeinsam trotten wir zu meinem kleinen Gefährt. „Also, was ist das denn jetzt für ein schwerwiegendes Problem?", will ich von ihr wissen, als wir im Auto sitzen. Ich schnalle mich an und lasse den Motor kurz aufheulen. „Angeber.", meint Kelly und räuspert sich. Ich lache und fahre los. „Also? Dein Problem. Da waren wir stehen geblieben." Ich wage einen kurzen Blick zu ihr, bevor ich mich wieder auf die Straße konzentriere. „So schlimm kann es doch nicht sein.", mache ich mir langsam Sorgen, als sie nur aus dem Fenster schaut. Sie schluckt. Ich jetzt auch. „Ich glaube mich liebt einer.", sagt sie dann. Erschrocken trete ich auf die Bremse. Kelly schreit kurz auf und fällt nach vorne. Dann sieht sie mich geschockt an. „Warum bremst du denn so scharf?", keift sie. Ich sehe sie mit großen Augen an. „Ich dachte es wäre etwas ernstes!", empöre ich mich. Kelly wirft mir einen bitterbösen Blick zu. „Das ist ernst!", protestiert sie. „Es geht um Liebe. Und einer ist scheinbar in mich verliebt!", erklärt sie. Glücklich sieht sie nicht aus, sonst hätte ich jetzt gesagt, dass sie sich freuen kann.

„Und?", frage ich. Wieder ernte ich nur einen bösen Blick. Na gut, ich bin da keine Hilfe. „Was soll ich denn machen?", jammert sie. Ich zucke mit den Schultern. Daran wird doch nicht die Welt verrecken! „Du musst mir helfen.", wendet sie sich an mich. „ICH?", staune ich. Sie nickt. Ich lache. „Wie soll ich dir helfen?", will ich wissen. „Freunde helfen bei Liebeskummer.", schiebt sie nach. Ich nicke. „Soll ich ihn aus dem Verkehr ziehen? Dann musst du dich damit nicht mehr abgeben.", schlage ich vor. Ist ja nur ein Angebot. „Zum Beispiel.", meint sie und nickt. „Okay, wie genau stellst du dir das vor?", bin ich noch skeptisch. Wie soll das denn gehen? Du bist ja lustig, Kelly. „Ich begehe eigentlich nur selten Morde. Dafür reichen meine Identitäten bald nicht mehr.", füge ich hinzu. Sie nickt und überlegt. „Du kannst ihn doch weg teleportieren. Auf den Mond oder so. Da stirbt er durch Sauerstoffmangel und du hast ihn nicht umgebracht.", findet sie eine tolle Lösung. Ich nicke. „So machen wir das. Gleich nach dem Einkauf.", stimme ich ihr zu und parke auf dem Platz vor dem Supermarkt. Wir steigen aus. „Was brauchen wir denn?", steht Kelly bereit vor mir. Ich lächle. „Einen Einkaufwagen.", sage ich und gebe ihr ein 1€-Stück. Sie verschwindet, während ich den Laden betrete. Gut vorbereitet zücke ich meinen Einkaufszettel. Die ersten Sachen trage ich noch auf meinem Arm, dann halte ich nach Kelly Ausschau. Da kommt sie. Unfassbar! Neunzehn Jahre alt und saust immer noch wie ein Kind durch den Supermarkt! Ich bin sprachlos. „Bist du dafür nicht ein bisschen zu alt?", frage ich sie und lege die Einkäufe in den Wagen. „manche schätzen mich eben jünger ein.", meint Kelly trocken. Ich nicke und verkneife mir einen weiteren Kommentar. Ohne weitere Zwischenfälle kaufen wir den Rest. „Heute Abend sind wir bei Andreas eingeladen.", erwähne ich, als wir unseren Essensplan planen. Sie nickt. Einverstanden. Und so fahren wir nach einer knappen halben Stunde wieder nach Hause. Dort räumen wir alles ein und planen die nächsten Tage. Sie hilft mir bei der Wäsche und ich ihr, bei ihrem Bett. Zusammen schaffen wir es sogar pünktlich zu Andreas. Ein Wunder...

Anam Cara ~ Ehrlich Brothers FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt