72. Keine Lösung

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»Was zur Hölle«, hörte ich eine tiefe, männliche Stimme raunen, die mich aus meinem Tiefschlaf langsam erweckte, »Was stinkt hier so?« Blinzelnd öffnete ich die Augen, doch die Lider fielen augenblicklich wieder zu. Sie fühlten sich an wie tonnenschweres Metall, die man nicht mal mit einem Kran hochbekommen könnte. Vor allem wusste ich nicht mal den Grund, wieso ich so schlapp war.

Ich erinnerte mich an gar nichts mehr.

»Hailey?«, fragte mein Bruder und trat in den Raum, in welchem ich lag, und hockte sich vor mich, rüttelte mich an den Schultern, doch wacher wurde ich immer noch nicht. Die Stimmen in meinem Kopf hallten, wurden immer leiser und gedämpfter, sodass ich dachte, dass ich mir die Stimmen nur einbildete und hier eigentlich niemand war, der auf mich einsprach.

Noah schüttelte immer weiter, bis ich dann irgendwann die Augen geöffnet bekam und mich umsah. Alles in meinem Kopf drehte sich. Mir war furchtbar schlecht.

Ich befand mich im Badezimmer liegend auf dem blauen, weichen Teppich, den meine Mum so toll fand und ihn deswegen gekauft hatte. Doch er war nicht mehr ganz so weich. Er klebte. Und stank.

»Heilige Scheiße Hailey, was ist mit dir passiert?«, rief Noah erschrocken und vergrub seine Hände in den Haaren, guckte sich im ganzen Bad um und knallte dann die Tür hinter sich zu, damit die schlafende Tante Gracie uns nicht hörte. Ich versuchte mich aufzusetzen, doch es klappte nicht. Ich war viel zu schwach, und doch gab ich nicht auf. Neben meiner Hüfte legte ich meine Arme links und rechts hin, um mich abzustützen, und hätte Noah mir nicht auf geholfen, hätte ich es nicht geschafft, gerade zu sitzen.

In dieser Sekunde, wo ich wieder gerade saß, fing sich wieder alles an zu drehen. Mein Kopf dröhnte. Sehen tat ich nichts mehr. Alles schwarz vor Augen. Das einzige, was ich spürte, war Übelkeit. Ganz starke Übelkeit.

Meine Hände drohten, die Kraft aufzugeben, sodass ich wieder nach hinten auf den Teppich fallen würde, doch das tat ich nicht, weil Noah mich stützte.

Alles in meinem Körper brannte. Mir war höllisch heiß und alles, was Noah zu mir im Moment sagte, konnte ich nicht richtig wahrnehmen. Ich hörte das Blut in meinem Körper rauschen, spürte meinen Herzschlag gefühlt in meinem Kopf.

Und genau in dem Augenblick, in welchem ich ansatzweise wieder klar sehen konnte, hatte ich das Gefühl zu ersticken, weil alles aus meinem Magen hochkam, was ich zu mir genommen hatte. Noah sprang auf, hievte mich hoch, um mich vor die Toilette zu knien, doch es war bereits zu spät. Alles, was davor in meinem Magen war, lag vor mir und sickerte in den blauen Baumwollteppich, weil es nur Flüssigkeit war. Alkohol.

Noahs Worte blendete ich vollkommen aus, da ich mich darauf kaum konzentrieren konnte. Ich musste mich erstmal in den Griff bekommen. Mein Magen zog sich immer fester zusammen und mein Hals fühlte sich an wie ein nasser Waschlappen, der gerade ausgewrungen wurde. Und da stellte ich mir die Frage, ob ich überhaupt atmete.

Japsend begann ich, tief Luft zu holen, und kniff die Augen fest zusammen, umklammerte meine Hände ineinander, die zitterten, als hätte ich sie für eine Stunde in eiskaltes Wasser gelegt.

Gerade wo ich dachte, ich hätte mich beruhigt und alles hätte meinen Magen verlassen, kam die zweite Portion. Doch dieses Mal handelte Noah schnell, packte mich an meiner Hüfte und setzte mich vor die Toilette, damit ich nicht wieder den Lieblingsteppich meiner Mum verschmutzte, sondern den Alkohol in die Toilette spuckte.

»Was hast du getan«, flüsterte Noah verzweifelt und hielt meine Haare an meinem Rücken fest, strich mir die kleinen Haarsträhnen aus dem Gesicht, damit sie mich nicht störten. Ich krallte mich an die Toilettenbrille, versuchte zu atmen, doch es klappte nicht. Immer mehr Atem ging mir aus. Tränen stiegen mir automatisch in die Augen, weil das zu viel für mich war.

Addicted | wird überarbeitet und in der neuen version wieder gepostet!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt