Addicted | wird überarbeitet und in der neuen version wieder gepostet!

51. Ich will dich

Mit wackeligen Händen legte ich die Spritze sanft wieder dorthin, wo sie eben noch gelegen hatte, und ging herüber zu dem Waschbecken, um mein Gesicht zu erfrischen.

Im Spiegel sah ich mich an und stellte fest, dass ich aussah, wie der Tod höchstpersönlich. Nie würde ich es verstehen oder im Kopf behalten, dass Drogen und dazu Alkohol gleichzeitig nicht gut sind.

Meine Wangen glühten und waren knallrot angelaufen, die Pupillen aufgeputscht wie große Bowlingkugeln und die Haare sahen aus, als hätte ich sie eine Woche lang nicht mehr gekämmt, wie auch immer ich das in diesen knappen zwei Stunden hier geschafft hatte.

Ich drehte den Wasserhahn auf kalt und ließ das Wasser in meine Hände, die ich zu einer Schale gebildet hatte, hineinfüllen, beugte mich in das Waschbecken hervor und wusch mir das Gesicht. Auch wenn ich geschminkt war, störte es mich nicht allzu sehr, weil sowieso alle total betrunken und bekifft waren und sie nicht merken würden, wie grauenvoll ich doch gerade aussah. Außerdem sah man nicht mehr, dass ich überhaupt geschminkt war, weil ich ausschaute, als hätte ich gerade die drei wildesten Nächte meines Lebens alle direkt nacheinander gehabt.

Nachdem ich den Wasserhahn wieder abgestellt hatte, tupfte ich mein Gesicht mit einem Handtuch sanft wieder ab, hing es dorthin, woher ich es genommen hatte und atmete tief durch, dachte immer noch an den Jungen, der hier vor fünf Minuten gesessen hatte.

Irgendwie tat er mir ja schrecklich leid. Ich möchte nicht wissen, wie es ist, wenn man vollkommen abhängig von der gefährlichsten Droge ist, die man eigentlich nicht nehmen sollte.

Diesen Moment werde ich nie in meinem ganzen Leben vergessen. Ich war geschockt, leicht angeekelt, traumatisiert von dem Anblick und irgendwie auch traurig, weil dieser Junge somit sein komplettes Leben zerstört hatte, und das nur durch eine Droge, nach der man süchtig war und nicht mehr damit aufhören konnte, sich sie zu spritzen.

Einen letzten Blick ließ ich zu der Spritze einen Meter entfernt von mir auf dem Boden wandern und spürte direkt, wie mir alles wieder hochkam, was ich heute zu mir genommen hatte.

Ich musste hier einfach so schnell wie möglich weg. Ich durfte mir dieses Teil nicht mehr anschauen.

So schnell wie ich nur konnte, schloss ich die Tür auf und ging aus dem Badezimmer, machte die Tür hinter mir wieder zu und lief nicht allzu in einer geraden Linie ins Wohnzimmer zu den anderen, versuchte, meine Gedanken zu diesem fremden Jungen zu verdrängen und erst recht das Heroin aus meinem Kopf zu bekommen, aber ich konnte nicht. Vielleicht hat ja Vincent auch mit sowas schon irgendwelche Erfahrungen gemacht?

»Hail ist wieder da!«, brüllte Valeska überglücklich, zog dabei meinen Namen in die Länge und ließ sich nach hinten auf den Schoß von Chat fallen, woraufhin ich kurz kichern musste. Ich möchte nicht wissen, wie viel Alkohol sie getrunken hat. Nicht dass ich es nicht getan habe, ganz im Gegenteil, ich habe sogar wieder ganz schön viel zu mir genommen, aber Valeska übertraf mich dieses Mal um Längen.

Ohne wirklich auf sie zu reagieren, stolperte ich wieder zu Vincent und ließ mich neben ihm fallen, woraufhin er sich zu mir herüber beugte, mir wieder näher kam. Ich roch den Alkohol sofort, schaute in seine leuchtenden Augen, die Pupillen waren fast so groß wie seine Iris. Auch wenn ich mich eigentlich davor fürchten müsste, tat ich es nicht, weil ich einfach genauso aussah wie er. Sogar noch schlimmer, wo ich mich vorhin im Spiegel angeschaut hatte.

»Wo warst du so lange?«, fragte er mich unverständlich. »Ich war auf Toilette und bin dort jemandem begegnet«, ich machte eine lange Pause, indem ich kurz auf seine Reaktion abwartete, doch er tat immer noch nichts anderes, außer mich einfach anzuschauen und mir zuzuhören, dabei alle anderen um uns herum zu ignorieren und mir näher zu sein, als er es heute schon war. Ich schaute mich kurz um, entdeckte wieder den Jungen, der vorhin im Bad war, an einer Wand abstützen, während seine Freunde um ihn herumstanden.