79. Mittagessen mit der Familie

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Es war nicht nur mir unangenehm, mit meinen Eltern und meiner Tante am Esstisch zu sitzen und kurz nach eins Mittag zu essen, sondern auch Noah.

Gestern, am frühen Freitagmorgen, wurde Noah aus dem Krankenhaus entlassen und meine Mutter, mein Vater und ich haben ihn abgeholt. Tante Gracie blieb zu Hause. Geredet hatten meine Eltern und ich auf der Hinfahrt kein Wort. Meine Mutter war bis gestern Morgen gar nicht aus dem Schlafzimmer gegangen, vielleicht nur, wenn ich gerade in meinem Zimmer saß, und mein Vater war die meiste Zeit bei ihr.

Ich glaube, meine Mutter war einfach nur sehr geschockt. Ich meine, niemand erwartete, wenn man aus dem Urlaub kam, aus dem schönen, sonnigen San Francisco, dass das eine Kind kokainabhängig war und das andere Kind trank. Keine Ahnung, was mit mir als Mutter passiert wäre.

Am Krankenhaus angekommen war uns Valeska über den Weg gelaufen, sie kam gerade aus dem Eingang des Hospitals heraus. Meine Eltern hatten sie ignoriert, als sei sie ein fremdes Mädchen, das nur jemanden besuchen war - und schließlich war sie es auch für meine Eltern. Sie kannten Valeska nicht, da Noah sie ihnen nie vorgestellt hatte. Mir auch nicht. Valeska war mir bis vor zwei Wochen völlig fremd.

Wir beide hatten nur ganz kurzen Blickkontakt, ganz kurz, doch dann hat sie ihren Kopf nur nach unten gesenkt und war an mir vorbeigelaufen. Der Abstand zwischen uns war nicht mal groß. Ein Meter. Einen Meter neben mir ist sie an mir vorbeigelaufen und ich hatte echt den Gedanken, sie zu stoppen und mit ihr zu reden, aber ich habe es doch gelassen. Es wäre keine gute Idee gewesen, mich mit ihr zu unterhalten.

Aber irgendwie war es ja auch süß, zu wissen, dass Valeska schon vor sieben Uhr morgens bei Noah im Zimmer saß. Es war wirklich süß.

Bei meinem Bruder angekommen saß er schon auf seinem Bett mit dem Rücken zu uns gedreht und starrte aus dem Fenster. Entweder hatte er uns nicht gehört oder er hatte uns ignoriert, denn als wir die Tür aufgemacht, reingegangen und sie wieder zugemacht haben, hatte er sich kein Stück gerührt. Er blieb wie ein Stein auf dem Bett sitzen und starrte nach draußen aus dem Fenster.

Erst als mein Vater sich neben ihn gesetzt hatte, hatte er seinen Kopf zu uns gedreht und jedem einzelnen von uns in die Augen geschaut. Als erstes meinem Vater, danach meiner Mutter, die mit schlagendem Herzen und zitternden Händen neben ihrem Mann stand und zuletzt mir, die ängstlich hinter ihrer Mutter stand und wartete, bis Noah sich rührte.

»Ich werde es euch erklären, versprochen«, hatte er gesagt, als er beschämt nach unten schaute und danach die Augen schloss. Meine Mutter presste nur die Lippen aufeinander und atmete tief durch, während mein Vater seinen Arm von Noahs rechter Schulter genommen hatte.

Danach sind wir ohne Worte aus dem Krankenhaus gegangen. Meine Eltern waren Hand in Hand vor Noah und mir gelaufen, der jedes Mal seine Hand zu einer Faust geballt hatte.

Ich habe ihn gefragt, wie es ihm ging und daraufhin meinte er nur, dass alles okay wäre. Man sah es ihm sofort an, dass er Angst vor dem Gespräch mit meinen Eltern hatte, weil er nicht genau wusste, wie er es erklären sollte.

Als wir zu Hause angekommen waren, war es sehr still zwischen uns. Niemand hat mit niemandem geredet, selbst Tante Gracie, die Plappertante schlechthin, wusste nicht was zu sagen war. Sie hatte nur unsere sprachlosen und dunklen Gesichter gesehen und wusste sofort, dass sie lieber nichts sagen sollte.

Noah war direkt auf sein Zimmer gegangen, genauso wie ich es war. Meine Eltern hatten den Koks gestern Abend noch aus seinem Zimmer genommen und ihn in die Toilette geschüttet und herunter gespült, einfach damit Noah nicht damit weitermachte. Dabei wussten die Armen nicht mal, dass er immer wieder an Koks rankommen könnte. Das habe ich aber nicht erwähnt. Noah soll gefälligst selber seinen Hintern zu ihnen bewegen und ihnen alles erzählen. Das war seine Sache.

Addicted | wird überarbeitet und in der neuen version wieder gepostet!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt