Kapitel 28 "ich brauche dich"

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Man wann kommt Ben denn endlich? Seit einer Stunde habe ich Schule aus und warte sehnsüchtig auf ihn. Ich entscheide mich schon mal dazu mit meinen Hausaufgaben anzufangen, vielleicht geht die Wartezeit dann schneller vorbei. Entschlossen ziehe ich mein Mäppchen und meinen Block aus der Tasche und fange mit Mathe an, dann noch Deutsch. What! Einen ganzen TGA verfassen, kann sich die Lehrerin mal schön abschminken. Nachdem ich eine Gliederung angefertig und die Einleitung geschrieben habe, packe ich mein Heft wieder weg. Den Rest mache ich vielleicht morgen, wenn ich Lust habe. Ich blicke auf mein Handy, 16 Uhr und Ben hat sich immer noch nicht gemeldet. Ich werfe einen prüfenden Blick aus dem Fenster und sehe, wie ein schwarzer VW Golf die Einfahrt auffährt, das muss er sein. Endlich! Ben steigt aus und nimmt sich seine Sonnenbrille ab, kurze Zeit später klopft es an meiner Tür. „Endlich bist du da", sage ich und drücke ihn fest. "War viel Verkehr heute", antwortet er entschuldigend und drückt mir einen leichten Kuss auf die Haare. „Was ist passiert, dass ich so dringend kommen musste?", er setzt sich auf den Stuhl gegenüber von meinem Bett, wo ich mich hingesetzt habe. „Ich schaffe das nicht ohne dich", flüstere ich und ich sehe sofort die Verzweiflung in Bens Augen: „Was meinst du damit?" „Ich habe es mir so leicht vorgestellt, dass ich hierher komme und mit meiner Vergangenheit abschließen kann. Aber das schaffe ich nicht ohne dich", schniefe ich, meine Tränen versuche ich wegzublinzeln. Trotz allem, möchte ich nicht vor Ben weinen müssen. Er atmet einmal tief durch und reibt seine Hände über die Oberschenkel: „Was ist mit dem Jungen?" Einen Moment lang schließe ich meine Augen, ehe ich ihm alles erzähle: „Ich habe ihn echt schlimm zusammengeschlagen, ich wollte das nicht. Das war ein Reflex, wie bei Marc damals, ein Rausch. Beinahe hätte ich seine Freundin auch verprügelt. Ich habe meine Wut wieder nicht unter Kontrolle und ich weiß nicht, was tun kann. Du bist nicht da, ich bin jetzt ganz alleine." „Kat wieso? Ich dachte du hast das im mittlerweile Griff. Trinkst du immer noch?", Ben mustert mich. „Nicht mehr so viel, aber ich schaffe das nicht alleine. Ich kann nicht mehr, ich werde schon wie Jake. Es bereitet mir Angst, ich will nicht in den Knast", ich spiele nervös mit meinen Fingern rum, vielleicht ist das auch die Aufregung. „Du weißt davon?" „Ja, Diego hat es mir erzählt" „Ich habe dir immer gesagt, dass es nicht leicht wird, aber du musst es versuchen", versucht Ben mich aufzubauen, aber vergebens. Seine ruhige Art und seine warmen gold-braunen Augen, können mich diesmal nicht runterfahren. „Ben, ich kann das nicht ohne dich. Du bist der Einzige, dem ich vertraue. Denkst du irgendwer weiß etwas über mich oder meine Vergangenheit" Ben fährt sich mir der Hand übers Gesicht: „Kat, das ist dein Problem, du kannst dich nicht vor allem und jedem verstecken. Fang an anderen Leuten zu vertrauen. Ich bin nicht ewig da, du musst lernen auch alleine zurecht zu kommen." „Ich habe aber Angst", rufe ich verzweifelt, „angst davor verletzt zu werden." Beruhigend legt Ben seine Hand auf mein Bein und streicht mir über das Knie: „Kleines, nicht alle sind böse. Ich verstehe dich voll und ganz. Aber du musst auch mal reden, mit einem Freund oder so. Ich werde hinter dir stehen und dir immer helfen, aber du musst dich auch gegenüber anderen öffnen. Es ist schwierig, das weiß ich. Die Welt ist nicht böse oder willst du so enden wie deine Mutter?" Ich wische mir eine Träne weg: „Wie geht es ihr denn?" „Naja, sie macht jetzt erstmal einen Entzug und dann sehen wir weiter", Ben lehnt sich etwas zurück. „Was ist mit Marc?", schniefe ich. Stille! „Sag mir die Wahrheit", fordere ich. „Deine Mutter wollte zurück zu ihm", murmelt Ben und richtet seinen Blick kaum auf. „Was!", ich springe entsetzt auf, "das kann jetzt nicht dein Ernst sein. Mir egal, ob sie mich vermisst oder mich hasst, aber dieser Dreckskerl soll aus ihrem Leben verschwinden." „Keine Sorge, ich konnte sie zur Vernunft bringen", beruhigt Ben mich wieder, "aber nach dir hat sie nie gefragt. Es tut mir leid." Tränen schießen mir in die Augen und Ben schließt mich sofort in die Arme. Was habe ich erwartet? Aber so lange sie nicht täglich von Marc fertiggemacht wird, kann ich es akzeptieren. "Nochmal zurück zu dir", Ben hält mich an beiden Schultern fest, "du bist tausend mal hingefallen und wieder aufgestanden, hast dich nie unterkriegen lassen und jetzt willst du liegen bleiben? Du musst kämpfen, wie sonst auch. Du kannst nur die Vergangenheit hinter dir lassen, wenn du etwas an deinem Verhalten und Gefühlen gegenüber anderen Menschen änderst und wenn du mir versprichst, Vertrauen auch zu anderen Leuten aufzubauen, dann versuche ich einen Antrag zu stellen, dass ich hierher versetzt werde." „Wirklich", überrascht sehe ich ihn an. „Ich kenne dich und ich weiß, dass du kein schlechter Mensch bist und erst recht niemandem etwas schlechtes willst, aber öffne dich gegenüber anderen. Das wird dir helfen" „Danke", ich falle ihm um den Hals. Mit ihm zu reden tut mir einfach immer gut. Es gibt mir neue Hoffnung und neue Kraft. „Hab ich dein Wort?", er hält mir seine Hand hin. „Auf jeden Fall", schlage ich ein. „Schön, ich fahr dann mal wieder", er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und verlässt das Zimmer wieder, „wir hören uns." Ich atme tief ein und aus. Ben hat ja schon Recht, aber ich fühle mich nicht bereit dazu. Man hat das ja bei Lara gesehen, was wenn sie von meiner Vergangenheit wüsste. Egal wem du es erzählst, irgendwann können sie es gegen dich verwenden.

Die nächsten Stunden mache ich eigentlich nichts besonderes. Um Mitternacht gehe ich nur schnell noch in die Bar und haue mir einige Drinks rein, ich brauche das jetzt einfach. Um halb zwei mache ich mich dann wieder zurück ins Internat. Immer und immer wieder muss ich über die Worte von Ben nachdenken. Nur wem kann ich vertrauen und wem nicht? Will ich überhaupt anderen vertrauen? Besser gesagt kann ich das denn noch? Im Bad wasche ich mein Gesicht und betrachte mich im Spiegel. Eine blasse Kat blickt auf mich, ihre Augen sind gerötet und ihr Blick emotionslos. Das fröhliche Mädchen ist kaum wieder zu erkennen, lange habe ich sie nicht mehr im Spiegel gesehen. „Ich muss was ändern. Tausend mal lag ich auf dem Boden und bin immer wieder aufgestanden und das werde ich auch jetzt", sage ich mit fester Stimme und lege mich dann in mein Bett. Ich bekomme das wieder hin! Mitten in der Nacht werde ich durch Schritte in meinem Zimmer geweckt. Der Blick auf mein helles Display lässt mich beinahe erblinden, aber wenigstens weiß ich jetzt, dass es halb fünf in der früh ist. „Wer bist du und was willst du?", murmele ich verschlafen und knipse die Nachttischlampe an. Und da steht vor mir Lara. Sie reißt ihre verquollenen Augen auf und ihre Unterlippe bebt leicht „Was willst du?", frage ich erneut. Ohne ein Wort läuft sie zu ihrem Bett und legt sich hin. „Was ist, hat Jannik etwa die Schnauze schon voll von dir?", frage ich belustigt und stütze mich auf meinem Unterarm ab. „Och, halt du bloß deine Fresse, immerhin weiß ich was Liebe ist. Du bist dazu doch nicht fähig", macht sie mich an. Empört schnappe ich nach Luft: „Bitte?" „Ja, du kennst dich doch nur damit aus, wie man einem die Freunde ausspannt, wie mir Noah", Lara sieht mich vorwurfsvoll an. „Stopp, du hast dich selber von ihm entfernt, er wollte das nie", verteidige ich mich. „Ja, weil er mit dir befreundet ist. Und solange er in deiner Nähe ist, glaub mir will ich mit euch beiden nichts zu tun haben. Vorallem du nutzt ihn doch eh nur aus und am Ende verprügelst du ihn wie Jannik" „Das würde ich nie tun und weißt du wieso, weil ich Noah liebe, er ist wie ein Bruder für mich", rufe ich, "außerdem war ich für ihn da, als du ihn im Stich gelassen. Das ist ein Problem zwischen uns, er hat damit nichts zu tu. Und wenn du es nicht akzeptieren kannst, dass wir Freude sind, dann werd endlich mal erwachsen." „Du bist eine Bitch. Punkt aus Ende", mit diesen Worten dreht sie sich zur Seite. „Ich bin eine Bitch, klar! Wer steckt denn jede Minute ihre Zunge in Janniks Hals? Mh? Wie konnte ich dich nur ansatzweise mal nett finden. Wie konnte ich mich nur so in dir täuschen, wie naiv war ich bitte? Du bist einfach Abschaum, eine falsche Schlange und ich bin froh, dass Noah das auch endlich sieht. So kannst du ihn wenigstens nicht zerstören, mit deiner ignoranten Art", ich springe auf und schnappe mir meinen Koffer, dort werfe ich alles rein. Klamotten, Kosmetikzeug, Schulsachen. Der Rest soll von mir aus hier verrotten, den brauche ich eh nicht mehr, dass wichtigste habe ich. Ich schlüpfe anschließend in meine Schuhe und laufe im Schlafanzug zur Tür. „So jetzt hast du das ganze Zimmer für dich. Viel Spaß. Und ich hoffe du fällst irgendwann so richtig aufs Maul, damit du fürs Leben lernst. Denn deine Art zu anderen Menschen ist einfach ekeleregend", fauche ich und knalle die Tür hinter mir zu. Draußen ist es noch frisch, doch am Horizont geht langsam die Sonne auf.

Wo sie jetzt wohl hingeht? Was meint ihr!

Save me Badboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt