Ich starrte auf den Zettel, zerknüllte ihn und warf ihn im hohen Bogen in den Papierkorb.
„Hey, du hättest mich fast am Kopf erwischt!“, beschwerte sich Luke.
„Lukas Brown, stell dich nicht so mädchenhaft an! Ein Papierknäuel wird dich schon nicht umbringen!“, gab ich zurück.
„Hast du eine Ahnung! Das könnte mich schwer verletzen! Wer weiß, wie viel Kraft in deinen kleinen Ärmchen wirklich schlummert! Du könntest mich bewusstlos werden lassen. Oder schlimmer noch, das Papier könnte mir in meine Nase schneiden!“, zwinkerte er mir zu.
„Ich bitte dich!“, erwiderte ich. „Du bist doch sonst so ein starker furchtloser Typ, also fürchte dich mal nicht vor Papierkugeln!“
„Kugeln? Das war ein Ball!“, zog er mich auf.
Wie hielt ich das mit dem Typen nur aus? Ach ja, er war der einzige Mensch in der ganzen Universität, der sich mit mir unterhielt und keiner der Lehrenden war.
Lukas Brown. Braune Haare, rehbraune Augen und gar nicht so unsportlich. Einen stattlichen jungen Mann würde meine Mutter ihn nennen. Lukas Brown, mein bester und einziger Freund, der, soweit ich zurückdenken konnte, immer da war. Doch ob er mich um meinetwillen mag, oder wegen der Freundschaft unserer Eltern, wage ich nicht zu beurteilen. Außer ihm nimmt eigentlich keiner Notiz von mir, wenn sie mich nicht gerade umlaufen oder ich ihnen im Wege stehe, sieht mich niemand.
Ehe ich wieder in meine Tagträume entgleiten konnte, schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich wieder auf die Gegenwart.
„Komm schon, Luke!“, beschwerte ich mich. „Wir müssen lernen!“
„Ich kann nicht mehr!“, jammerte er mir zum gefühlt tausendsten Male an diesem Nachmittag die Ohren voll.
„Wir haben aber nur noch eine Woche Zeit dafür!“, konterte ich und verschränkte konsequent die Arme.
„Du sagst es, wir haben noch eine ganze Woche Zeit! Da können wir uns doch mal ein wenig Freizeit gestatten!“, stöhnte Luke genervt.
„Du kannst ja aufhören, wenn du meinst, du kannst alles rechtzeitig ohne zu lernen!“ Ich würde auch ohne ihn lernen können. Vielleicht sogar besser.
„Jetzt sei doch nicht gleich wieder sauer, Serena“, schmollte er. „Ich denke ja nicht, dass ich es ohne zu lernen schaffen werde und ohne deine Hilfe sowieso schon dreimal nicht! Aber das Leben besteht doch nicht nur aus Paukerei! Wir müssen auch mal etwas abschalten, etwas erleben, auf Partys gehen, das Leben genießen, solange wir noch jung sind!“
„Dann hau schon ab!“, sagte ich und musste mir wirklich ein Lachen verkneifen. So ernst ich das Lernen auch nahm, bei seinem flehenden Gesichtsausdruck konnte man einfach nicht nein sagen.
„Juhu!“, rief er aus und sprang von meinem Bett auf, auf dem er sich immer breit machte, wenn wir lernten, kam zu meinem Schreibtisch gelaufen und umarmte mich viel zu fest. „Du bist einfach ein Schatz, Ser!“
„Du zerdrückst mich! Ich kriege keine Luft mehr!“, quietschte ich.
„Sorry!“, grinste er. „Willst du nicht mitkommen?“
„Nein, geh du nur. Ich…“ Was sollte ich denn jetzt sagen? „Ich hab noch genug zu tun. Und vielleicht sehe ich mir einen Film an.“
Luke zog seine rechte Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust, während er mich musterte.
„Du wirst hier auf deinem Zimmer hocken und lernen, stimmt’s?“, fragte er nach einer Weile.
Erwischt! Er kannte mich wirklich gut.
„Auf jeden Fall werde ich das tun! Ich habe noch so viel Stoff, den ich vorarbeiten kann! Das Semester hat gerade erst begonnen und ich muss, jetzt, da wir auf der Uni sind, definitiv besser werden als bisher!“, plapperte ich munter drauf los.
Luke musterte mich kopfschüttelnd.
„Dein Ernst, Serena?“, seufzte er. „Du warst letztes Jahr in allen Fächern auf einer eins!“
„Naja…“, murmelte ich.
„Ja, okay. In Sport hast du total versagt, aber das wird auf der Uni kaum jemanden interessieren, du hast ja kein Sportstipendium erhalten! Du lernst für Medizin, das einzige wo du da später vielleicht Sport brauchst ist beim weglaufen vor den nervigen Patienten!“, feixte er.
„Luke! Bleib doch mal ernst!“, seufzte ich.
„Schon gut, schon gut! Du hast ja Recht! So weit würde es gar nicht kommen, du würdest schon vorm Laufen über deine eigenen Füße stolpern und dem Patienten in die Arme fallen!“ Da wagte er es ernsthaft mir auch noch die Zunge herauszustrecken.
„Lukas Brown!“, stöhnte ich genervt auf.
„Ich bin ja schon weg!“, grinste er.
„Das möchte ich dir auch raten!“, lachte ich.
Luke zog mich in eine kurze Umarmung. „Bitte entspanne dich heute Abend auch ein wenig!“, hauchte er mir ins Ohr und verschwand dann aus meinem Zimmer.
Und da saß ich nun, an einem Freitagnachmittag allein auf meinem Zimmer. Wohl die einzige Studentin, die keine Pläne für das Wochenende hatte.
Ich lief ins Badezimmer um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen, damit ich gleich weiterlernen konnte und konzentriert bleiben würde.
Mit einem Handtuch wischte ich mir das Gesicht wieder trocken und mein Blick heftete sich auf die Person mir gegenüber.
Sie unterbrach ihren Versuch, sich das Gesicht zu trocknen und musterte mich. Sie musterte mich und ich musterte sie. Ich musterte mich.
Der typische Streber? Da würde ich jedem wohl als erstes Beispiel einfallen. Von der festen Zahnspange, über ungepflegtes, strubbeliges Haar, Brille, abgetragene Kleidung und das ständige Buch in der Hand, entspreche ich dem typischen Klischee.
Und doch störte mich es nicht. Ich war nun mal nicht die Sorte Mensch, die viel Wert auf das äußere Erscheinungsbild warf. Mir war es wichtiger, was sich in meinem Kopf befand. Lernen und etwas aus mir machen konnte ich nur jetzt. Im Nagelstudio oder beim Friseur herumsitzen könnte ich später noch genug.
Ich war einfach ich.
Ich verließ das Bad und lief zum Fenster, um es zu öffnen und ein wenig Luft in mein Zimmer zu lassen. Sauerstoff war schließlich wichtig für die Konzentration und Denkfähigkeit.
Mein Blick schweifte über die Menschen auf dem Campus, die das schöne Wetter genossen und draußen saßen.
Jeder Studententyp war vertreten. Die coolen Sportler. Die hübschen und beliebten Mädchen. Die normalen Studenten. Und die Nerds.
Ich spürte, wie eine kleine Gruppe meinen Blick förmlich anzog und als ich mich dem Drang hingab und zu der kleinen Parkbank sah, traf es mich wie der Blitz.
Anbei ein Bild von Luke, dargestellt von Liam James Payne :)
Ich freue mich über jede Art von Feedback, Meinungen, Verbesserungsvorschläge etc.
Eure SweetHoney91
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Swot
Teen FictionVon keinem bemerkt und beachtet. Das ist Serena Fray. Ihr Aussehen entspricht auch ihrem Innern. Es gibt nichts wichtigeres als Lernen für sie. Sie ist durch und durch der Klischee-Streber. Freunde? Hat sie einen. Beziehung? Keine. Doch es gibt die...