Kapitel 29

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Nachdem Viola den Dozenten so dermaßen hatte abblitzen lassen, bekam er jedes Mal einen roten Kopf, wenn wir ihm begegneten – was so ziemlich an jedem Tag in einer Vorlesung und in jeder einzelnen Pause in der Cafeteria der Fall war.

Viola schien das ganze nicht die Bohne zu interessieren. Sie hatte ihren Spaß, alles mit mir gemeinsam zu lernen und ich muss gestehen, mir machte das auch ziemlich viel Spaß. Es dauerte seine Zeit, bis ich mich daran gewöhnt hatte, mit jemand anderem zu lernen. Natürlich kannte ich das schon von Luke, doch er hatte sich immer mir angepasst. Viola dachte nicht einmal daran, still und leise zu lernen. Sie plapperte ununterbrochen drauf los und trieb mich damit, zumindest in der ersten Zeit, in den Wahnsinn.

Mit den Tagen lernten wir jedoch beide zusammen zu arbeiten. Viola schränkte ihr Geplapper, wenn auch nur minimal, ein und ich lernte, auch ohne übermäßig viel Ruhe voranzukommen.

Der Rest meiner Tage verlief ziemlich verwirrend für mich. Luke schien mir regelrecht aus dem Weg zu gehen. Ich wusste, dass er längere Pausen hatte als ich, da er auch weniger Vorlesungen zu besuchen hatte. Normalerweise legte er sein Mittagessen immer so, dass es meinen Möglichkeiten angepasst war und wir so gemeinsam in die Mensa gehen konnten. Doch die vergangenen Tage schien es, als würde er extra immer dann essen gehen, wenn ich noch in einer Vorlesung steckte.

Ziemlich häufig dachte ich deshalb über Violas Worte nach. All die kleinen Andeutungen die sie bisher in Bezug auf Luke und mich gemacht hatte. Doch je öfter und angestrengter ich darüber nachdachte, desto absurder schien mir die Idee zu sein. Luke war mein bester Freund. Seit unserer Kindheit waren wir zwar unzertrennlich, aber eben einfach beste Freunde gewesen.

Es war für mich einfach nicht vorstellbar, was je hätte anders laufen können, um dies zu ändern. Nichts in unserer Vergangenheit deutete darauf hin, dass er je eine Beziehung oder was anderes hätte haben wollen. Nichts hinterließ den Eindruck, dass er jemals mehr als Freundschaft gewollt hatte. Von daher konnte ich mir einfach nicht erklären, warum Viola so davon überzeugt war.

Den Rest der Zeit verbrachte ich eigentlich damit, mir Jessicas Schikanen im Zimmer anzutun oder ihr in der Öffentlichkeit immer auszuweichen, stets bereit, notfalls zu fliehen. Nach meiner Aktion im Clownskostüm war sie nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen und setzte alles daran, mir das Leben zu erschweren.

„Serena?“, hörte ich Violas Stimme meine Gedanken durchbrechen. „Hörst du mir überhaupt zu?“

„Hm?“, machte ich recht unintelligent. „Ja! Natürlich!“

„Und was ist dann deine Antwort?“, fragte sie.

„Eh“, gab ich von mir.

„Ja?“

„Okay, erwischt. Ich war gerade einen Moment woanders. Entschuldige, kannst du deine Frage wiederholen?“, gestand ich schließlich.

„Klar! Aber sag du mir nicht noch einmal, dass ich das Lernen nicht so ernst nehme wie du!“, kicherte sie fröhlich vor sich hin. „Ich wollte wissen, was überhaupt die Bedeutung von anorganischer Stoffchemie und analytischer Chemie ist. Ich kann doch keine Regeln über etwas lernen, wenn ich nicht einmal verstehe, was das überhaupt sein soll!“

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