Kapitel 2

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Mein Blick schweifte über die Menschen auf dem Campus, die das schöne Wetter genossen und draußen saßen.

Jeder Studententyp war vertreten. Die coolen Sportler. Die hübschen und beliebten Mädchen. Die normalen Studenten. Und die Nerds.

Ich spürte, wie eine kleine Gruppe meinen Blick förmlich anzog und als ich mich dem Drang hingab und zu der kleinen Parkbank sah, traf es mich wie der Blitz.

Dort saß er. Alexander Clark. Der Junge, der mir wirklich den Atem raubte. Er hatte zum Teil die gleichen Kurse wie ich belegt. Doch ich glaube nicht, dass er mich schon einmal gesehen hat. Zumindest hatte er mich noch nie wahrgenommen.

So gerne hätte ich nur einmal mit ihm gesprochen. Nur ein einziges Mal. Doch er würde mich ja doch nie bemerken. Und sollte er es doch tun, dann würde er mich sicher wie eine lästige Fliege abschütteln.

Aber das war eh egal. Ich würde ihn gar nicht ansprechen können. In der Gegenwart anderer war ich mehr als nur schüchtern. Ein schüchterner Mensch würde seine Worte bedenken und möglicherweise weniger reden als gewöhnlich. Ich jedoch redete mit niemandem. Ich konnte es gar nicht. Wenn mich jemand ansprach, bildete sich einfach ein Kloß in meinem Hals. Komischerweise betrifft das aber nur junge Leute. Bei unseren Dozenten und älteren Menschen hatte ich keinerlei Probleme. Ich konnte also zum Beispiel den Dozenten antworten, weil ich alles um mich herum ausblenden kann. Und ich könnte jederzeit ein altes Pärchen auf der Straße nach der Uhrzeit fragen. Kleinen Kindern könnte ich jederzeit bestätigen, dass das Bild, das sie gemalt haben super geworden war.

Doch sobald es sich Teenager, Jugendliche oder gleichaltrige handelte, blockierte mich etwas.

Vielleicht lag es daran, dass Kinder und ältere Leute nicht danach urteilten, ob jemand hübsch war. Sie richteten sich nach dem Charakter, solange man nicht aussah wie der gruseligste Mensch auf Erden.

Jedenfalls empfand ich das genaue Gegenteil bei gleichaltrigen. Wenn ich einem Mädchen oder einer jungen Frau gegenüber stand, dann fühlte ich mich sofort minderwertig. Man sah ihnen sofort an, dass sie sich innerlich über mein Aussehen lustig machten und sich für etwas Besseres hielten. Und genau dieser Verdacht hatte sich bisher immer bestätigt.

Und dann waren da noch die Jungs und jungen Männer. Wie sollten sie mich denn überhaupt bemerken. Mich in der Menge aus geschminkten und parfümierten künstlichen Barbies? All diese kleinen Püppchen  mit ihren künstlichen Fingernägeln, den Hairextentions und dem noch künstlicherem Gekicher verbargen meine Existenz doch komplett.

Nein, ich konnte einfach mit niemandem sprechen. Mit niemandem außer Luke. Luke war schon in meinem Leben solange ich zurückdenken konnte. Unsere Eltern waren schon befreundet noch bevor einer von uns das Licht der Welt erblickt hatte. Er war der einzige Mensch, dem ich mich ein wenig öffnete. Und doch kannte er noch lange nicht alles von mir. Niemand kannte mich wirklich. Selbst Luke kannte nur den Teil von mir, der mit ihm lachen konnte und sonst nur lernte. Doch das war noch lang nicht alles. Es gab vieles, was ich vor der Welt verbarg und schützte wie ein Geheimnis.

Und mein größtes Geheimnis beobachtete ich genau in diesem Moment. Ich achtete auf jedes kleine Detail an ihm.

Plötzlich sprintete ich einmal quer durch mein Zimmer, griff nach meinem Zeichenblock und einem Bleistift und rannte wieder zum Fenster zurück, wobei ich mir natürlich den kleinen Zeh am Schreibtisch stieß.

„Au“, fluchte ich laut und setzte mich dann auf die Fensterbank.

Ich winkelte die Beine an und legte meinen Block darauf ab. Dann sah ich wieder hinaus zu der Bank und begann ihn zu zeichnen.

Wobei wir bei meinem zweiten Geheimnis wären. Niemand wusste, wie gerne ich zeichnete.

Und seit wir auf der Uni waren, war Alex meine liebste Vorlage. Schon so oft hatte ich ihn in den letzten Wochen gezeichnet.

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