Kapitel 30

428 45 16
                                    

Jessica war erfolgreich absorbiert worden. Natürlich hatte keine Pflanze sie verschluckt und wieder ausgeschieden, aber sie war endgültig aus unserem Zimmer entfernt. Das war unser persönliches Licht am Ende des Tunnels.

Viola verzichtete jedoch darauf vor Freude ein paar Saltos zu schlagen. Sie hatte sich generell verändert. Das lebensfrohe und immer begeisterte Mädchen war verschwunden und wurde durch einen traurigen Kloß Kartoffelpampe ersetzt. Die Krankenschwester hatte sie ruhig gestellt und nach Jessicas Auszug hatte ich Viola wieder ins Zimmer geholt. Zwei Tage waren seither vergangen und Viola saß nur auf ihrem Bett und starrte an die Wand. Sie war die letzten Tage total apathisch und abwesend. Ich begann langsam mir Sorgen zu machen und Jessica dafür noch mehr zu verabscheuen, auch wenn Viola inzwischen ab und an mit mir sprach und mir Geschichten aus ihrer Kindheit erzählte, die alle mit ihrem kleinen Bruder zu tun hatten.

„Ich bin wieder da!“, rief ich und schloss die Tür hinter mir.

Mein Blick fiel automatisch zum Bett und wie erwartet saß Viola dort und reagierte nicht einmal auf meine Worte.

„Man, das war ein wirklich seltsamer Tag! Sei froh, dass du nicht in den Vorlesungen warst! Die Dozenten und Studenten sind völlig durchgeknallt!“, versuchte ich es erneut, schließlich war die alte Viola immer für Humor zu haben. „In der Sekundärstufe Chemie hat dieser Nerd Ben alles in die Luft gejagt und der Dozent hat einfach nur hysterisch gekichert, statt den Feuerlöscher zu holen. Mr. Viola hat ihre Tage doch gar nicht hat wieder einen hochroten Kopf bekommen, als er an mir vorbeilief und danach ganze zehn Minuten nur noch gestottert und in Sport war ausnahmsweise mal nicht ich die Merkwürdige. Wir haben Basketball gegen die Mannschaft der Uni gespielt. Allein die Vorstellung war der pure Horror. Ich kann Basketball nicht und wollte schon in Panik geraten, als mir bewusst wurde, dass Luke dann dabei wäre und ich vielleicht endlich mit ihm sprechen könnte. Ich stellte mich also zu meinem Team und dann wurde alles seltsam. Die Mannschaft der Uni kam auf den Platz, Luke voraus und das Spiel wurde angepfiffen. Ich sah es schon vor mir, wie mir jemand den Ball zuspielte und ich ihn einfach an den Kopf bekommen und ohnmächtig werden würde. Doch ehe etwas Derartiges geschehen konnte, gelang das andere Team in Ballbesitz. Sie spielten Luke zu und was dann passierte war total seltsam!

Er fing den Ball auf, rannte auf unseren Korb zu, ich lief ihm nach um mit ihm zu sprechen und als er das bemerkte, rannte er vor mir weg. Vor mir! Nicht vor unserer Mannschaft um den Ball zu sichern, sondern vor mir. Ich stolperte so schnell ich konnte hinterher, doch Luke tribbelte mit dem Ball durch die Gegend wie ein Hase auf der Flucht. Ehrlich, ich wusste nicht, dass es für Menschen überhaupt physikalisch und biologisch möglich ist, solche Flanken zu schlagen! Dann nach einer gefühlten Ewigkeit und ein paar Seitenstiche meinerseits später warf er den Ball in den Korb. Doch es war nicht unser Korb. Er hat wie beim Fußball neulich ein Eigentor gemacht. Nennt man das beim Basketball Eigentor? Naja egal. Jedenfalls ist er mit mir so lange quer durch die Halle gerannt, dass er den Überblick verloren und den falschen Korb erwischt hat!“

Ich plapperte fast so schnell, wie Viola es für gewöhnlich tat. Doch ich fand es selbst nicht sehr lustig; im Gegenteil, ich wurde wütend.

Mein bester Freund, der Champion des Basketballs, versaut sich selbst einen Punkt um mir zu entkommen. Warum?

„Hast du Essen mitgebracht?“, hörte ich Viola mit rauer und brüchiger Stimme fragen. Sie hatte also wieder geweint.

SwotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt