Kapitel 8

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Michael wandte sich an der Treppe noch einmal in unsere Richtung.

„Wir sehen uns wieder, Brown!“

„Ich freue mich drauf!“, rief Luke zurück.

Zum Glück drehte Luke sich sofort mit besorgtem Blick zu mir um, sonst wäre ihm nicht entgangen, dass Mike mir zuzwinkerte, und damit klarmachte, dass auch wir uns noch erneut sehen würden. Und dann hätte es vermutlich wirklich noch Ärger gegeben. Ich konnte Luke heute zum ersten Mal in meinem Leben nicht einschätzen. Ich war einfach überfordert mit all den Dingen. Jessica hier. Michael hier. Doch das waren Dinge, mit denen ich umzugehen gelernt hatte. Doch ein wütender Luke war mir völlig neu. Ich wusste einfach nicht, was ich davon halten sollte.

„So, warum lügst du mich an?“, fragte er und musterte mich von Kopf bis Fuß.

„Was?“, fragte ich verdattert.

„Ach komm, Serena. Deine Blicke sprechen Bände. Und ich habe genau gesehen, dass du nachgedacht hast, als du darauf antworten solltest, ob er dir wehgetan hat. Wenn man nachdenken muss, um simple ’ja oder nein’ Fragen zu beantworten, ist da meistens mehr hinter, als es den Anschein hat“, schilderte er, während wir gemeinsam unseren Weg zum Frühstück machten.

Das war das gute an unserer Uni. Wir wohnten alle auf dem Gelände und nicht irgendwo in der Nähe in überteuerten kleinen Wohnungen und wir konnten zum Essen in eine überdimensionale Mensa gehen und mussten nicht selbst kochen.

Die fehlende Küche stahl einem zwar morgens und abends ein wenig Zeit, wenn man nur wegen eines einfach belegten Brotes einmal quer durch die Uni laufen musste, dafür sparte es Mittags aber gleich wesentlich mehr. Denn man brauchte weniger Zeit zum Hinlaufen, als zum Kochen. Und bei den meisten Mahlzeiten konnte man auch einfach gehen, wenn man ohnehin in der Nähe war. So wie jetzt. Man sparte also wirklich Zeit, die man sinnvoll zum Lernen nutzen konnte.

„Hörst du mir überhaupt zu?“, erklang Lukes Stimme und riss mich aus den Gedanken.

„Was? Nein! Ich meine, ja!“, stammelte ich. „Ja, ich höre dir zu. Nur habe ich vergessen zu antworten!“

„Dann tu es doch jetzt!“, lachte Luke.

„Was soll ich jetzt tun?“, fragte ich verwirrt. Konzentrieren, sprechen und zeitgleich Türen zu passieren, auf denen ’Ziehen’ steht, war eindeutig nicht mit meinen Fähigkeiten vereinbar.

Denn wie für mich typisch drückte ich stattdessen und wartete gar nicht, ob sie aufging, sondern rannte mit vollem Karacho dagegen.

„Autsch“, kommentierte Luke dieses Malheur und ich konnte sein breites Grinsen förmlich im Nacken spüren.

„Sehr amüsant!“, sagte ich matt.

„Finde ich auch! Gut, dass wir uns da einig sind“, sagte er und ging an mir vorbei.

„Ich weiß, dass du gelacht hast“, meinte ich gespielt beleidigt.

„Du weißt doch, ein wahrer Freund hilft dir, sobald er dich ausgelacht hat!“, feixte er und öffnete die Tür.

Mit einer fließenden Handbewegung bedeutete er mir, die Tür nun zu passieren.

Ich hatte diesen leisen Verdacht, dass er das nicht tat, weil er ein Gentleman war, sondern eher, um zu verhindern, dass er in einen langwierigen Lachkrampf verfiel.

Aber nun denn, der gute Wille zählte ja bekanntlich mehr, als die Ausführung der Tat. Dass das Hintergrundmotiv des guten Willens eher fragwürdig war, musste ich ja nicht unbedingt beachten.

Also machte ich einen eher uneleganten Knicks und schritt – nein, ich watschelte – durch die Tür.

„Wir könnten eigentlich noch eine Weile warten, dann können wir direkt zu Mittag essen, was meinst du?“, fragte Luke, nachdem er sich wieder komplett gefangen hatte.

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