Kapitel 4

1.1K 57 9
                                    

Es war schon zehn Uhr am Morgen! Ich hatte die ganze Nacht auf meinen Lernmaterialien geschlafen!

Dann musste ich jetzt aber Gas geben! Ich hatte noch so viel zu lernen und wer weiß, was die Leiterin nun wieder von mir wollte.

Wahrscheinlich wollte sie sich nur wieder erkundigen, warum die nächste Mitbewohnerin vor mir geflohen war und wollte meine Sicht der Dinge hören. Aber was sollte ich ihr dazu groß sagen? Ich wusste es doch selbst nicht. Ich konnte es mir doch nicht einmal selbst erklären.

Meine Gedanken huschten wieder zu dem Traum zurück. Alex. Luke.

Und da war die Erklärung auf die Frage.

Keiner mochte mich; das war das Problem.

Kein Mensch wollte Zeit mit mir verbringen.

Ich war ihnen allen einfach ein Dorn im Auge.

Nachdem ich mich mehr schlecht als recht umgezogen hatte, machte ich mich auf den Weg zum Büro der Universitätsleitung. Lustlos und desinteressiert schlurfte ich durch die Gänge und Flure.

Immer wieder erlebte ich in meinem Kopf den einen Teil meines Traumes aufs Neue. Diesen einen Teil, der mir schwer zu schaffen machte und mir Angst vor der Zukunft machte. Ich musste diesen Traum einfach Stück für Stück analysieren.

„Nein, die ist einfach nur strohdumm!“, lachte eine mir bekannte Stimme, was mich dazu veranlasste, mich umzudrehen.

Dort stand er.

Er war einer von ihnen.

Ich traute meinen Augen kaum.

Luke stand vor mir und lachte mich aus.

Mein bester Freund, Luke.

Mein einziger Freund.

Er sah mich an, wie er es immer tat. Doch dieses Mal lag etwas in seinen Augen, dass mich erschaudern ließ. Er amüsierte sich ebenso über mich, wie jeder andere hier.

Wie konnte ich nur so etwas Schreckliches und Absurdes träumen? Wie konnte mein Unterbewusstsein denken, dass Luke mich eines Tages genauso behandeln würde wie andere? Mein Luke. Der Junge, den ich schon kannte, als wir beide noch in Windeln durch die Gegend liefen? Der eine, der mein ganzes Leben schon da gewesen war?

Doch so absurd es mir auch erschien, meine Gedanken hörten nicht auf, sich um den Traum zu drehen.

„Luke!“, platzte es aus mir heraus. All die Empörung und Verwirrung lag in meiner Stimme. Ich beachtete nicht mehr, dass ich umgeben war von Menschen, es zählte nur noch er. Warum tat er mir das an? Warum reagierte er wie all die anderen?

In seiner Gegenwart konnte ich immer sprechen. Ich konzentrierte mich einfach auf ihn. Mit ihm zu sprechen war kein Problem, auch wenn andere mich dabei beobachteten, wie es jetzt der Fall war.

In diesem Moment zählte nur er. Er und meine Enttäuschung. Es ist erstaunlich, wie sehr Menschen einen verletzen können, sobald man sie nur ein Stückchen in sein Herz schließt.

Es tat einfach nur weh, daran zurückzudenken, wie ich mich gefühlt hatte. Es war alles nur ein Traum gewesen, aber der Schmerz war noch immer real. Der Traum-Luke hatte mein reales Herz ein klein wenig zerstört und niemand vermochte mehr es heilen zu können.

Auch wenn Luke noch lange nicht alles über mich wusste und mich nur zu gewissen Teilen kannte, war er so tief in meinem Herzen, dass es zu zerreißen schien, während er weiterhin lachte.

SwotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt