Kapitel 12

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„Sereeeena!“, hörte ich es noch quietschen, ehe ich auch schon eine gewaltige Masse Haar im Gesicht hatte.

Hätte nicht eine der vielen Haarsträhnen an meiner Nase gekitzelt, wäre ich gewillt gewesen, es einfach zu ignorieren und wieder einzuschlafen. Doch diese eine riesige Strähne kitzelte so sehr an meiner Nase, dass ich den Niesreiz bereits aufkommen spürte.

Und der Besitzer der Haarmenge würde sich über diese Art von Haargel sicher nicht sehr freuen.

Langsam richtete ich mich auf.

Mein Blick traf genau auf den von Viola.

Braune Augen trafen auf braune.

Was wollte denn jetzt Viola von mir?

Es war Sonntag. Früh am Sonntag.

Mein Blick wanderte zum Wecker und zeigte mir etwas, das ich nun nicht erwartet hatte.

Eine dicke, fette Sechs mit einer Null und einer Drei.

Es war erst drei Minuten nach sechs?

Und sie weckte mich?

Auf einem Sonntag?

Bei aller Liebe, das war zu früh! So sehr ich es auch liebte all die Zeit, die ich finden konnte zum Lernen zu nutzen, so sehr liebte ich es auch an Sonntagen auszuschlafen.

Ich starrte Viola an. Einfach anstarren, vielleicht flüchtet sie dann zurück in ihr Bett. Das war der Plan. Der Sieg war für mich gewiss und die Ausführung ohnehin kein Problem. Was hätte ich sonst tun können? Sie anzuraunen, stand nicht auf der Liste des Möglichen, da sich mein kleiner Freund der Kloß mehr als nur breit machte.

Doch Viola schien meinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten.

„Ja, ich weiß, dass es noch sehr früh ist, aber es ist Sonntag!“, quietschte sie begeistert los.

So viel zu meinem gewissen Sieg. Wie konnte ein Mensch so früh morgens denn schon so fit und quirlig sein?

Ich musste Viola wohl noch immer angestarrt haben, denn sie fuhr gleich aufgeregt fort.

„Ach komm schon, Serena. Sonst verpasst du noch den ganzen Spaß! Raus aus den Federn mit dir!“

Was für einen Spaß sollte ich verpassen? Das einzige, das ich offenbar verpasste, war der Spaß des Ausschlafens und der schönen Träume!

Ein fragender Blick meinerseits und ein breites Grinsen ihrerseits, schienen diese sehr ungewöhnliche und einseitige Diskussion fortzuführen.

„Du wirst es nie erfahren, wenn du nicht aufstehst! Vertrau mir!“

Das Grinsen wurde immer breiter.

Was hatte sie bloß genommen? So früh am Morgen konnte man doch noch nicht so fröhlich sein!

Was sollte ich denn nun tun? Ihr vertrauen? Das würde sich als nicht sehr einfach erweisen. Ich hatte gelernt, dass man Fremden und auch Mitbewohnerinnen nicht einfach mal eben trauen konnte.

Sie einfach ignorieren und wieder in einen tiefen Schlaf fallen? Das fiel ebenfalls aus, denn eines hatte sie geschafft. Sie hatte mich mit ihrem Gebrabbel hellwach gemacht.

Blieb noch die Auswahl aus aufstehen und lernen und aufstehen und sehen, was sie ausheckte.

Ich beschloss erst einmal mit dem Aufstehen anzufangen. Denn das war der Inhalt beider Pläne. Danach konnte ich mir ja noch immer Gedanken machen, was ich zu tun hatte.

Wie ein hilfloser Fisch an Land versuchte ich mich aus meiner Bettdecke zu befreien. Schließlich gelang mir der Versuch mit einem unsanften Flug aus dem Bett.

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