Am nächsten Tag tauchte Hope nicht in der Schule auf. Und am darauffolgenden Tag ebenfalls nicht. Als ich sie am Freitag auch nirgends entdecken konnte und ihr Platz in der zweiten Reihe vor mir frei blieb, machte ich mir Gedanken und irgendwie auch Sorgen über sie. Ich wusste nicht wieso und warum so plötzlich, aber es fühlte sich richtig an. Zum ersten Mal fühlte ich mich nicht wie der schlechte Mensch, der ich bis jetzt immer war, sondern ich fühlte mich gut. Ich tat zum ersten Mal etwas, was das Leben eines anderen nicht ruinierte.
Es interessierte mich brennend, warum Hope nicht mehr zur Schule ging. War sie etwa krank? Oder wollte sie einfach nicht mehr in die Schule gehen, die abwertende Worte nicht mehr hören und die boshaften Taten ihrer Mitschüler nicht über sich ergehen lassen? Letzteres erschien mir logischer, wenn ich nur an Jonas' gestriges Verhalten dachte. Er hatte sie tief im Herzen verletzt und ihr dazu verholfen, vor der gesamten Schülerschaft fast in Tränen auszubrechen.
Sie tat mir so schrecklich leid, und auch wenn das nicht meine Art ist und ich normalerweise der fiese,böse Mensch bin, der Spaß daran findet, anderen Menschen das Leben schwerer zu machen als es eh schon ist, würde ich nie wieder etwas Gemeines über sie hören wollen, geschweige je wieder etwas abwertendes sagen oder tun.
»Was starrst du Nerdys Platz so an?« Jonas holte mich mit seiner entsetzten, verwirrten Stimme zurück in die Realität. Den Spitznamen, den sie ihr vor einem Jahr verpasst hatten und seitdem nicht mehr wegließen, wenn es um sie ging, spukte er nur abwertend aus, als wäre sie es nicht einmal wert, bei dem Spitznamen genannt zu werden.
Ich wandte meinen Blick zu ihm und antwortete bloß mit einem »Ach nichts«, bevor ich meinem Lehrer vorne meine Aufmerksamkeit schenkte.
Nie und nimmer würde ich einem meiner Freunde erzählen, dass ich mir tatsächlich Sorgen um Hope Collins mache. Sie würden mir zuerst nicht glauben und mich dann für verrückt halten, weil ich nie der Mensch war, der sich sorgen um etwas oder jemanden gemacht hat. Schon gar nicht um jemanden, den ich und meine Freunde verabscheut hatten. Ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln, denn ich kann es selbst nicht glauben, dass ich diese Gedanken hatte. Aber daran ändert konnte ich nichts.
Und irgendwie wollte ich es auch nicht.Allerdings wusste ich, dass ich durch mein Ansehen und durch meine Freunde nie derjenige sein kann, der ich glaubte, zu sein. Ich zog eine Maske auf, hinter der ich Gefühle, Sorgen und Menschlichkeit versteckte. Ich verbarg tiefe Wunden meines Herzens und zeigte niemand, wie einfühlsam, hilfsbereit und nett ich auch sein kann.
Jeder an dieser Schule war der Meinung, mich zu kennen, aber in Wirklichkeit kannten sie mich kein bisschen.
Und das würde sich auch nicht ändern.• • •
Nach der Schule stieg ich direkt in mein Auto ein und trommelte auf meinem Lenkrad herum, nicht wissend, wie ich mich entscheiden sollte. Mein Blick fiel auf den Rucksack auf dem Beifahrersitz. In ihm steckten die Hausaufgaben für Hope.
Ihr fragt euch sicherlich, warum ich diese hatte und wieso ich das tat. Ich selbst verstand es ja auch nicht, wieso ich mich dazu entschlossen hatte, ihr die Blätter mitzunehmen, aber ich ließ mich von Gedanken dazu leiten, nach der Stunde, wenn alle Schüler bereits aus dem Raum verschwinden waren, nach vorne zum Lehrer zu gehen und ihn zu fragen, ob er mir die Materialien für Hope geben konnte.
Ich sah noch immer die Gesichter der Lehrer vor meinem inneren Auge, wie sie mich verwirrt angeschaut hatten und es einen Moment dauerte, bis sie mir die Sachen gaben. Ich konnte deren Verhalten vollkommen verstehen, denn ich war mir sicher, dass sie genau wussten, dass meine Freunde und ich mich kein bisschen für Hope interessieren und es uns egal ist, ob ihr ein paar Materialen fehlen oder nicht.

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Adam | New Version
Fiksi Remaja1. Teil: Adam 2 . Teil: Hope Adam. Der arroganteste Junge der ganzen Schule. Aber auch einer der heißesten. Hope. Ein schüchternes Mädchen mit gebrochenem Herzen. Warum? - Einsamkeit und die alltäglichen Probleme in der...