21. Kapitel

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Es waren nicht die Sonnenstrahlen, die durch die Jalousien kräftig hindurch schienen, sondern der Knall und die Bilder meines Traumes, die mich ruckartig wach werden ließen. Ich hob meinen Kopf, blinzelte ein paar Mal, um mich an das helle Licht zu gewöhnen, und bemerkte prompt, dass ich immer noch im Krankenhaus bei Hope war. Ich hatte also nicht nur von ihr und ihrem schrecklichen Unfall geträumt, sondern war auch noch mit den Kopf auf ihren Beinen, die eingehüllt in der weißen Bettdecke regungslos da lagen, eingeschlafen.

Ich betrachte unsere Finger, die ineinander verflochten waren, strich zart über ihren Handrücken und spürte die Müdigkeit in allen Knochen. Ich wollte Schule schwänzen, nach Hause fahren und Schlaf nachholen, doch es würde nichts bringen. Ich würde die meiste Zeit nur in meinem Bett liegen und über Hope und den Unfall nachdenken, wie es dazu kommen konnte und wieso ich nicht vorher bemerkt hatte, was Jonathan alles anrichten konnte.

Ich betrachtete ihr Gesicht, ihre Konturen tauchten in das Sonnenlicht, ihre Wimpern warfen einen langen Schatten auf ihren Wangen und ich sehnte mich so sehr, ihre blauen Augen faszinierend betrachten zu können, in ihnen zu versinken drohen.

Ich hörte, wie die Türklinke abrupt nach unten gedrückt wurde, und drehte mich erschrocken um. Für einen Moment befürchtete ich, jemandem aus ihrer Familie oder gar Damian zu begegnen, der es sich ebenfalls nicht gefallen ließ, sie nicht besuchen zu dürfen, nur weil er kein Familienmitglied war.

Doch es war nur die Krankenschwester, der ich vor ein paar Stunden noch auf dem Gang begegnet war. Sie blickte mich streng an, stemmte ihre Hände in die Hüften. Ich wusste, was sie mir sagen wollte, aber ich fühlte mich keineswegs schlecht, dass ich die Regeln gebrochen hatte. Es hatte mir gut getan, für ein paar Stunden hier zu sein, zu wissen, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ging, und sie sich wieder gut erholen wird. Ich konnte in diesen Tag nun ohne Ungewissheit, wie es ihr gesundheitlich ging, starten, und würde mir auch heute Nacht nicht darüber den Kopf zerbrechen müssen. Dafür blieben mir allerdings noch genug andere Themen, wie Jonathan, deren Beziehung und meine Unfähigkeit, sie nicht schon längst auseinander gebracht zu haben. . .

»Sie dürfen doch nicht hier rein, das habe ich Ihnen aber bereits gesagt.« tadelnd hob sie den Zeigefinger und wedelte mit mit diesem in der Luft hin und her.

»Bin schon weg.« abwehrend hob ich die Hände nach oben und erhob mich von den Stuhl. Ich schnappte mir meine Jacke, die ich über die Stuhllehne gehängt hatte, trug sie fest mit der Hand umklammert. Bevor ich mich allerdings Richtung Ausgang bewegte, betrachtete ich Hope ein letztes Mal, ließ endgültig ihre warme Hand los. Ich beugte mich zu ihr hinunter, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Schläfe zu drücken, bevor ich mich mit einem entschuldigenden Blick an der Krankenschwester vorbeiquetschte und schleunigst das Zimmer verließ, um dieser nicht noch mehr Ärger zu bereiten.

Ich machte mich auf den Weg zu den Aufzügen, begegnete Ärzten und Krankenschwestern, Patienten und Angehörige. Teilnahmslos stand ich im Aufzug und mit jeder Sekunde, in der ich mich von Hope entfernte, vermisste ich sie mehr. Mein Herz krampfte sich zusammen, als sich die Türen des Aufzuges öffneten und ich wusste, dass ich sie eine Weile nicht mehr sehen könnte. Erst wieder, wenn sie in die Schule kommen würde. . .

Ich atmete einmal tief ein und aus, bevor ich wie die anderen Leute aus dem Fahrstuhl trat.

Die Türen zum Ausgang schoben sich zur Seite, als ich mich ihnen näherte. Im Gegensatz zu meiner Ankunft in den frühen Morgenstunden standen nun mehrere Autos auf dem Parkplatz verteilt in den Parklücken herum.

Ich konnte mein Auto recht schnell ausfindig machen, schlenderte zu diesem hinüber und verabschiedete mich innerlich ein weiteres Mal vor Hope. Dabei fühlte es sich merkwürdig an, als würde ich mich von ihr für immer verabschieden, dabei würde sie nach ein paar Wochen sicherlich wieder in der Schule auftauchen können. Aber vielleicht war es ein Art Abschied, weil ich ihr wahrscheinlich nie wieder so nahe und ehrlich sein könnte, wie in dieser Nacht.

Adam | New VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt