Zurück zum Ort des Grauens

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In dieser Nacht war für mich an Schlaf gar nicht zu denken. Ich drehte mich ständig von einer Seite auf die andere. Die ganze Zeit musste ich an diesen schrecklichen Ort denken, an den ich in ein paar Stunden zurück kehren musste. Was würde mich dort nur erwarten? Würde alles gut verlaufen oder würde ich an jeder Ecke Fucking Bat sehen? 
Oh Gott, ich wollte das nicht, ich KONNTE das nicht. Wieso nur hatte ich nachgegeben? Wieso, wieso, wieso? Ich war doch früher nicht so eine Lusche gewesen (außer in Zaubertränke, aber das war ja was anderes). Wann und warum bitte hatte ich mich so verändert, das ich zu allem Ja und Amen sagte? Als ich jung gewesen war, hatte ich mit Freude jeden Streit und jede Diskussion auf mich genommen, um meinen Willen durchzusetzen. Und jetzt? Was war nur aus mir geworden? Oh Gott, ich war ja gar nicht mehr ich selbst. 
Die ganze Nacht ging das so und so war es auch kein Wunder, dass ich total gerädert war, als ich schließlich um 7 Uhr aufstehen musste. Mein Schädel fühlte sich an, als hätte die ganze Zeit ein Riese darauf gesessen und mir war schlecht ohne Ende. Aber das war nur die Angst. Ich fürchtete mich vor dem, was heute noch passieren könnte. Ich kannte mich selbst gut genug um zu wissen, dass mich meine Vergangenheit an diesem Ort mit Sicherheit wieder einholen würde. Ich hatte mich selbst zwar nicht belogen, als ich gedacht hatte, dass mir eine Reise sicher gut tun würde um von Cole weg zu kommen, aber damit hatte ich eigentlich nicht H... dieses Schloss gemeint. 
Aber gut, ich konnte es ja ohnehin nicht ändern. Ich hatte von Olympe den Befehl erhalten, dort zu erscheinen, also würde ich es auch tun. Da half aber auch nur eines: Arschbacken zusammen kneifen. Und darin war ich ja ziemlich gut. Aber eines war sicher: Die Kerker und den siebten Stock würde ich meiden. Keine zehn Hippogreife würden mich dorthin bekommen. Und da konnten sich alle auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln, aber ich bleibe knallhart. So wahr ich Marie Lucie Duchesse heiße. 
Also schön, dann wäre das ja geklärt, musste ich nur noch meinen Hintern aus diesem Bett bekommen. Aber es war doch so schön warm und kuschelig und hier quälten mich keine Sorgen. 
Nein, Mimi, so fangen wir gar nicht erst an. Du hast Olympe zugesagt, dass Du erscheinst, also tust Du es auch. Und zwar am besten sofort. Hinauszögern bringt bekanntlich nichts. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Also raus mit Dir aus der Kiste. 
Ich seufzte. Ich wusste, dass meine innere Stimme recht hatte, aber es fiel mir trotzdem schwer. Wer ging schon gerne dem Grauen entgegen? Ich mit Sicherheit nicht, auch wenn ich keine Herausforderung scheute, aber das war dann doch zu viel des Guten. Na ja, hilft ja nichts. Irgendwann würde mich diese Scheiße doch einholen, spätestens, wenn Olympe stinkwütend vor meinem Bett stehen und mich anschreien würde. Und mit einer wütenden Madame Maxime nimmt man es lieber nicht auf sich. Da können alle Fledermäuse der ganzen Welt einpacken. Dann lieber doch aufstehen. 
Ich setzte mich auf und schwang meine Füße über den Bettrand. Dann blieb ich noch einen kurzen Moment sitzen um meine sieben Sinne zusammen zu bekommen, bevor ich meinen Arsch in die Höhe hob und in das angrenzende Bad wackelte. 
Im Spiegel traf mich fast der Schlag. Ich sah aus wie eine der berühmten Todesfeen. Fast weiße Haut, dunkle, schwarze Ringe unter den Augen und die Haare standen mir in alle Richtungen ab. Heilige Scheiße, so konnte ich mich in England definitiv nicht blicken lassen. Ich wollte schließlich einen guten Eindruck bei meinen ehemaligen Lehrern hinterlassen. Okay, da war einiges an Schönheitspflege nötig, bevor ich mich auf den Weg machte. 
Ich zog mein türkisfarbenes Satin-Nachthemd aus und stieg erst einmal unter die Dusche. Das heiße Wasser entspannte meinen Körper und meine Muskeln und ich ließ mich erst einmal richtig fallen, bevor ich mich an die Arbeit machte. 
Ich rasierte mich am ganzen Körper, das heißt Beine, Achseln, Bikinizone. Danach wusch ich mir meine langen, blonden Haare, knetete eine Spülung hinein und seifte mich von oben bis unten mit meinem Lieblingsduschbad ein. 
Als ich damit fertig war, stieg ich aus der Duschkabine und trocknete mich mit einem weichen Handtuch ab. Danach kämmte ich mir die feuchte Haare gut durch, sprühte mir meine Sprühkur hinein und ging dann zurück in mein Schlafzimmer, wo ich mich an meine Schmink- und Frisierkommode setzte. Ich zupfte mir schnell meine Augenbrauen einmal nach (AUA!) und legte ein leichtes, nicht zu übertriebenes Make-up auf. Aber Smokey Eyes mussten schon sein. Das stand mir einfach am besten. 
Nun waren die Fingernägel an der Reihe. Ja, auch das musste sein, denn ich wollte einfach perfekt gestylt sein. Doch heute verzichtete ich auf ein übertriebenes Muster, wie ich es gerne trug, sondern machte mir nur die Spitzen meiner Nägel weiß und lackierte anschließend mit Klarlack drüber. French Design, ja, das passte.
Nun war Anziehen an der Reihe. Ich hatte mir schon genau überlegt, was es sein sollte. Es sollte elegant und doch nicht zu übertrieben sein. Also hatte ich mich für einen schwarzen Hosenanzug mit einer roten, tief ausgeschnittenen Satinbluse entschieden. Dazu trug ich meine hohen, schwarzen Stiefel. 
So, dann fehlten nur noch die Haare und der Schmuck. Die Haare ließ ich mir zu einem eleganten Knoten im Nacken stecken und der Schmuck war schlicht in weißgold, kleine Brillantstecker in den Ohren, meine Kette mit Filou und ein zartes Armkettchen. Als ich mich im Spiegel anschaute, fand ich selbst, dass ich richtig gut aussah, genau, wie ich es geplant hatte. 
Doch es fehlte noch eine Kleinigkeit. Wenn ich schon nach H... DORTHIN zurück musste, dann sollte auch ein anderes Stück seinen Weg nach Hause finden. Es gehörte einfach an diesen Ort, ob ich wollte oder nicht. Deswegen griff ich noch einmal in meine Schmuckschatulle und holte Fucking Bats Kette hervor. Nach den Ferien war mir eines Morgens aufgefallen, dass ich sie noch immer um den Hals trug und hatte sie schnell abgelegt. Doch jetzt wollte ich sie auf einmal wieder genau dort haben. Ich wusste auch nicht, wieso, aber es fühlte sich genau richtig an. Deswegen legte ich sie mir schnell um, bevor ich es mir noch anders überlegen konnte. Sie war kürzer als die, die ich noch trug und der Herzanhänger ruhte genau auf dem Brustbein, während Filou genau über meinem Herzen lag. 
Noch ein prüfender Blick in den Spiegel... Perfekt. Genau so hatte ich es mir heute Nacht vorgestellt. Das war das perfekte Outfit für meine Rückkehr. Ich strahlte Eleganz und doch ein klein wenig Autorität aus. Das war nicht Mimi, die einstige Schülerin, die ich da im Spiegel sah, sondern Marie Lucie Duchesse, Professorin für Verwandlung, Alte Runen, Tanzen und Kickboxen sowie stellvertretende Schulleiterin der Beauxbatons-Akademie für Zauberei. 
Ich musste nur noch meinen Koffer packen, dann konnte es auch schon losgehen. Ich schmiss die riesige Kiste aufs Bett und schon flogen all die Dinge hinein, die ich brauchte. Ich ließ eigentlich nichts zurück, außer ein paar Bücher, denn ich würde eh nicht großartig zum Lesen kommen. Und wenn, dann verfügte dieser Ort über eine große Bibliothek, in der man sicher auch etwas Lesbares finden konnte. 
Dann war ich bereit. Nach dem Frühstück konnte es losgehen. Doch ich würde noch einen kurzen Zwischenstopp einlegen müssen, von dem Cole nichts wissen durfte, aber dazu später mehr. 
Ich schnappte mir meinen schwarzen Reiseumhang, der aus dem gleichen Stoff war wie der von Fucking Bat damals (Nicht daran denken, Mimi!) und machte mich dann auf den Weg nach unten in den Speisesaal. 

Bat in my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt