Keine Zukunft

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Ich brauchte ein paar Minuten, um überhaupt antworten zu können, denn dieses kleine, süße Wollknäuel war so putzig, dass es mir die Kehle zuschnürte. Wie sehr hatte ich mir seit Filous Tod einen Hund gewünscht, es aber nie gewagt mir einen zu besorgen, aus Angst, dass es mir weh tun würde, den treuen Weggefährten meiner Kindheit und Jugend zu ersetzen. Doch ich hatte mich getäuscht. Erst jetzt, da sich der kleine Welpe an mich schmiegte, wurde mir bewusst, dass das genau das war, was ich brauchte, um über Filou hinweg zu kommen. Denn auch wenn es mir nicht bewusst gewesen war, so wusste ich jetzt, dass er mir jeden Tag so sehr gefehlt hatte, dass es weh tat. Ich brauchte einfach ein kleines Wesen, das immer für mich da war und dessen Gedanken und Gefühle ich teilen konnte. Fast nichts war so innig wie die Beziehung zwischen einem Menschen und seinem Hund – außer natürlich die Beziehung zwischen Mann und Frau oder Eltern und ihrem Kind. Aber auf freundschaftlicher Basis gab es nichts, was tiefer ging. 
„Ja“, flüsterte ich schließlich in Gedanken. „Ja, ich bin Deine neue Mami, wenn Du das möchtest. Du kannst mich entweder Mama oder Mimi nennen. Ganz wie Du willst.“
„Hey, Du verstehst ja sogar, was ich sage“, rief Balu erstaunt aus. „Das ist ja toll. Die anderen Menschen, mit denen ich zusammen bin, sagen immer nur so Dinge wie 'Ooooh, wie süß' oder 'Schau mal, wie putzig der ist.' Aber auf meine Fragen antworten die nie.“
„Keine Angst, da bin ich anders. Ich werde Dir nahezu jede Frage beantworten, die Du hast.“
„Wie kommt es denn, dass Du mit mir sprechen kannst?“
„Als ich 16 war, wurde ich von einem Werwolf angegriffen. Tja und da sind ein paar seiner Fähigkeiten auf mich übergegangen.“
„Wow, von einem Werwolf?! Bist Du dann auch einer?“
„Nein, ich wurde nur gekratzt.“
„Na, Gott sei Dank. Ich habe nämlich Angst vor denen. Aber sag mal, noch was anderes. Ist der Kerl dahinten mein neuer Papa?“
Er drehte den Kopf und schaute zu Severus, der mich mit einem freudigen Glanz in den Augen musterte. Severus und Papa? Diese beiden Worte in einem Satz passen ja mal so überhaupt nicht zusammen. Severus und Sexgott, jaaa, aber Papa??? Moment, das muss ich ganz kurz verdauen. Oh mein Gott, das kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Ich glaube, ich vergesse das mal ganz schnell wieder. Das ist definitiv besser. 
„Wenn Du das willst...“ 
Hust… Kopf schüttel… 
„Das weiß ich noch nicht. Er ist ein bisschen unheimlich.“
„Ja, da hast Du vielleicht recht. Aber er wirkt nur äußerlich so... fies und grummelig, glaube mir. Eigentlich ist er ziemlich... nett. (Wenn man mal den Umgang mit seinen Schülern außer Acht lässt) Lerne ihn erst einmal besser kennen, dann kannst Du Dich immer noch entscheiden. Aber hör mal, ich muss mich mal kurz bei ihm bedanken, okay?“
Balu stieß ein kleines Bellen aus und sprang von meinem Schoß. Dann begann er, eine Runde durch das Lehrerzimmer zu machen und zog dabei recht viele „Ooooh“ und „Wie süüüß“ auf sich. Ich beobachtete den Kleinen, der von nun an immer ein Teil meines Lebens sein würde. Dann wandte ich mich endlich meinem Liebsten zu. Er stand noch immer bei der Tür und lächelte mich an. Ich ging auf ihn zu und legte ihm sachte eine Hand auf die Brust.
„Woher wusstest Du“, begann ich zaghaft, doch ich hatte Mühe weiter zu sprechen, da sich ein fetter Kloß in meinem Hals gebildet hatte. Ich musste zuerst ein paar Mal schlucken, bevor ich etwas heraus brachte. „Woher wusstest Du, dass das mein größter Wunsch überhaupt war, den ich mir aber nie selbst zu erfüllen gewagt habe?“
„Meine Kleine“, gab Severus zurück und legte seine Hand auf meine Wange. „Wann lernst Du endlich, dass ich Dich besser kenne als jeder andere? Du redest so oft von Hunden, dass ich es schon gar nicht mehr zählen kann und ich weiß doch auch, wie sehr Dir Filou fehlt. Aber ich muss zugeben, so ganz alleine bin ich auch nicht darauf gekommen.“
„Wie...“
Ich schaute ihn fragend an. 
„Um ehrlich zu sein... Black hat mich darauf gebracht. Als wir uns in der Höhle gestritten haben, da verglich er mich doch mit einem Hund und erwähnte, dass Du schon die ganze Zeit wieder einen haben wolltest. Tja, und da ich wusste, dass Du Dich selbst nicht traust, habe ich mir gedacht, mache ich den Schritt, den Du nicht zu tun wagst.“
Tränen stiegen mir in die Augen. Ich hatte diesen Mann wirklich nicht verdient. Er liebte mich so sehr, dass er mir jeden Wunsch von den Augen ablas und wie dankte ich es ihm? Mit Feigheit gegenüber Cole. Dabei hatte es Severus doch gar nicht verdient, dass ich meine Beziehung zu ihm verleugnete. Ich war eine lausige Freundin. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich musste dringend etwas unternehmen. Je schneller, desto besser. 
„Ich danke Dir“, flüsterte ich und schmiegte mich in seine Hand. 
„Eigentlich wollte ich Dir ja einen weißen Schäferhund kaufen, wie Filou einer war, aber...“
Schnell legte ich ihn einem Finger auf den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. 
„Pscht... Balu ist perfekt.“
„Balu?“
„So heißt er.“
„Ein süßer Name. Und er passt zu ihm.“
„Finde ich auch. Severus, ich weiß wirklich nicht, wie ich Dir danken soll. Dass Du mir diesen Herzenswunsch erfüllt hast... Das kann ich wirklich nie wieder gut machen.“
„Du machst ihn doch schon gut. Jeden Tag immer wieder aufs Neue, indem Du mir Deine Liebe schenkst. Es ist nur ein kleines bisschen, das ich endlich zurück geben kann. So etwas macht man nun einmal, wenn man jemanden liebt.“
Mein Herz schwoll in meiner Brust auf die dreifache Größe an. Gott, wie sehr ich diesen Mann liebte. Hatte ich ihn überhaupt verdient nach allem, was ich ihm seit gestern zumutete? Wahrscheinlich nicht. Aber trotz dieser ganzen Scheiße, war ich mir meiner Sache mehr als sicher. Ich wollte nur Severus, es gab keinen anderen, der mein Herz auf diese Weise berührte. Und genau das wollte ich ihm auch zeigen. Doch so ganz traute ich mich nicht, da mir durchaus bewusst war, dass Cole uns beobachtete. Deswegen beugte ich mich nach vorne und hauchte Sev einen Kuss auf die Wange, ganz nah am Mundwinkel. 
„Es tut mir leid“, flüsterte ich, als ich ihm danach tief in die Augen schaute. „Ich würde Dir gerne mehr geben, aber ich fände es Cole gegenüber nicht fair. Ich möchte zuerst mit ihm sprechen. Ich werde ihm schon genug vor den Kopf stoßen, wenn ich endlich mit der Sprache heraus rücke, aber ich fände es einfach nicht richtig, wenn er es auf diese Weise erfahren würde. Ich will ehrlich zu ihm sein und das möchte ich persönlich tun. Ich hoffe, Du verstehst das.“
Mein Schatz sah mich zweifelnd an. Es passte ihm nicht wirklich, aber er wusste, dass es das Richtige war. Kurz hatte ich Angst, dass er meinen Einwand übergehen, mich packen und abknutschen würde, aber er tat es nicht. 
„Okay, Du hast recht“, meinte er schließlich grummelnd. 
„Dann bist Du also damit einverstanden, dass ich nach der Party mit Cole spazieren gehe“, wollte ich wissen. Ich brauchte zwar nicht seine Erlaubnis, aber es fühlte sich einfach besser an mit einem 'Ja' im Rücken. 
„Wenn es unbedingt sein muss.“
„Müssen tut es nicht, aber ich würde es gern so schnell wie möglich hinter mich bringen. Das kommt uns doch allen zugute. Cole kann... na ja... sein Leben weiterleben und wir beide können glücklich zusammen sein, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss und Du ständig einen Konkurrenten vor der Nase hast.“
Severus stieß ein gepresstes Schnauben aus. 
„Ich ändere meine Meinung trotzdem nicht. Tu, was Du tun musst, aber ich erwarte von Dir, dass die Sache hinterher geklärt ist und Du zu mir zurück kommst.“
„Oh, das werde ich, versprochen.“
„Und wehe, der Kerl baggert Dich trotzdem an, dann zerreiße ich ihn in Stücke.“
„So etwas macht Cole nicht. (Ja, gut... Er tat so etwas schon, aber das musste Severus nicht wissen) Und falls doch, dann weiß ich mich durchaus zu wehren.“
„Ja schon, aber...“
„Mach Dir nicht so viele Sorgen. Es wird schon alles gut werden. Und wenn ich das hinter mich gebracht habe, dann komme ich sofort zu Dir und werde mich gebührend bedanken.“
„Na, das will ich doch hoffen.“
„Das werde ich. Kennst Du mich denn noch nicht? Außerdem bin ich Dir ja noch immer Dein Geschenk schuldig.“
„Darauf freue ich mich schon.“
„Warte mal ab, bis Du gesehen hast, was es ist.“
„Oh, ich kann es kaum noch erwarten.“
„Geduld, Mister Snape, Geduld!“
„MAMAAAA“, unterbrach uns da ein lauter Schrei. „Mama, bist Du fertig? Ich habe Hunger.“
Ich hob den Blick und sah Balu beim Buffet stehen. Ich lächelte ihn gütig an. 
„Ich glaube, unser Kind hat Hunger“, sagte ich zu Severus, hakte mich bei ihm unter und ging mit ihm zu dem kleinen Husky hinüber.  

Bat in my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt