Fledermaus einmal anders

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Etwa eine Stunde später durfte ich den Krankenflügel verlassen und endlich war ich die Congaband in meinem Kopf los, die meinte, meine Schädelwand als Schlagzeug hatte missbrauchen zu müssen. Das Pochen war verschwunden, trotzdem ging es mir nicht wirklich besser, denn ich fühlte mich einfach nur noch schlecht und in meinen Grundfesten erschüttert. Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass Cole mir die Freundschaft kündigen würde, doch als er es dann wirklich getan hatte, hatte es sich angefühlt, als würde man mir mit einer brennend heißen Klinge im Herz herum bohren. Doch genau diesen Schmerz hatte ich verdient, denn ich hatte Cole noch viel schlimmer verletzt und genau dafür hasste ich mich selbst so sehr, dass es sich mit Worten nicht beschreiben lässt. 
Natürlich hatte es nur gefühlte drei Sekunden gedauert, nachdem ich mich auf dem Bett zusammen gerollt und zu schluchzen begonnen hatte, da war auch schon die Tür aufgeflogen und schnelle Schritte waren zu meinem Bett geeilt. Zuerst hatte ich noch die Hoffnung gehabt, dass es Cole sein würde, der zurück gekommen war, um sich für sein Ausrasten zu entschuldigen und um mir zu sagen, dass er die Freundschaft zu mir trotz allem, was geschehen war, nicht aufgeben wollte. Aber als ich schließlich genauer hin gehört hatte, hatte ich die Schritte von Poppy Pomfrey erkannt, die schließlich wie eine rasende Reporterin auf der Suche nach Informationen auf mich losgegangen war. 
,,Was, in Gottes Namen, ist denn passiert, Marie”, hatte sie wissen wollen und hatte dabei schon beinahe zu sabbern angefangen. Irgendwie hatte sie mich recht stark an einen dieser ekelhaften Höllenhunde erinnert, denen der Geifer ständig aus dem Maul lief. ,,Ich habe lautes Geschrei gehört und war schon kurz davor einzugreifen, aber dann dachte ich, dass...”
Bla bla bla bla bla bla bla. Ich hatte nicht wirklich zugehört, doch eines war so klar wie klare Kloßbrühe: Wenn die kleine Krankenschwester wirklich dazwischen gehen wollte, dann fresse ich auf der Stelle alle Besen, die ,Qualität für Quidditch’ in der Winkelgasse vorrätig hat. Stattdessen war ich felsenfest davon überzeugt, dass sie ihr riesiges, faltiges Ohr an die Tür gepresst hatte, um jedes noch so kleine Detail aufnehmen, um hinterher mit Gott und der Welt darüber quatschen zu können. 
Doch diese neugierige Spinatwachtel sollte lieber die Klappe halten und sich nicht in Dinge einmischen, die sie absolut nichts angingen. Ich würde ihr raten, sich um ihr eigenes erbärmliches Leben zu kümmern, wenn es ihr so langweilig war. Sie könnte ja etwas mit Filch oder meinetwegen auch was mit Alastor anfangen und diese Informationen dann in der ganzen Schule herum posaunen, solange ich nichts davon mit bekam. Mich interessiert das Privatleben von fremden Leuten einfach nicht die Bohne. Ich hatte genug eigene Probleme, um die ich mich zu kümmern hatte, unter anderem eine angepisste Fledermaus, die jetzt wahrscheinlich gerade in meinen Gemächern eine Spur in den edlen Holzboden lief. Ich sah Sev schon bildlich vor mir, wie er zwischen Schlafzimmertür und Kamin hin und her tigerte und dabei eine Zigarette nach der anderen rauchte. Ich hoffte nur, dass er seine eigenen dabei hatte, sonst wäre mein ohnehin schon mickriger Vorrat gleich aufgebraucht und ich würde nach Hogsmeade müssen, um mir neue zu besorgen. Und darauf hatte ich jetzt wirklich absolut keinen Bock. 
Nachdem auch die ganz langsamen unter uns endlich kapiert hatten, dass ich über den Vorfall nicht reden wollte, hatte die Krankenschwester schließlich wütend geschnaubt und leise vor sich hin geschimpft. Natürlich hatte ich jedes Wort verstanden, doch ich hätte mir lieber die Zunge abgebissen, bevor ich etwas erwidert hätte, denn ich wusste genau, das ein einziges Wort ausgereicht hätte, um mich erneut einer Welle aus neugierigen Fragen gegenüber zu sehen. Doch ich wollte nicht darüber sprechen und schon gar nicht mit jemandem, der die Tratschtante Nummer 1 in diesem Schloss war. Nein, wenn ich mich schon bei jemandem ausheulen musste, dann kamen dafür nur zwei Personen in Frage. Minerva oder Severus. Wobei ich mir nicht einmal sicher war, ob ich mit meinem Liebsten über das alles reden konnte, denn er war zu sehr in dieser Situation involviert. Bestimmt würde er nur ausrasten oder mich auf irgendeine andere Art und Weise verletzen und das wiederrum würde in einem riesigen Streit ausarten. Das war defintiv das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. 
Noch immer maulend, hatte Madam Pomfrey schließlich endlich den Heilzauber ausgeführt - das hätte sie aber wirklich auch schon mal früher machen können - und mich schließllich für fit genug erklärt, sodass ich endlich gehen konnte. Und ich war mehr als nur froh darüber. Dank meiner früheren Tollpatschigkeit (Ja gut, so ganz hatte ich die auch nie abgelegt. Ich gebe es ja schon zu) hatte ich schon genügend Krankenstationen und Krankenhäuser von innen gesehen. Es gab einmal eine Zeit, da war ich fast wöchentlich bei einem Arzt zu Besuch, weil ich mir irgendetwas getan hatte. Sei es ein verstauchter Knöchel, ein gebrochener Arm oder eine blutende Nase. Es war alles dabei. 
Schnell hatte ich diese vermaledeite gepunktete Krankenhaushemd ausgezogen, in das man mich gesteckt hatte, hatte es in eine Ecke gepfeffert und war schließlich in meine eigenen Klamotten geschlüpft. Endlich fühlte ich mich wieder wie ich selbst und konnte mich schließlich auf den Weg nach oben in Richtung Astronomieturm machen. 
Ich schlurfte träge vor mich hin und ließ mir dabei mehr Zeit, als ich eigentlich gebraucht hätte, aber erstens fühlte ich mich noch nicht wieder ganz auf dem Damm und zweitens musste ich mich für das Gespräch mit Severus wappnen. Ich wusste einfach, dass er tierisch sauer auf mich sein würde, weil ich ihn aus dem Krankenflügel geschmissen hatte. Bestimmt würde er wie ein tobendes Rhinozeros auf mich losgehen und mich anbrüllen, als gäbe es kein Morgen mehr. Gut, auch das hatte ich wahrscheinlich verdient, doch dabei sehnte ich mich so sehr nach einer tröstenden Umarmung. Mir ging es einfach so verdammt schlecht und noch immer standen mir die Tränen in den Augen. Es tat einfach weh, dass ich Cole verloren hatte, denn auch wenn ich ihn nicht auf die gleiche Weise lieben konnte wie er mich, so empfand ich doch sehr viel für ihn. Er war immer für mich da gewesen, wenn ich ihn gebraucht hatte. Wir hatten so viel Spaß zusammen gehabt, hatten gemeinsam gelacht, jede Menge Blödsinn gemacht und hatten die gleichen Interessen geteilt. Sollte das nun wirklich vorbei sein? Würden wir uns nie wieder in die Augen sehen können? Würden wir überhaupt jemals wieder miteinader lachen oder irgendwelche Späße machen können? 
Ich blieb kurz stehen und striff mit den Fingern über das zierliche Armband, dass Cole mir heute Vormittag geschenkt hatte und das ich noch immer an meinem Handgelenk trug. Es war einfach wunderschön und zeigte, wie gut mein Freund mich doch kannte, denn wenn ich unter tausenden Schmuckstücken hätte wählen müssen, dann hätte ich mir wahrscheinlich genau dieses hier ausgesucht. Es entsprach genau meinem Stil. Gott, ich konnte es nicht fassen, dass die Freundschaft zwischen uns einfach so vorbei sein sollte. Was sollte ich denn ohne Cole machen, wenn ich wieder zurück in Beauxbatons war? Würde ich mich wieder ganz meiner Arbeit verschreiben und einfach nur jede freie Minute in meinem Büro verbringen, um wie eine Blöde meine Unterlagen durchzugehen? Wobei... Ich wusste ja noch nicht einmal, ob ich überhaupt zurückkehren würde, denn noch hatten Severus und ich noch nicht wirklich über unsere Zukunft gesprochen. Auch das war mehr als nur überfällig, doch ich wusste selbst nicht so genau, ob jetzt der richtige Zeitpunkt dazu war, denn ich war einfach so traurig, dass ich meinen liebsten Freund hatte ziehen lassen, dass es mich schier zerriss. Gut, auch Sirius war mein Freund, mein bester vielleicht sogar. Doch mit Cole war es einfach anders gewesen. Das war... na ja... mehr einfach. Als wäre er mein Bruder oder mein Seelenverwandter, denn er verstand mich auf eine Art und Weise, wie es nur wenige taten. Wir hatten auch ohne Worte miteinander sprechen können. Ein Blick hatte gereicht und wir wussten, wie der andere fühlte. Und genau das hatte ich nun unwiederbringlich verloren. Auch wenn ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte, so gab ich mir doch die alleinige Schuld an diesem Drama. Man kann zwar Gefühle nicht erzwingen, aber vielleicht hätte ich einfach mehr um unsere Freundschaft kämpfen sollen anstatt ihn anzubrüllen. Selbst jetzt nach beinahe zwei Stunden war in meinen Gedanken nur das reinste Chaos und ich wusste nicht, was richtig und was falsch gewesen wäre. 
Endlich (Oder auch nicht) erreichte ich die steinerne Treppe, die den Astronomieturm nach oben führte. Ich stapfte die Stufen nach oben und kam schließlich an meiner Tür aus massiven Eichenholz an. Ganz kurz schloss ich die Augen und lauschte auf die Geräusche, die aus dem Raum zu mir nach draußen drangen. Da war einmal ein kleines, schnell schlagendes Herz gepaart mit einem wilden Hecheln. Das war zweifelsohne Balu. Gott sei Dank, er war wohlauf. Also hatte ihn Severus nicht einfach irgendwo alleine im Schloss gelassen, sondern sich um ihm gekümmert. Ich atmete erleichtert auf, denn wenn ich ehrlich bin, hätte ich das nicht erwartet. Mit Filou war mein Liebster nie wirklich gut ausgekommen. Sie hatten sich zwar gegenseitig respektiert, aber auch ohne Ende aufgezogen, deswegen war ich mir nicht sicher gewesen, wie er nun mit dem kleinen Wuschel umgehen würde. Aber anscheinend brauchte ich mir da keine Sorgen zu machen. 
Tja und dann waren da noch die anderen Geräusche, mit denen ich eindeutig gerechnet hatte. Ich hörte die harten, pochenden Schritte, mit denen Severus immer wieder die Hacken seiner Halbschuhe in den Holzfußboden rammte. Er ging von einer Seite auf die andere und wieder zurück und sog ziemlich geräuschvoll den Rauch einer Zigarette in seine Lungen. 
Oh weia, er schien wirklich sauer oder zumindest aufgebracht zu sein. Na, das würde ein ,,Spaß” werden. Aber alles Hinauszögern brachte jetzt nichts, denn was kommen wollte, kam auch. Ob nun früher oder später war da eigentlich auch egal. Irgendwann würde ich meinen Arschtritt kassieren, das wusste ich einfach. Und da ich ein Mensch war, der das Unvermeidliche nie wirklich aufschob, beschloss ich auch jetzt, meine Arschbacken so fest es irgendwie ging zusammen zu kneifen und das ganze lieber gleich hinter mich zu bringen. Gott sei Dank hatte ich genug Erfahrungen in Frankreich und auch mit Severus gesammelt, dass ich es darin wirklich zur Perfektion gebracht hatte. 
Also atmete ich noch einmal tief durch, drückte die Türklinke hinunter und betrat mein Büro / Wohnzimmer. 

Bat in my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt