76) Überraschung im Tonstudio

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Langsam wird es dunkel draußen. "Die Jungs werden ja heute gar nicht fertig.", ein bisschen enttäuscht gucke ich Suzanna an. "Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Manchmal sitzen sie auch die ganze Nacht.", lacht sie. Na super.

"Aber vielleicht fahren wir einfach mal im Studio vorbei?", schlägt sie vor. "Das ist eine gute Idee. Meinst du, wir sollen ihnen was zu Essen mitbringen? Ehrlich gesagt könnte ich nämlich auch bald wieder was essen." Wie auf Kommando knurrt ihr Magen. Wir müssen beide Lachen und machen uns auf den Weg in den Flur um uns unsere Jacken anzuziehen. Ende November ist es schon sehr kalt in Helsinki und ich trage bereits jetzt meine Winterjacke. Meine Turnschuhe werden dann wohl das nächste sein, was ich gegen gefütterte Schuhe tauschen werde, wenn die Temperaturen weiter so fallen.

Unterwegs in Suzannas Auto schlägt sie vor an einer Pizzeria zu halten. "Auf Pizza stehen wir doch alle, oder?", grinst sie. Ich stimme zu und wir beschließen zwei Familienpizzen zu kaufen und diese unterschiedlich belegen zu lassen. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Dort angekommen, parkt Suzanna den Wagen direkt vor der Tür und wir betreten gemeinsam den kleinen Laden. Am Tresen bestellen wir eine Pizza mit Salami und Schinken und die andere zur Hälfte mit Mais und Paprika und die andere Hälfte mit Thunfisch. Nach kurzer Wartezeit reicht der ältere Herr hinter der Theke uns die Pizza, die wir bezahlen und uns anschließend freundlich verabschieden. Während der Fahrt versuche ich die beiden riesigen Pizzakartons auf meinen Knien zu balancieren.

Am Studio angekommen hilft Suzanna mir beim Aussteigen, indem sie mir die Pizzen abnimmt. Im Gegenzug halte ich ihr die schwere Tür des modernen Gebäudes auf. Jeder mit einem Karton in den Händen betreten wir leise den Raum, den unsere Jungs immer für ihre Aufnahmen nutzen. Das wäre aber gar nicht nötig gewesen, denn sie sitzen alle zusammen bei Jukka vor der Glasscheibe, hinter der die Aufnahmen eigentlich statt finden, unterhalten sich und trinken Bier. Uns haben sie noch gar nicht bemerkt.

"Was ist denn hier los? Wir denken, ihr arbeitet?", gespielt empört unterbricht Suzanna das Gespräch, woraufhin sie sich alle zu uns umdrehen. Erst als wir anfangen über ihre verdutzten Gesichter zu lachen, stimmen sie mit ein. "Wir dachten, ihr habt vielleicht Hunger?", fragend halten wir die Pizzen hoch. Sami steht auf und kommt auf Suzanna zu: "Mädels, das klappt mit euch. Wir waren schon fast am Verhungern." Er drückt ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Lippen, bevor er auch mich begrüßt und uns die Pizzen abnimmt, um sie auf den Tisch am Rande des Raumes zu stellen.

Auch die anderen stehen jetzt auf und kommen zur Begrüßung auf uns zu. Allen voran Samu. Er legt seine Hände an meine Hüften, zieht mich nah an sich und küsst mich liebevoll. "Ich hab dich schon vermisst.", flüstert er mir grinsend zu, immer noch ganz nah an meinem Gesicht.

Riku schubst ihn unsanft zur Seite. "Jetzt bin ich dran.", erklärt er das, bevor er mich herzlich in den Arm nimmt. Auch in Riku habe ich mittlerweile einen guten Freund gefunden, wozu die ganze Sache mit Vivi auch beigetragen hat - hatte also doch auch sein Gutes. Die anderen Jungs drücken mir und Suzanna noch ein Küsschen auf die Wange und bedanken sich für das Essen.

Raul bringt ein Messer aus der kleinen Küche des Studios und teilt die Pizzen. Sie machen sich gierig drüber her. Mit vollem Mund sagt Jukka: "Wenn ihr noch was haben wollt, müsst ihr euch beeilen, Mädels." Lachend gucken wir uns an, ziehen die Jacken aus, setzen uns zu den anderen und angeln uns jeder ein Stück Pizza aus dem Karton.

Als alles aufgegessen ist, fängt Osmo an zu drängeln: "So, da können wir ja weiter machen, oder?" Motiviert steht er von seinem Stuhl auf und guckt erwartungsvoll in die Runde. "Kann ich erstmal verdauen?", fragt Raul ihn von der Seite, wobei er hoch gucken muss, da er ja noch auf seinem Platz sitzt. Jukka pflichtet aber Osmo bei: "Ich würde auch sagen, wir machen weiter, sonst werden wir heut gar nicht mehr fertig. Zwei Songs würde ich schon gerne noch aufnehmen."

Osmo ist, ohne den anderen zu nahe treten zu wollen, der wahrscheinlich musikalischste Mensch, den ich kenne. Er kann mehrere Instrumente wirklich perfekt spielen und beim Singen scheint er in eine ganz andere Welt abzutauchen. Das fasziniert mich immer wieder.

Sami steht auf und geht in Richtung Aufnahmeraum. Raul folgt ihm murrend. Nachdem Jukka sich die Kopfhörer aufgesetzt hat, gibt er den beiden ein Zeichen, damit sie anfangen zu spielen.

"Was hast du denn den ganzen Tag gemacht?", Samu lehnt sich zu mir rüber, da ich neben ihm auf dem Ledersofa sitze. "Suzanna war mich besuchen. Deshalb sind wir dann auch auf die Idee gekommen, zu euch zu fahren und was zu Essen mitzubringen.", stolz auf unsere Idee lächle ich ihn an. "Was würden wir nur ohne euch machen?", grinst er und gibt mir einen leichten Kuss. "Tut mir leid, dass es heute so lange dauert, aber wir haben ganz schön was aufzuholen, wenn wir den Release-Termin schaffen wollen." "Ist doch kein Problem.", versichere ich ihm. "Außerdem arbeite ich ja immer noch für die Band und es ist quasi mein Job euch zu versorgen." "Stimmt auch wieder.", lacht er.

Nachdem Drumset und Bass fertig aufgenommen sind, schickt Jukka Osmo hinter die Glaswand, um das Keyboard aufzunehmen. "Und? Wie gefällt dir der Song?", fragt Samu mich erwartungsvoll.  "Tut mir leid, aber ich kann mir noch nicht wirklich was drunter vorstellen.", ich muss lachen. "Nur Schlagzeug und Bass... Das ist ein bisschen schwierig für mich." Auch er erkennt jetzt das Problem und stimmt in mein Lachen ein.

Als dann aber auch das Keyboard und die beiden Gitarren aufgenommen sind, kann ich mir schon mehr darunter vorstellen. Der neue Song knüpft an den Stil der Anfangszeiten von Sunrise Avenue an. Gefällt mir richtig gut. Jetzt bin ich ja mal noch auf den Text gespannt. Als Samu den ersten Ton singt, stellen sich bei mir sofort alle Härchen auf und ich habe am ganzen Körper eine Gänsehaut. Er beginnt ganz tief zu singen und irgendwie scheint der ganze Raum erfüllt von seiner Stimme. Er braucht nicht viele Versuche, bis Jukka mit dem Ergebnis zufrieden ist. Als er die Aufnahmekabine verlässt, klatschen die anderen Jungs anerkennend mit ihm ab.

"Machen wir noch einen?", fragt Jukka in die Runde. "Nee, lass mal. Morgen ist auch noch ein Tag.", winkt Riku ab und erntet von den anderen Zustimmung. Jukka gibt nach: "Naja, gut. Aber morgen dann pünktlich 14.00 Uhr!" "Ich komme nach, ich hab noch einen Termin." Ach ja, das Interview morgen...

Wir räumen alles zusammen, ziehen die Jacken an und gehen raus, nachdem wir uns alle von Jukka verabschiedet haben. "Rauchen wir noch eine?", schlägt Raul vor. Mittlerweile ist es kurz nach Mitternacht und ich bin wirklich müde. Samu sieht mich kurz an, um meine Zustimmung abzuwarten, die ich ihm durch ein Kopfnicken symbolisiere. Raul holt eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche und hält sie geöffnet den anderen hin, damit sie sich eine raus nehmen können. "Aber eine Schnelle.", fordert Suzanna Sami auf. "Ich muss morgen wieder ins Büro." Er beeilt sich auch wirklich und kurze Zeit später sitzen die beiden in Suzannas kleinem roten Auto und fahren nach Hause.

Auch Raul und Osmo verabschieden sich kurze Zeit später und steigen in Osmos Wagen, in dem auf der Hinfahrt auch Sami mitgefahren war. Samu tritt seine Zigarette auf dem Boden aus und wir warten noch auf Riku, der die letzten Züge seiner noch genüsslich einatmet.

Er klatscht Samu zum Abschied ab und nimmt mich noch einmal in den Arm. "Mach dir keinen Kopf wegen dem Interview morgen.", flüstert er mir noch ins Ohr und zwinkert mir zu, als wir uns von einander lösen. Dankbar lächle ich zurück.

Schließlich treten wir auch die Heimreise an und fahren durch die kalte, finnische Nacht nach Hause.


Finnisch für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt