55) Erklären?!

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Ich atme einmal ganz tief durch und gehe dann fest entschlossen mich nicht wieder von meinen Gefühlen übermannen zu lassen zur Tür und sehe durch den Spion. Davor stand keiner. Samu musste also unten vor der Haustür stehen. Ich drücke den Summer, damit sich die Tür unten öffnet.

Schnell greife ich nach der Tasche mit Samus Sachen und stelle sie vor die Wohnungstür. So brauchte er nicht erst reinkommen und ich musste ihn nicht unbedingt sehen. Schnell schließe ich die Tür wieder, lehne mich von innen dagegen und spüre, wie mir doch Tränen in die Augen treten. Klappt ja ganz super - von wegen sich nicht von seinen Gefühlen übermannen lassen.

Ich bin wütend auf mich selbst, dass ich das nicht im Griff habe. Energisch versuche ich dagegen anzukämpfen. Die Zeit bis er oben ist, kommt mir endlos vor. Kurzzeitig denke ich, dass er vielleicht schon längst wieder gegangen ist, weil er mein Zeichen mit der Tasche verstanden hat. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht, wenn es so wäre.

Dann klopft es aber an der Tür. "Anni?", höre ich Samus tiefe Stimme von draußen. Meine Tränen kann ich jetzt nicht mehr zurückhalten und ich rutsche langsam an der Tür herunter, um mich schließlich auf den Boden fallen zu lassen. Ich kann nicht verstehen, wie er mir soetwas antun kann.

Als ich ihm keine Antwort gebe, versucht er es noch einmal. "Anni, was ist los? Warum stehen meine Sachen hier draußen?" "Geh weg!", rufe ich. Mist, er hat bestimmt gehört, dass ich weine. Ich bin gerade mehr wütend als traurig. Wütend auf mich selbst, mich nicht beherrschen zu können. Wütend auf ihn, dass er nach allem, was die letzten Tage war, hier aufkreuzt. Wütend auf alles.

"Süße, was hast du?" Wie ich es liebe, wenn er mich 'Süße' nennt. Nur nicht weich werden, Anni! Darauf lässt du dich nicht nochmal ein! Ich schließe kurz die Augen, sammle die ganze Kraft, die ich noch habe und rufe ihm wütend entgegen: "Du meldest dich tagelang nicht und fragst dann, was ich hab? Ich will dich nicht mehr sehen!" Nach diesem Satz brechen bei mir alle Dämme, ich kann das nicht mehr.

Kurz ist draußen Stille und ich hoffe schon, dass er einfach gegangen ist. "Scheiße!", höre ich es dann. Er klingt verzweifelt und ich habe ihn gerade direkt vor meinem inneren Auge - wie er den Kopf senkt und sich verzweifelt mit beiden Händen durch die Haare fährt. "Hat Suzanna dir nicht Bescheid gesagt?" Suzanna?

"Was hat sie denn damit zu tun?", pampe ich ihn an. Wenn er die Schuld jetzt noch auf andere schiebt... Wieder Stille. "Lass mich doch rein, dann erkläre ich dir das." Samu klingt richtig fertig, so habe ich ihn noch nie erlebt. Aber wirkliches Mitleid kann ich nicht für ihn aufbringen. Er hat wieder was mit seiner Ex-Freundin! Dabei scheint er ja auch kein Mitleid mit mir zu haben.

Ich überlege wirklich ernsthaft, ob ich die Erklärung überhaupt hören will. Ich entschließe mich dann doch dafür; schlimmer kann es ja eh nicht mehr werden. Ich stehe also auf, wische mir die Tränen aus dem Gesicht, obwohl sicherlich trotzdem noch deutlich sichtbar ist, dass ich geweint hab, und öffne die Tür einen Spalt.

Ich fühle mich schwach und suche Halt an der Wand hinter mir, an die ich mich anlehne. Dann steht Samu vor mir. Verzweifelt. "Anni, ich... ich kann das erklären...", sucht er nach den passenden Worten.

"Was denn erklären?", fahre ich ihm ins Wort. "Dass du dich einfach tagelang nicht bei mir meldest, dann wie selbstversändlich hier auftauchst und meinst, alles ist wieder wie vorher? Dass ich mir Sorgen machen könnte, fällt dir nicht mal ein? Dir hätte sonst was passiert sein können! Ich dachte, dass mit uns ist was Besonderes und du meinst es wirklich ernst mit mir. Aber scheinbar hast du nur ein naives Blondchen gesucht, dass du ins Bett kriegst. Und das Schlimmste daran ist, dass du das auch noch geschafft hast! Die wie vielte bin ich denn, hm?!"

Alles, was mir die letzten paar Tage durch den Kopf gegangen ist, sage ich ihm jetzt direkt ins Gesicht. Irgendwie fühlt es sich befreiend an, tut aber gleichzeitig unendlich weh. Ich habe ihn wirklich geliebt und tue es auch eigentlich jetzt noch. Es ist unerträglich für mich ihn so zu sehen. Er weiß nicht, was er sagen soll und das nutze ich.

Ich stürme zum Sofa, auf dem immer noch der Laptop liegt, den ich nicht mehr angerührt hab, seitdem ich das Foto von ihm und Vivianne gefunden habe. Ich klappe ihn auf und sofort erscheint der Artikel. Das wieder zu sehen, ist wie ein Stich mitten ins Herz.

"Und wie willst du mir das erklären?! Wann wolltest du mir das sagen?" Wütend und tränenüberströmt halte ich ihm den Laptop vor die Nase. Er kennt das Bild. Das sehe ich ihm an. Als er nichts sagt, stelle ich den Computer bei Seite und sehe ihn an. Jetzt bin ich ja mal gespannt, wie er das alles erklären will!

Doch ehe er irgendwas sagen kann, wird mir schwindlig. Ich kann mich kaum beherrschen stehen zu bleiben. Dann wird mir schwarz vor Augen und ich merke nur noch, wie zwei starke Arme mich vor dem Aufprallen auf den Boden bewahren...

Finnisch für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt