88) Kleiderkauf

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Nach einem gemütlichen Frühstück am nächsten Morgen fährt Samu mich in die Stadt, bevor er zur Probe muss. Die Straßen in Helsinki sind proppevoll. Mit Sicherheit gehen viele ihre Weihnachtsgeschenke umtauschen. Er hält direkt vor dem Laden, bei dem ich mit den Mädels verabredet bin. Für uns ungewöhnlich sind wir heute tatsächlich mal etwas zu früh und die ersten.

"Ich hab noch was für dich." Er kramt umständlich in seiner Hosentasche und hält schließlich eine kleine Plastekarte zwischen den Fingern. "Das geht heute auf meine Rechnung." Auf den zweiten Blick kann ich erkennen, dass es seine Kreditkarte ist. "Samu... das kann ich nicht annehmen." "Warum denn nicht? Natürlich!", er scheint etwas beleidigt. "Ich kann doch nicht dein Geld ausgeben. Du arbeitest hart genug dafür." Mir ist bewusst, dass das Shoppen heute ein Loch in meine Ersparnisse reißen wird, zumal das eine Ausgabe ist, die ich eigentlich nicht tätigen würde. Aber trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen. Samu ist doch nicht mein Geldgeber.

"Ich möchte aber, dass du meine Kreditkarte nimmst. Kauf dir ein schönes Kleid, schöne Schuhe, eine Tasche. Was auch immer du brauchst. Ich würde es dir nicht anbieten, wenn ich es nicht wirklich so meinen würde. Hab einen schönen Tag, Süße." Er drückt mir die Karte in die Hand, sodass ich gar nicht anders kann, als sie anzunehmen. "Danke.", sage ich leise und küsse ihn liebevoll. "Wenn ihr fertig seid, kannst du mich ja anrufen, vielleicht kann ich dich dann sogar schon gleich abholen." In dem Moment parkt Suzannas kleines rotes Auto hinter uns und sie und Laura steigen aus. "Das mach ich. Bis später." Wir küssen uns nochmal zum Abschied. "Viel Spaß!", ruft er mir noch hinterher. Fröhlich winkt er den anderen beiden zu als er los fährt.

Ich begrüße Laura und Suzanna mit einer herzlichen Umarmung. "Hoffentlich finde ich auch was." Suzanna klingt etwas pessimistisch und deutet dabei auf ihren Bauch. "Ach, mit Sicherheit. Ich bin ganz zuversichtlich! Wann kommt Juulia denn?" Laura scheint ganz aufgeregt zu sein und sieht sich in den vollen Straßen nach unserer fehlenden Freundin um. Kurz darauf kommt sie aber auch schon angelaufen. Sie begrüßt uns ganz außer Atem und erklärt dann ihre Verspätung: "Ich musste erstmal einen Parkplatz finden. Wieso ist das denn so voll hier?"

Als wir den Laden betreten, komme ich aus dem Staunen gar nicht heraus. In dem hellen Raum stehen zahlreiche Spiegel und noch mehr Kleiderstangen auf denen wunderschöne Kleider farblich sortiert aufgereiht sind. In einem anderen Teil des Geschäfts sind Schuhe, Handtaschen und Accessoires aufgebaut. Das muss das Paradies sein!

Während ich mich noch umsehe, kommt eine Verkäuferin auf uns zu. "Hallo, ich bin Kaatja.", sagt sich freundlich und reicht uns allen nacheinander die Hand. "Wie kann ich euch helfen?" "Also wir brauchen alle ein Abendkleid, es darf ruhig etwas schicker sein. Und meine Freundin hier", Juulia deutet auf Suzanna, die neben ihr steht, "ist, wie du siehst, momentan in etwas anderen Umständen." Wir lachen. Kaatja klingt aber zuversichtlich: "Das ist gar kein Problem, für dich finden wir auch was Schönes. Folgt mir einfach, dann könnt ihr erstmal eure Sachen ablegen." Wir folgen ihr durch den großen Raum und kommen schließlich an einer Sitzecke an.

Juulia und Laura gehen mit Kaatja und lassen sich von ihr beraten. Suzanna und ich sehen uns erst einmal alleine um. Als ich auf das Preisschild eines Kleides gucke, wird mir schon etwas anders. Suzanna bleibt mein Blick nicht verborgen: "Was ist?" "Samu hat mir vorhin seine Kreditkarte gegeben, ich hab schon ein schlechtes Gewissen so viel von seinem Geld auszugeben.", gestehe ich ihr. Sie lacht: "Ach, ich denke, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Als er noch mit Vivi zusammen war und wir gelegentlich mit ihr zusammen shoppen waren, fiel die Rechnung deutlich höher aus. Da kannst du locker noch eine Null hinten dran hängen." "Aber ich meine, es ist sein Geld, ich habe nichts dafür getan und gebe es jetzt mit vollen Händen aus."

"Mach dir keinen Kopf. Außerdem", sie zieht eine Karte aus ihrer Hosentasche und grinst mich an, "wir müssen so oft auf unsere Männer verzichten, wenn sie unterwegs sind, dass das nur gerechtfertigt ist." Lachend schüttele ich den Kopf. Dass auch Sami seiner Freundin sein Geld zur Verfügung stellt, macht es mir irgendwie einfacher mein schlechtes Gewissen los zu werden. "Also komm, weiter geht's!", fordert sie mich auf und hakt sich bei mir unter, um mich zum nächsten Kleiderständer zu ziehen.

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