twentytwo

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-Sebastian-

„Das kann ich nicht." Wie das Donnerhallen blieben mir ihre Worte im Gedächtnis, verbrannten meine Seele und ließ mein Herz blutend zurück. Sie hatten etwas Endgültiges, dass mir jede Hoffnung für die Zukunft zu nehmen drohte. Dabei war ich doch selber Schuld. Ich hatte es besser gewusst. Hatte gewusst, dass sie noch nicht so weit war. Zwar hatte ich gemerkt wie sie meine Nähe immer mehr genoss. Ja meine Nähe sogar ganz selbstverständlich zu ließ, sich in meiner Gegenwart entspannte und auch nicht daran störte, wenn unsere Körper sich streiften. Manchmal ganz bewusst, manchmal auch ausversehen kam es dazu, wenn ich ihr die Tür aufhielt oder wenn ich sie mit der Hand auf ihren unteren Rücken gelegt, durch die Menge digerierte. Sie hatte es zu gelassen, hatte mir mit einem entzückenden Lächeln gedankt, wenn ich die Tür auf hielt oder mir einen kurzen Blick voller Wärme über die Schulter zu geworfen. Doch ich hatte noch einen drauflegen müssen. Dabei hatte ich erst am Morgen noch beschlossen, dass ich ganz gut voran kam. Der Gedanke an den Stein, der um ihren schlanken Hals lag, war es gewesen, der mir den Verstand geraubt und mich zu diesem unverzeihlichen Fehler beflügelt hatte. Ich hatte bemerkt wie mein halbnackter Anblick auf sie wirkte und ich hatte gewusst, dass ich sie erregte. Es war ein durchaus primitiver Wunsch sie riechen zu wollen, aber einen, den ich nicht abschütteln konnte. Ein Wunsch, der von dem Wissen wie nah mein Ziel war, verstärkt wurde. Ein Wunsch, der durch ihren schnellen Herzschlag untermauert wurde, von dem sehnsüchtigen Blick unterstützt.

Unweigerlich fragte ich mich, wie es ausgegangen wäre, wenn der Feueralarm nicht losgegangen wäre und schalte mich einen Narren. In dem Jahrtausend, das ich nun schon über diese Welt wandelte, hätte ich es doch schon lernen sollen, dass ‚was wäre wenn' nichts brachte, nichts verändert und lediglich die eigene Seele quälte mit Tatsachen, die nie gewesen waren und nie sein würden. Die Zeit ließ sich nicht drehen oder verändern. Niemand konnte in die Zeit zurück reisen und falls doch ein Wesen in der Lage dazu sein sollte, so war es schlau genug, um eben dies nicht zu tun. Die Zeit war ein gefährliches Gut. Nicht einmal die Hexen wagten es mit der Zeit zu spielen. Und ich würde es auch nicht. Nicht einmal in meinen Gedanken.

Doch dafür spielte ich auf Zeit. Zwar hatten ihre Worte mich hart getroffen, aber ich hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen als ich ihr den Rücken kehrte, hatte ihr Schluchzen gehört als ich verschwand. Und es hatte mich ebenso geschmerzt. Doch ich hatte gehen müssen, bevor ich etwas Unüberlegtes tat. Etwas, das nicht mehr rückgängig zu machen war. Momentan mochte Vivien glauben, dass wir nur gute Freunde werden würden, aber damit würde ich mich nicht zufrieden geben. Vielleicht würde ich meine Taktik noch einmal ändern müssen, denn sie würde unweigerlich vorsichtiger sein. Wahrscheinlich würde ich jetzt noch mehr Geduld benötigen als vorher, aber ich hatte ein Ziel, das es mir wert war. Und ich war ein Lykae, der seine Gefährtin für sich gewinnen musste und wollte. Es gab kein entschlosseneres, zielstrebigeres Wesen auf dieser Welt. Die Walküre würde bald bemerken, dass sie keine Chance gegen mich hatte.

Im Schatten einer Hauswand lehnend beobachtete ich sie. Es war heute schon der fünfte Tag seitdem ich wortlos von ihren Balkon verschwunden war. Den restlichen Samstag hatte ich gebraucht um mich zu fasen, den Sonntag hatte ich ihr gegeben. Lediglich wie jetzt hatte ich aus der Ferne über sie gewacht. Außer dass sie einmal abends und einmal morgens joggen ging, hatte sie ihre Wohnung nicht verlassen. Unruhig war sie in dem kleinen Zimmer umher gelaufen, hatte sich die Haare gerauft und dann wieder ihrer Spielkonsole zu gewandt ehe sie irgendwann wieder aufsprang und das Spiel von vorn los lief. Nur zu gern redete ich mir ein, dass ich es war, der sie einfach nicht losließ, der ihre Gedanken beschäftigte.

Am Montagmorgen hatte ich ihr Blumen geschickt. Irgendetwas musste ich machen. Ich konnte die Situation vom Samstag nicht einfach so stehen lassen. Es war ein schlichter Strauß aus Sonnenblumen gewesen, aber sie hatten mir gefallen und irgendwie an sie erinnert. Nur zu gut konnte ich mir vorstellen, wie sie eine davon in ihre Haare steckte. Und scheinbar hatte ich mich nicht getäuscht. Überrascht hatte sie die Augen aufgerissen als der Kurier ihr erklärte, dass sie für sie waren und fast noch breiter hatte sie gestrahlt als sie das Kärtchen las, das ich für sie geschrieben hatte.

Ich hoffe du kannst mir verzeihen. Ich wäre sehr gern ein wundervoller Freund für dich. Seb

Es war ein gefährliches Spiel gewesen. Aber sie hatte die Doppeldeutigkeit der Worte nicht bemerkt oder sie überlesen. Ganz bewusst hatte ich mich auf ihre eigenen Worte bezogen. Ich würde sie nicht anlügen, auch wenn es mir mehr Schwierigkeiten bereiten mochte. Aber ich musste sie ja nicht mit der Nase auf die Wahrheit drauf stoßen.

Ich hatte ihr mir trotzdem noch nicht mehr genähert und auch sie hat noch keinen weiteren Schritt auf mich zu gemacht. Ich hielt es für besser vorerst ein wenig Abstand zu wahren. Damit sie ihr Misstrauen mir gegenüber verlor, welches sicherlich jetzt da sein würde und ich erst einmal wieder abkühlte. Ob letzteres wirklich der Fall war, zweifelte ich arg. Es war eine Qual sie lediglich aus der Ferne zu beobachten, aber auch äußerst interessant. Sonntag hatte ich ihr Verhalten auf unseren Streit geschoben, denn ich war ihr alles andere als egal, das wusste ich mittlerweile. Aber Montag ging das weiter so oder viel mehr es wurde schlimmer. Sie legte ein äußerst seltsames Verhalten an den Tag, welches mich alarmierte. Irgendetwas Größeres musste sie beschäftigen. Ich hatte das Gefühl, dass sie gar nicht mehr schlief. Meist schlummerte ich in meiner Wolfsgestalt irgendwo vor dem Blicken der Menschen verborgen, sodass ich ihre Wohnung im Blick hatte. Es war immer nur ein unruhiger, leichter Schlaf damit ich auch ja nichts verpasste. Mittlerweile spürte ich die körperlichen Auswirkungen schon und ich fragte mich, wie sie es schaffte mit so wenig Schlaf auszukommen. Wenn sie nicht gerade auf Arbeit oder Joggen war, ging sie meist in die Stadtverwaltung. Was genau sie da wollte, wusste ich nicht. Das Gebäude war riesig und beherbergte sämtliche Ämter, die Stadtbibliothek, ein Café und sogar einige Unternehmen. Da ich nicht wollte, dass sie mich bemerkte, blieb es mir nur übrig sie von der Ferne zu beobachten. Teilweise sah ich sie deshalb stundenlang nicht. Es war nur mein innerer Instinkt, der mir jedes Mal, wenn ich unruhig wurde, versicherte, dass sie noch immer an Ort und Stelle war.

Nun war sie wieder dort. Ich fragte mich, wirklich was sie dort trieb.

Überrascht richtete ich mich auf, als ich sie mit entschlossenem Gesichtsausdruck aus der Tür treten sah. Viel früher als die letzten Tage. Was auch immer darin passiert war, es war mit Sicherheit kein Umstand, der sie fröhlich stimmte. Auf den direkten Weg lief sie nachhause und ließ die Tür laut hinter sich zu krachen. Keine Minute später sah ich wie sie ihre Jalousien herunterließ. Gereizt knurrte ich. Alle meine Sinne stellten sich auf. Meine Bestie heulte in mir drin. Was zur Hölle war da los?

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Das erste Kapitel für diesen Abend. In etwa einer Stunde kommt das nächste ;)

#Habt ihr eine Ahnung was passiert sein kann?

#Über was sich Anja solche Gedanken macht?

#Denkt ihr, dass Sebastian jetzt Unsinn bauen wird? und wenn ja, welchen?

#Was haltet ihr von Blumen? Hat ihr welche die ihr bevorzugt?

[01] TraumtänzerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt