Es ist ein sehr kurzes Kapitel. Allerdings werde ich hier mehr eingehen, wenn wir diese Stelle aus Glorias Sicht erleben werden.
-Anja-
Ich sah immer wieder nach der Walküre. Gloria wimmerte immer wieder im Schlaf. Ob vor Schmerz oder aus einem anderen Grund konnte ich nicht bestimmen. Wenn sie erwachte warf sie sich mit einem glasigen Blick hin und her, sodass Sebastian und ich, sie nieder halten mussten bis sie sich wieder beruhigte. Vorsichtig flößte ich ihr von Zeit zu Zeit Wasser ein, damit ihr Körper nicht austrocknete. Schmerzmittel brauchte ich ihr nicht zugeben, ihr Körper würde sie wie Gift bekämpfen und dafür mit der Heilung ihrer Wunde stoppen, bis diese verdrängt waren.
Von Zeit zu Zeit murmelte sie kaum verständliches. Manchmal erkannte ich einen Namen wieder und von der Art und Weise wie sie die Worte aussprach, kam in mir der Verdacht auf, dass sich ihr Verstand weit in der Vergangenheit befand. Vielleicht hatte sie schon einmal ein solches Trauma erlebt.
Schweren Herzens musste ich dabei zu sehen, wie die Walküre litt und konnte nur warten. Es dauerte fast eine Woche bis Gloria die Augen aufschlug und sie mich tatsächlich im Raum fokussierte. Die tiefen Furchen in ihrem Gesicht ließen sie Älter aussehen und wiesen daraufhin, dass sie noch immer fürchterliche Schmerzen litt, aber ihre Augen erkannten mich.
„Anja?" fragte sie vorsichtig murmelnd.
„Ja, ich bin da, Gloria."
„Was machst du hier?" fragte sie und tastete nach ihrem Kopf, um ihn zu untersuchen.
„Weißt du nicht mehr? Wir haben zusammen nach Juliet gesucht." erinnerte ich sie vorsichtig und hockte mich neben ihr Bett, sodass ich mit ihr fast auf einer Augenhöhe waren.
„Nein, wieso haben wie sie gesucht? Wann haben wir uns getroffen und wo sind wir?" fragte sie und sah sich sichtlich verwirrt um. Sie schien den Raum nicht zu erkennen und ihren Fragen nach wusste sie auch sonst nichts mehr. Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.
„Sie war verschwunden, deswegen haben wir uns vor etwas mehr als zwei Wochen in Wien getroffen." Beantwortete ich ihre Fragen. Als sie noch immer mit einem verständnislosen Ausdruck in ihrem Gesicht den Blick durch den Raum schweifen ließ und den Fernseher dabei zu genau unter die Lupe nahm, spürte ich wie sich meine Stirn in Falten legte. Langsam kam mir ein grausamer Verdacht.
„Gloria, welches Jahr haben wir?" fragte ich sie und versuchte jegliche Sorge aus meiner Stimme zu verbannen, um sie nicht zusätzlich zu beunruhigen.
„1869." Antwortete sie nach einigem Zögern. „Warum habe ich solche Schmerzen?" jammerte sie und hielt sich noch immer ihren Kopf. Am liebsten hätte ich es ihr gleich getan, als diese Zahl in meinem Kopf echote.
„Dein Kopf wurde dir fast in zwei gespalten." Erklärte ich und verriet ihr bewusst nicht, dass es Juliet gewesen war. Das würde ich ihr später erklären. Zuvor musste ich ihr klar machen, dass wir uns mittlerweile im Jahr 2018 befanden. Und allen voran musste ich ruhig bleiben, Panik würde keinem von uns helfen. Erst Recht nicht Gloria, vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie sich ausruhte und ihren Kopf noch etwas Zeit zum Heilen gab.
„Warum? Was ist denn passiert?" fragte sie verwirrt. „Und wo ist Vita? Geht es ihr gut?" Gloria war eine herzensgute Walküre. Sie war zu gut für diese grausame Welt, sodass in mir der Beschützerinstinkt hoch kam. Das Lächeln, welches ungewollt in mein Gesicht schlich war voller Wehmut. Wie viel konnte ich ihr verraten?
„Du solltest dich noch ein wenig ausruhen, Gloria." Sagte ich schlussendlich zu ihr und ging somit gar nicht weiter auf ihre Frage ein.
„Irgendjemand hat mir den Schädel eingeschlagen. Er schmerzt höllisch und hier stehen eine Vielzahl unbekannter, seltsam anmutender Objekte herum. Wie soll ich mein Körper in diesem Zustand zur Ruhe finden?" regte sich die Gloria auf.
Also gab ich nach. Zumindest ein Stückweit. „Wir haben das Jahr 2018, Gloria." Erklärte ich der Walküre. Ich war mir nicht sicher, ob jetzt der richtige Augenblick dafür war oder ob ich es ihr nicht hätte schonender beibringen können. Allerdings wurde mir mit all ihren Fragen bewusst, dass ich sie sonst nur anlügen könnte und das wollte ich nicht. Und vermutlich würde ihr das auch nicht helfen sich zu erinnern, sondern alles nur noch verwirrender für sie machen.
„Aber..." setzte sie an und wollte sich aufsetzen, doch ich drückte sie zurück und Gloria verzog auch deutlich das Gesicht, als hätte ihr schon diese kleine Bewegung unendliche Schmerzen bereitet. „Aber... ich kann doch nicht einfach so ein ganzes Jahrhundert vergessen." jammerte sie entsetzt.
„Ich nehme an, dass es nur kurzzeitig sein wird. Bis deine Wunde wieder komplett abgeheilt wird. Du warst wirklich sehr schwer verletzt, Gloria." Versuchte ich sie zu beruhigen und hoffte, dass ich mich nicht irrte.
„Wie konnte das passieren, Anja?" fragte sie mich und der auffordernde Blick ihrer Augen verlangte eine klare Antwort.
„Soll ich dir das nicht lieber später erklären?" versuchte ich sie, dazu zubringen sich auszuruhen. „Vermutlich weißt du es in ein paar Stunden auch ganz allein wieder."
Sie sah mich skeptisch an und nickte dann.
„Brauchst du noch irgendwas?" fragte ich sie.
„Nein." Murmelte sie und drehte sich mit geschlossenen Augen ein wenig zur Seite.
Also erhob ich mich und lief zur Tür. „Anja!" rief sie mich zurück, kam das ich die Hand an die Türklinke gelegt hatte.
„Ja?" fragte ich in der Erwartung, dass sie ihre Meinung bezüglich meiner letzten Frage geändert hatte.
„Was ist mit Vita?" Sie musste es meinen Gesicht angesehen haben, denn zeitgleich mit ihrem Schrei der meine Ohren klingen und die Vase zerspringen ließ, sauste ein Blitz gefolgt von einem Donner herunter, der dies alles übertönte.
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[01] Traumtänzerin
Hombres LoboAnja ist eine Walküre. Eine der wenigen, die es auf dieser Welt noch gibt. Sie hat eine einzigartige Gabe mit deren Hilfe sie Nachts durch die Träume der Menschen wandelt. Aber eines Nachts erscheint sie in den Träumen von Sebastian. Einem Werwolf...