-Sebastian-
Leises, beruhigendes Summen, ganz dicht an meinem rechten Ohr. Weiche Haut und rote, gefärbte Haare. Irritiert und in gleicher Maßen fasziniert fuhren meine Finger erneut durch die seidigen, zerzausten Haare und über die golden schimmernde Haut. Die Last auf meiner Schulter wurde schwerer. Das Summen brach ab. Meine Stirn runzelte sich, während mein Verstand langsam die Puzzleteile zusammensetzte. Ich spürte ihren tiefen Atemzug meinen Nacken fächern. Meine Hand strich weiter über ihre bloße Schulter. Sie zuckte leicht zusammen und fing erneut zu summen an. Aber schon wie sie summte, bemerkte ich, dass es immer leiser wurde und sie erneut in den Schlaf glitt und das Summen wieder stoppte. Vorsichtig bewegte ich mich, um sie nicht ein weiteres Mal zu wecken. Anja saß auf mir, ein Bein links das andere rechts von meiner Hüfte, lehnte sie gegen mich und hatte die Augen geschlossen. Die Position sah alles andere als bequem aus. Mit einer Hand presste ich sie noch immer an mich, die andere verharrte locker in ihrem Nacken. Ihr Kopf lag auf meiner Schulter, an meinen Hals geschmiegt, eine Hand locker um meinen Nacken gelegt, die andere auf meiner linken Schulter. Ihr ruhiger Atem, der immer wieder auf meinen Hals traf verriet, dass sie schlief.
Ich selbst saß auf einer alten durchgesessenen Couch. Es war das Gästezimmer in Wills Autowerkstatt.
Ich legte den Kopf in den Nacken und versuchte mir die letzten Stunden in Erinnerung zu rufen. Mir war bewusst, dass sich etwas grundlegend verändert hatte. Anja musste jetzt wissen, dass sie meine Gefährtin war. Die Angst, dass sie flüchten könnte, sollte sie davon erfahren, schien grundlos zu sein und wurde durch die Hoffnung, dass sie es akzeptieren und meine Gefühle erwidern würde, abgelöst. Immerhin saß sie nun bei mir und ich war mir sicher, dass Anja meinen Ausbruch richtig gedeutet hatte. Sie wusste was wir Lykae waren und ihr waren mit Sicherheit auch die Geschichten über unsere Bestie und unserer Gefährtin vertraut.
Es war schwer sich an die Momente, nachdem ich Anjas Verschwinden bemerkt hatte zu erinnern. Es war als würde ich in trübes Wasser hinabsteigen, bis es mich vollkommen umschloss und mich in seinen Klauen hielt. Meine Handlung zog wie in einem Rausch an mir vorbei. Ich sah das Gesicht verängstigter Menschen, sah wie Anja auf den blonden Mann saß und erschrocken zu mir sah. Ein Grummeln löste sich aus meiner Kehle und sogleich zuckte Anja zusammen und fing erneut mit diesem Summen an, dass eine unergründlich beruhigenden Wirkung auf mich auszuüben schien. Meine Hand glitt in ihr Haar und strich hindurch. Sie veränderte ihre Position ein wenig, ich ließ es zu ohne sie darauf aufmerksam zu machen, dass ich wieder bei Sinnen war. Ich brauchte Zeit. Zeit in der ich verarbeiten konnte, was geschehen war und mich auf die vermeintlich kommende Auseinandersetzung vorbereiten konnte. Würde sie noch auf meinen Schoß sitzen bleiben und sich halten lassen, wenn ihr Bewusst war, dass ich wieder alle Sinne beisammen hatte? Oder würde ihr Fluchtinstinkt doch die Überhand gewinnen? Ich wusste es nicht und noch wollte ich die Zeit einfach so genießen, bevor ich bereit war, dies herauszufinden.
Während Anja leise summte und ihre Finger beruhigend über meine Nacken und Schulter glitten, kam mir das blutig geschlagene Gesicht des Blondhaarigen in den Sinn. Einen Moment lang verzogen sich meine Mundwinkel in grimmiger Genugtuung, dann wurden mir all die Probleme die mein Ausbruch mit sich brachte bewusst. Wie viel Aufmerksamkeit hatte ich tatsächlich erregt? Lebte der Mensch noch? Und die vielentscheidendere Frage: Was hatte Anja von diesem Menschen gewollt? Stand sie auf menschliche Sunnyboys?!
Dann wurde es Zeit, dass sich dies schlagartig änderte. Ich würde keinen anderen akzeptieren. Keine Sekunde lang und das würde ich der Walküre unmissverständlich klar machen.
Noch einmal knurrte ich und Anja seufzte leise: „Ich bin da, Seb und ich werde auch nicht verschwinden. Ich gehöre dir doch schon längst!", ihre Stimme klang unheimlich müde, während sie die Worte sprach, die in mir die Hoffnung wachsen ließ. Sie meinte, sie gehörte schon längst mir. Sprach sie die Wahrheit oder sagte sie diese Worte nur um mich zu beruhigen?
Noch während meine Gedanken mit einander rangen, sank ihr Kopf wieder gegen meine Schulter und ihre Körperhaltung lockerte sich. Sie musste todmüde sein, dabei hatte sie doch erst letzte Nacht geschlafen. Besorgt musterte ich ihr Profil. Ihre so offensichtliche Erschöpfung schaffte es sogar mich aus meinen hoffnungsvollen Gedanken zu reißen. Was hatte Anja so ermattet? Normalerweise schien sie ganze Wochen nicht zu schlafen oder zahlte sich dies nun heim? Ich musste unbedingt mit Gloria reden!
Während ich darauf wartete, dass Anja tiefer in ihren Schlaf versank, lauschte ich und versuchte so herauszufinden, ob sich auch die andere Walküre hier aufhielt.
Ich hörte das Gedudel eines Radios, klapperndes Metall, das helle Klingen, wenn Schrauben auf den Boden fielen, Männer die miteinander sprachen. Es waren Geräusche, die ich aus einer Werkstatt erwartete.
Allerdings hörte ich nichts, was mich auf die Walküre schließen ließ. Natürlich könnte sie auch schlafen oder schweigend irgendwo sitzen und was weiß ich nicht machen. Andererseits nahm ich sie auch nicht mit meinen anderen Sinnen war. Wo also hielt sich die Walküre auf?
Da Anja sich mehr oder minder an mich klammerte, wollte ich es nicht riskieren sie munter zu machen, in dem ich versuchte sie von mir zu lösen nur um nach Gloria zu suchen. Also lehnte ich mich zurück, genoss Anjas Nähe und versuchte mir nicht allzu viele Sorgen zu machen. Weder wegen ihrer Müdigkeit, da ich einfach nicht wusste, was bei Walküren normal war und was nicht. Und auch nicht, wegen ihrer Worte. Momentan war sie bei mir, ich hielt sie fest, ich spürte sie. Sie konnte nicht unbemerkt verschwinden und wenn ich ihre Worte in meiner blindwütigen Hoffnung nicht völlig falsch deutete, dann schien Anja meine Gefühle zu erwidern.
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Ich freue mich so, dass es jetzt endlich weitergeht und ich hoffe es gefällt euch noch immer...
#Habt ihr einen Verdacht warum Anja so erschöpft ist?
#Wo denkt ihr, treibt sich Gloria rum? Bzw. Was mach sie?
#Seid ihr noch dabei?
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[01] Traumtänzerin
LobisomemAnja ist eine Walküre. Eine der wenigen, die es auf dieser Welt noch gibt. Sie hat eine einzigartige Gabe mit deren Hilfe sie Nachts durch die Träume der Menschen wandelt. Aber eines Nachts erscheint sie in den Träumen von Sebastian. Einem Werwolf...