"Mach's gut, Susi." Sagte ich und hängte mir die riesige Tasche über die Schulter. Zwischen mir und dieser Tasche bestand eine besorgniserregende Hassliebe. Eigentlich hasste ich alles unnötige Zeug. Dass die Tasche dazu gehörte, verstand sich von selbst. Jedoch war sie so groß und auch in Mode, dass ich ohne aufzufallen, alle meine Waffen darin verstecken konnte. Auch wenn ich sie schon lange nicht mehr hab einsetzten müssen, sehr zu meinem Bedauern, fühlte ich mich in Begleitung meiner Dolche und den Doppelschwertern wesentlich wohler. Als Walküre unbewaffnet das Haus zu verlassen war pure Dummheit. Dass jedes magische beziehungsweise unsterbliche Wesen uns für Tod hielt hin oder her. Würde einer von ihnen mich durch Zufall als Walküre erkennen, würde er alles tun um mich in die Finger zu bekommen. Vielleicht war nicht jeder den Walküren feindlich gesinnt, aber verdammt viele. Außerdem wäre dann die Gefahr, dass alle Unsterblichen erfahren würde, dass wir doch noch lebten. Sollte mich der Falsche in die Finger bekommen, würde derjenige mich Foltern um an sämtliche Informationen zukommen, die ich ihm natürlich nicht geben würde. Ehr würde ich qualvoll sterben als meine Schwestern zu verraten. Darauf konnte ich gut und gern verzichten.
"Einen schönen Feierabend wünsche ich dir." Rief mir Susi zu. Ihr gehörte der Friseursalon, in dem ich nun seit ein paar Wochen jobbte. Als ich hier ankam, hatte sie gerade ein Schild an ihr Schaufenster geklebt, dass verriet, dass sie nach einer Friseurin suchte. Noch mit meinem Koffer im Auto, hatte ich gestoppt und mich vorgestellt. Am nächsten Tag hatte ich auch gleich ein Probeschneiden. Jetzt war ich festangestellt und verstand mich hervorragend mit meiner Chefin. Sie war fast so etwas wie eine Freundin für mich, aber nur fast. Freundschaften gab es in meinem Leben so gut wie keine mehr. Keine richtigen zumindest. Ich hielt die Menschen immer bis zu einem gewissen Grad auf Abstand. Ich konnte es mir nicht leisten, sie zu nahe an mir heranzulassen. Es würde nicht nur mich, sondern auch sie in Gefahr bringen. Nicht nur, dass sie nichts von der Existenz von Walküren oder Unsterblichen allgemein wissen durfte, war es auch gefährlich wenn sie mich zu gut kannten und daher meine Andersartigkeit bemerkten. Außerdem ersparte ich ihnen und mir unnötigen Schmerz. Spätestens in zehn Jahren würde ich wieder weiterziehen, vielleicht auch früher, damit sie nicht bemerkten, dass ich nicht alterte und sie hinter mich zurücklassen. Sie würden mich vergessen sowie ich sie. Ich hasste diese Art zu leben und noch viel schlimmer war, dass ich es schon seit gut einem halben Jahrtausend tat. Ich liebte Menschen und den Kontakt zu ihnen. Umso größer die Gemeinschaft war, in der ich mich aufhielt umso besser. Jahrhundert für Jahrhundert hatte ich mich mehr von der Gesellschaft distanziert. Zu meinem eigenen Schutz und dem meiner Schwestern.
Ich stieg die eine Stufe der Treppe hinab und machte mich auf dem Weg zum Markt. Mit einem kleinen Nasenrümpfen betrachtete ich die überfüllte Bundesstraße. Es war Freitag Nachmittag und jeder wollte so schnell es ging nach Hause. Dass sie damit die Straßen überfüllten und ihre Drängeleien unnötigen Stau und Stress verursachten, bemerkten die meisten dabei nicht. Die ganzen Abgase, die sie in die Umwelt bliesen waren als dunkle Wolke über der Straße nahezu sichtbar und die Luft davon geschwängert. Widerlich. Jeden Freitag spielte sich dieses Elend erneut ab. Ich bemerkte die Blicke der Menschen als ich an ihnen vorbei lief. Möglichst unauffällig prüfte ich den Sitz meiner dunklen Haare. Die Haare saßen noch so wie sie sollten und bedeckten noch immer meine spitzen Ohren. Sehr gut. Es war wichtig, weil es die erste Auffälligkeit war, die die Menschen entdecken würden. Ich lief die Stände entlang und betrachtete die angebotenen Waren. Ich machte halt bei einen Wagen mit frischem Brot, bei dem Käsestand. Obst und Gemüse wanderte in den Korb, den ich mit mir trug.
Gerade als ich einen Blumenstrauß betrachtete, wurde ich von der Seite angerempelt und wäre fast in das bunte Blumenmeer vor mir gefallen. Eine kräftige Hand umschloss mit festem Griff meine Oberarme. Ich ließ meinen Korb fallen, meine Hand umschloss den Griff meines Dolches in der Handtasche. Als ich mich umdrehte sah ich in das Gesicht eines zu großen Jungens. Ein Blick reichte um zu wissen, dass er ungefährlich war. Ich ließ den Dolch los. Schade. Aber eigentlich sollte ich zum Glück sagen. Ich seufzte. Der Junge versuchte reuevoll zu wirken, was er nicht war, als er sagt:"Tut mir leid. Ich habe dich gar nicht gesehen. Kann ich mir selbst nicht erklären, so hübsch wie du bist. Darf ich mich mit einem Kaffee entschuldigen?" Das Grinsen war selbstbewusst und überheblich. Wahrscheinlich war er erfolgsgewöhnt mit seinem guten Aussehen, welches mich sofort an einem Sunnyboy aus den typischen amerikanischen Highschooldramen denken ließ. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Mädchen reihenweise auf ihn fliegen mussten. Dumme Kinder. Nichts anderes waren sie für mich. Ich war über ein Jahrtausend alt und hatte schon lange nichts mehr für diese naiven Jünglinge übrig, die dachten, dass sie mich anmachen mussten. Ich sah gut aus, denn das taten alle Walküren. Wie die Klauen der Lykae und die Fangzähne der Vampire war unser Aussehen eine Waffe. Eine Täuschung. Es gab kaum einen Mann, der einer Walküre widerstehen könnte. Sie dachten, dass sie uns beschützen mussten, dabei waren wir alles andere als hilflos. Der blondhaarige Schönling vor mir war jedoch nicht auf meinen Schutz aus, sondern auf seinen Spaß und das mit mir. Noch schlimmer. Sein Auftreten verriet, dass ich nicht das erste Mädchen war, das er belästigte. Ich hasste solche Typen.
Seine Hand hatte sich an meine Taille gelegt als müsste er mich stützen. Wütend schlug ich seine Hand weg. "Nimm deine Griffel weg und mach jemanden anderen an." Fuhr ich ihn zugegebenermaßen etwas grob an, aber ich hatte nicht die Geduld es ihm auf die höfliche Art und Weise beizubringen. Besonders dann nicht, wenn er sich so gab. Er hatte mich nicht ausversehen geschubst, sondern mit Absicht um mich ansprechen zu können. Und dann noch mit so einer billigen Anmache, dachte ich wütend. Ich hörte lautes männliches Gelächter. Ein Blick an ihm vorbei, ließ mich zwei Männer entdecken, die in den gleichen Alter wie der Namenlose vor mir waren. Wahrscheinlich seine Freunde, denn sie starrten auffällig zu uns herüber und lachten ihn nun aus. Ich zeigte ihnen meinen schönsten Finger damit auch sie verstanden wie viel ich von ihnen hielt. Der Blonde sah sprachlos auf mich nieder ehe er brutal meinen Oberarm mit seiner Hand zerquetschte. "Au!" Fauchte ich empört auf. Die Wunden einer Walküre heilten schneller als die eines Menschen, trotzdem spürten wie den gleichen Schmerz. "Zier dich nicht so. Du bist doch eh nur eine kleine schlampe." Bedrängte er mich wütend und trat viel zu nah an mich heran. Anscheinend konnte er mit einer Abfuhr nicht besonders gut umgehen. Ich trat ihn gegen sein Knie, was er mit einem lauten Aufschrei realisierte und den Griff um meinen Arm lockerte, rammte meinen Ellbogen in seinem Magen was ihn mit einem "Uff!" auf die Knie sinken ließ. "Fass noch einmal ein Mädchen an, dass das nicht möchte und ich kastrier dich." Fauchte ich ihn wütend an, schnappte mir meinen Korb und ging dann weiter. Als ich vereinzeltes Klatschen hörte, das schnell lauter wurde, drehte ich mich um. Die Leute hinter und zwischen den Ständen lächelten mich an und klatschten begeistert. Ich nickte ihn mit einem leichten Lächeln zu während ich mich innerlich verfluchte. So viel Aufmerksamkeit durfte ich nicht auf mich ziehen.
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#Und, was sagt ihr zu Anja? Sie wirkt ein wenig hitzköpfig oder?PS: Eigentlich wollte ich am Anfang nur einmal die Woche updaten, aber eure Kommentare sind so cool und die Geschichte hat mich selbst gefesselt...
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[01] Traumtänzerin
Hombres LoboAnja ist eine Walküre. Eine der wenigen, die es auf dieser Welt noch gibt. Sie hat eine einzigartige Gabe mit deren Hilfe sie Nachts durch die Träume der Menschen wandelt. Aber eines Nachts erscheint sie in den Träumen von Sebastian. Einem Werwolf...