Ice

1.2K 56 12
                                    

Wochen und Monate vergingen. Ich hatte zwischenzeitlich Geburtstag gehabt und wurde fortan immer mal wieder von verschiedenen jungen Männern, die mir den Hof machten, ausgeführt. Es war merkwürdig. 

Tatsächlich hatte ich etwas von meiner Angst und meiner Scheuheit ablegen können und fühlte mich nicht länger wie eines der Kinder, dass mit den großen Spielen wollte... nachdem, was mit James passiert war. Vielleicht lag es daran, dass nichts schlimmer sein konnte, als dass, was ich bereits getan hatte. Hin und wieder drohten die Erinnerungen mich zu überschwemmen ehe ich sie stoisch tief in meinem inneren verschloss wie in einer kleinen Box. Ich würde die Geschehnisse vergessen, versprach ich mir selbst und konzentrierte mich auf die Gegenwart: Im Großen und Ganzen eine schöne und aufregende Gegenwart mit vielen Verabredungen. 

Die einen gingen mit mir ins Theater, die anderen kamen für einen Spaziergang in den Park. Für einige konnte ich mehr Interesse aufbringen, für andere weniger. Das ein oder andere Mal hatte ich einen der Verehrer geküsst, wobei die Küsse zum Teil durchaus angenehm gewesen waren, doch keiner der Küsse war mir so brennend durch die Venen geströmt wie der Kuss mit James - und das bereitete mir Sorgen.

Manchmal fragte ich mich, ob all das, was wir an jenem Tag getan hatten, wirklich passiert war oder ob es sich dabei nicht um einen verdrehten Traum gehandelt habe. Wann immer ich mich doch mal überwinden konnte und versuchte das Thema mit James anzuschneiden würgte er mich ab. Oder machte mich lächerlich. Oder behauptete steif und fest ich würde mir Dinge zusammen spinnen. Einzig die Blicke, welche ich manchmal auf mir zu spüren meinte (-dunkle Blicke, die James braun-grüne Augen in manchem Licht beinahe schwarz wirken ließen), versicherten mich der Tatsache, das der eine Kuss zwischen uns tatsächlich stattgefunden hatte. Seine Blicke und meine unfreiwilligen Reaktionen auf diese. Ich ignorierte die Schauer, welcher meinen Rücken entlang rauschten.

Also verschloss ich sie wieder, die Box in meinem inneren, an der ich nicht zu rütteln wagte. Nach ein paar Wochen gab ich schließlich auf und entschied, es auf sich beruhen zu lassen. Wo hätte es auch hinführen sollen? 

Mit meinem Blick auf eine Zukunft gerichtet, in der es möglichst weniger James und mehr mein eigenes Leben geben würde, kam es, dass ich insbesondere mit einem Mann mehr Zeit verbrachte. William. 

William, einer junger Mann aus gutem Hause, welcher mir seit ein paar Tagen den Hof machte, setzte mich zu Hause ab. Dies war bereits unsere fünfte Verabredung gewesen, der Frühling war dabei heran zu brechen und ich begann mich in seiner Nähe durchaus sehr wohl zu fühlen. Er war lustig, charmant und seine hellen blonden Locken und sein strahlendes Lächeln brachten mich mehr als einmal dazu, ihm den ein oder anderen Kuss zu gewähren. Die Küsse waren schüchtern, anständig und kurz (-vielleicht beinahe zu kurz). Wann immer er sich vorlehnte kribbelte es in meinem Bauch, auch wenn es mal wieder nicht zu vergleichen war mit den Saltos die James bei mir ausgelöst hatte und bei dessen alleiniger Erinnerung meine Extremitäten zu kribbeln begannen. 

Nachdem mich William in der Tür verabschiedete und sich zu einem Kuss auf meinen Handrücken nach vorne beugte musste ich unwillkürlich kichern. William blickte auf. Überaus förmlich trat er einen Schritt zurück und schaute ergeben zu mir hoch.

"Milady? Darf ich fragen womit ich Sie belustige?", fragte er unschuldig und blickte zu mir auf, wobei das helle blau um seine Iris zu funkeln schien. Ich verdrehte theatralisch die Augen.

"Keine Sorge William, mein Vater ist nicht in der Nähe und unser Butler besorgt gerade die Einkäufe.", ich senkte die Stimme "Wir sind für uns, also verabschiede dich ruhig anständig!"

Mit gespieltem Entsetzen fasste er sich ans Herz. "Solch unanständige Gedanken, so ein zügelloses Verhalten!" Er trat einen Schritt näher und fügte flüsternd mit tiefer Stimme und anzüglich wackelnden Augenbrauen hinzu. "Das gefällt mir!"

Where The Lightning StruckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt