(No) Regrets

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Am nächsten Tag wachte ich mit einem schweren Kopf auf.

Meine Augen waren zu gequollen und sobald ich mich bewegte schoss ein stechender Schmerz in meine Schläfen. Ich hatte mich die Nacht zuvor in den Schlaf geweint und war irgendwann erschöpft, verwirrt und beinahe schon verstört eingeschlafen.

Nun wo ich wieder wach war, brachen die Erinnerungen letzter Nacht über mich hinein und mit ihnen schoss mir mein Blut vor Scham in die Wangen. Verschiedene Bilder von James schossen mir in Sekundenschnelle durch den Kopf wie Donnerschläge. Seine nackten Schultern, seine Brust, seine Beine, sein fester Hintern, die Bauchmuskeln und der mit Haaren bedeckte Pfad hinunter zu seinem...

Doll schlug ich mir mit der festen Hand gegen die Stirn bevor ich den Gedanken zu Ende denken konnte, als könne ich ihn mir dadurch im wahrsten Sinne des Wortes "aus dem Kopf schlagen!"

Als nächstes erinnerte ich mich an seinen durchbohrenden Blick und unsere komische Verbindung und versteifte mich. So schnell ich konnte versteckte ich mich unter den Decken und stöhnte ins Kissen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Hatte ich gedacht mein Gesicht hätte eben schon gebrannt, so stand es jetzt in Flammen. Obwohl ich es nicht wollte brachen die Erinnerungen weiter über mich hinein und obwohl es sich nur um Erinnerungen handelte konnte ich beinahe erneut seine Hände an mir spüren. Was hatte er nur getan? Das konnte doch alles eigentlich nur ein Traum gewesen sein...

Vorsichtig reckte ich den Kopf ein wenig um über den Deckenhaufen schauen zu können. Auf dem Stuhl neben der Tür lagen noch meine Korsage und mein Überkleid, wo ich sie gestern Abend hastig hingeworfen hatte, anstatt sie wie sonst geordnet wegzuräumen.

Mist.

Kein Traum.

Wie um alles in der Welt sollte ich ihm nur jemals wieder unter die Augen treten, nach allem was passiert war? Bei dem Gedanken daran überkam mich ein Schauer. Ich wollte lieber nicht darüber nachdenken ob das jetzt ein angewiderter oder wohliger Schauer war. Ganz vorsichtig setzte ich mich auf und betrachtete meine Erscheinung im Spiegel auf dem gegenüberliegenden Tisch mit meinen Duftwässerchen und meiner Haarbürste. Es war deutlich zu erkennen, dass ich keine erholsame Nacht hinter mir hatte. Meine Haare standen in alle Richtungen und hatten sich stark verknotet sodass sie Ähnlichkeit mit einem Vogelnest hatten. Mein Gesicht war verquollen und mein Hemd hatte sich zerknittert und wirr mehrfach um meinen Körper geschlungen und war an manchen stellen verrutscht und zerrissen. Zerissen?!

Überrascht schaute ich an mir herunter und tatsächlich hing einer der Ärmel etwas lose herunter. Was in Dreiteufelsnamen...Durch den lockeren halt meines Ärmels rutschte mir nun auch mein Träger von der Schulter. Dadurch wurde der Blick auf meine Haut darunter freigelegt und rötlich-blaue Knutschflecken auf der zarten Haut meiner Brust wurden deutlich.

Erschrocken sog ich die Luft ein.

Das konnte nicht möglich sein. Das durfte nicht möglich sein. Panisch klopfte ich an mir herab und schaute mir die gerötete Stelle genauer an. Das waren ganz eindeutig Zähne die sich an dem Rand der Rötungen erkennen ließen. Für eine Sekunde schaute ich geschockt mein Spiegelbild an. Einfach nur reglos und starr, als könnte ich so die Welt am drehen hindern.

Und dann erwachte ich aus meiner Starre und mein Gehirn fand wieder einen Weg zu arbeiten. Das war nicht ich. Nicht mein Verschulden. Würde ich deswegen also klein beigeben und mich in meinem Zimmer verstecken, während James weiter durch die Welt ziehen und seinen Schaden anrichten konnte? Würde ich ihn gewinnen lassen, so wie er sich gestern als Gewinner gegeben hatte? Ganz bestimmt nicht.

Energisch lief ich zum Schrank und riss die Tür auf, schwungvoller als notwendig. Ohne genau zu gucken wonach ich griff und was ich brauchte, riss ich verschiedene Teile für mein Outfit aus dem Schrank, während ich mir mit der anderen Hand die Haare vorübergehend hochsteckte. 

Es tat gut mich mit vollstem Tatendrang in etwas zu stürzen nur um nicht länger schockiert vor meinem Spiegel sitzen zu müssen und die Beweise meines Kontrollverlusts in Form bläulicher Schattierungen auf meiner Haut zu sehen. Der Tatendrang ließ meine Gedanken verstummen. 

Schneller als jemals zuvor war ich angezogen und betrachtete mich im Spiegel. Das Spiel konnte man auch zu Zweit spielen. Anstatt mich Gedemütigt oder Verlegen zu geben und mich zu verstecken hatte ich ein beinahe schon unzüchtiges, rief ausgeschnittenen Kleid gewählt. Eigentlich hatte ich es bereits im letzten Herbst aus dem Schrank sortiert haben, da es zu klein geworden war, aber ganz offensichtlich war es dazu nicht gekommen.

Alles war gedrückt, gequetscht und dadurch überraschend betont. Im Anschluss suchte ich mir ein paar Haarnadeln, nur um in letztes Sekunde meine Meinung zu ändern. Ich hatte endgültig genug mich den Konventionen der Gesellschaft zu beugen. Es ziehmte sich nicht, als Frau eines besseren Standes das Haar offen zu tragen? Und wenn schon, ich war zu Hause und ich hatte es satt mich in Korsagen und Regeln zwängen zu müssen und mich der anzupassen. Statt also die Haarnadeln in komplizierten Mustern ins Haar zu stecken griff ich lieber beherzt zu meinem Puder, legte eine Schicht auf, welche sich wie ein Maske über meine Züge und kontrollierte zuletzt noch einmal alles mit einem letzten Blick. Dann verließ ich das Zimmer.

Auf, sich in den Kampf zu stürzen.

Where The Lightning StruckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt