(No) Choice

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Im Haus gab angekommen gab Brace sich beschäftigt, doch mir war bewusst, dass er unser Verhalten genau beäugte und uns draußen auf der Straße solange wir im Sichtfeld gewesen waren, beobachtet hatte. Ihn verriet seine abschätzend hochgezogene Augenbraue, mit welcher er mich beim Eintreten bedachte. Ich war angespannt, nervös und am Frieren und unter diesen Umständen versucht ihm einen schnippischen Kommentar dafür entgegen zu werfen, doch hielt ich mich zurück.

Er war für mich in vielen Punkten wie ein Vater gewesen, war mein tatsächlicher Vater doch eigentlich die meiste Zeit für die East Indian Company unterwegs gewesen.

Anstatt ihn also zurecht zuweisen, spiegelte ich lediglich seinen Gesichtsausdruck und entlockte ihm damit ein widerwilliges schmunzeln. Dann begab ich mich schnell an ihm vorbei die Treppe hinaus nach oben und schälte mich dankbar aus meiner Kleidung um mich wärmer und passender zu Kleiden. Mein Ego kämpfte mit meiner Furcht um die Entscheidung meine Haare hochzustecken. Ich hatte eigentlich keine Lust und keine Zeit meine Haare einer aufwendigen Prozedur zu unterziehen und hochzustecken, war ich doch in ein paar Minuten bereits mit James verabredet. Doch das vorangegangene Missverständnis mit der Gruppe Männern ängstigte mich.

Hin und her gerissen drehte ich mich vor dem Spiegel und schaute mir meine Haare an, wie sie mir in sanften Wellen knapp über die Schultern fielen.

Einem Geistesblitz folgend sprang ich auf und huschte über den Flur in James Zimmer. Ich wollt eine Mütze suchen unter der sich mein Haar verstecken ließe, sodass ich meine kleine Rebellion mit den offenen Haaren nicht aufzugeben brauchte.

Doch im Türrahmen blieb ich wie von Donner gerührt stehen, als die Erinnerungen wieder über mich hinweg spülten und mich kurzatmig und aufgewühlt zurück ließen. Sein Duft hing noch in der Luft und verwirrte weiter meine Sinne, sodass ich ärgerlich ein paar mal den Kopf schüttelte um meine Gedanken wieder sortieren zu können und die aufsteigende Hitze aus meinen Venen zu vertreiben. Auf leisen Sohlen schlich ich ins Zimmer, nicht ohne mich über mich selber zu Urteilen. Was tat ich hier bloß. Nicht nur in seinem Zimmer, sondern in dieser ganze Situation. Seine Worte von der Straße kamen mir wieder in den Sinn und runzelte die Stirn.

Wäre es nicht schlauer einfach umzudrehen?

Der Gedanke erschreckte mich und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Konnte ich noch einen anderen Weg einschlagen? War es überhaupt meine Entscheidung?

Mein Blick fiel auf die zerwühlten Laken auf seinem Bett und kriechende Eifersucht machte sich in mir breit. Und da hätte ich die Antwort auf die Frage. Nein. Es war keine Option und auch nicht länger meine Entscheidung, Zähneknirschend wandte ich mich ab und legte mich auf den harten Holzdielenboden um einen Blick unter sein Bett werfen zu können. Als sich dort auch keine Mütze auffinden ließ atmete ich frustriert schnaubend aus und setze mich an seinen Schreibtisch.

Gedankenverloren strich ich mit meiner Hand ein paar seiner Zeichnungen auseinander und bewunderte dabei James Auge fürs Detail. Dann und wann stolperte ich über Symbole und Figuren, welche ich bisher nur im Naturkundemuseums gesehen hatte. Dunkel erinnerte ich mich an einen Ausflug mit meiner Erzieherin im Rahmen meiner schulischen Ausbildung, bei dem sie die Zeichen im Museum mit den "Wilden" in Amerika in Zusammenhang gebracht hatte. Ich war gerade dabei mich Neugierig durch weitere seiner Zeichnungen zu wühlen und eine verschlossene Schublade an James Schreibtisch zu entdecken, als ich durch Braces schwere Fußstapfen auf der Treppe aufgeschreckt wurde. Schnell schob ich alles zusammen und trat auf den Flur. Kaum hatte ich James Raum verlassen, bog auch schon Brace um die Ecke, seine Augen mir skeptisch zugewandt.

"Fräulein Zilpha, da ist ein junger Herr, ein gewisser Mr. Tades an der Tür der Sie zu sprechen gedenkt."

Das Ende des Satzes hatte Brace in der Luft hängen lassen und auch seine Miene sprach Bände. Was er eigentlich gemeint hatte war: Zilpha, da ist schon wieder ein Mann an der Tür, sehen Sie zu dass Sie ihre Affairen in Order bekommen, bevor Sie sich oder der Familie durch einen schlechten Ruf schaden.

Mit Mühe unterdrückte ich es, die Augen zu verdrehen und über den Schock seiner Ankündigung die Haltung zu bewahren. So schnell wie möglich, aber nicht schneller als es der Anstand gestattete huschte ich die Treppen hinunter an ihm vorbei, erleichtert ihn zu passieren und mich abwenden zu können.

In meinem Inneren herrschte Aufruhr. William hatte ich komplett vergessen, dabei war es erst gestern gewesen das wir uns verabredet hatten. Wie viel sich doch in ein paar Stunden ändern konnte.

Unten an der Treppe angekommen, stand ich William der mit zerknirschtem Grinsen im Türrahmen stehen geblieben war, gegenüber. In seinen Händen hielt er seinen Zylinder, welchen er am Rand mit seinen feingliedrigen Fingern nervös knetete. Als er mich erblickte, huschte sein Blick zu meinen offenen Haaren und seine Augen weiteten sich ein wenig, sein Lächeln wurde breiter und ein Leuchten trat in sein Gesicht.

Seine gute Laune war ansteckend und ich konnte nicht anders als zurück zu lächeln. Er war mir während unserer letzten Verabredungen wirklich ans Herz gewachsen, fiel mir überrascht auf.

"Guten Tag Zilpha," begann er, seine Wangen von einem leichten rot gezeichnet. Etwas kurzatmig schaute er sich in unser Haus blickend um und strich sich im Anschluss mit der Hand über den Nacken. Sein unsicheres Auftreten war herzerwärmend und ich trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. "Ist dein Bruder gerade zu Hause?"

Puff.

Und da ging jegliche Sympathie die ich gegenüber William noch vor einer Sekunde empfunden hatte flöten und mein Herz begann wieder zu rasen. Die bloße Erwähnung von James und ich verlor die Kontrolle über meinen Körper und meine Gedanken wurden beherrscht von seinem Wesen.

William deutete meine weitaufgerissenen Augen und meine Kurzatmigkeit falsch, als ich ein schnaubendes "Nein!" hervor brachte und er trat ins Haus ein und hielt mich an den Schultern.

"Du brauchst dir keine Sorgen seinetwegen zu machen. Ich bin sicher, sobald er sich erst einmal für mich erwärmt hat, werden er und ich gut miteinander auskommen. Ich bin Sicher die Gerüchte um seine Person sind frei erfunden, auch wenn ich nach dem Zusammenstoß mit ihm gestern Abend den Ursprung der Gesänge nachempfinden kann."

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Mir war Bewusst gewesen das sich James einen Raufbold als Schläger über die Jahre gesichert hatte, aber das es Gesänge über ihn gab war mir neu.

Where The Lightning StruckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt