William knirschte widerwillig mit den Zähnen ehe er mit einem Seufzen meinem flehendem Blick nachgab.
"Ich weiß nichts genaues, doch ich habe einen Zeitungsjungen bei der Erwähnung von James Namen erschrocken aufspringen und "James Delaney steht im Bunde mit dem Teufel" schreiend weglaufen sehen." Behutsam legte William eine Hand auf meine Wange, als wolle er mich trösten oder schützen. Doch auch Furcht zeichnete sich in seinen Augen ab.
Ich blinzelte zweimal ehe ich mein Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. Irritiert und vor den Kopf gestoßen durch meine Reaktion trat William einen Schritt zurück. Ich versuchte mich erschüttert oder verängstigt zu geben, doch die Vorstellung war mir einfach zu absurd.
"Glaube mir William, an James würde sich selbst der Teufel noch die Zähne ausbeißen, so stur wie der ist", rutschte es mir raus, ehe ich mich zurück halten konnte. William beäugte mich skeptisch, als wollte er meinen geistigen Gesundheitsstatus einschätzen wollen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl so etwas wie Abscheu in seinem Blick zu vernehmen.
"Du scheinst ihn ja gut zu kennen, deinen Bruder..." , äußerte er sich.
Ich versuchte meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bekommen und möglichst teilnahmslos zu antworten.
"So gut man seine Geschwister nun einmal kennt. Oder Halbgeschwister. Obwohl wir ja noch nicht so lange zusammen unter einem Dach leben..." begann ich zu brabbeln und immer schneller zu reden, also stoppte ich mich lieber. William musterte mich, die Augenbrauen in Gedanken zusammen gezogen.
"Hmm, mag schon sein..." Dann schwieg er. Eine unangenehme Stille machte sich zwischen uns breit, sodass der donnernde Glockenschlag der großen Stehuhr auf dem Flur uns beide zusammenzucken ließ. Ich schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn und fluchte, als mir plötzlich der Grund für meine Eile wieder einfiel. William grinste über mein wenig damenhaftes Verhalten. "Etwas vergessen?", schmunzelte er.
Ich strich mir eine verwirrte Haarsträhne aus der Stirn und zog mir einen Mantel über. Dabei nutze ich die Gelegenheit mich von William abwenden zu können um mein Gesicht wieder unter Kontrolle bekommen zu können. Mir kam ein Idee.
"Ich komme zu spät zu einer Verabredung", setzte ich an. Dabei wickelte ich meine Haare bedächtig in einen Schal, sodass das Fehlen einer Frisur nicht weiter auffallen würde. "Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich ein Stück des Weges zu begleiten?"
Williams misstrauisches Gesicht taute ein wenig auf. Ich fühlte mich beinahe schlecht, seine Zuneigung mir gegenüber so auszunutzen, doch andererseits hatte auch ich ihn eigentlich wirklich gern, weshalb mein schlechtes Gewissen sich in Grenzen hielt und sich zugleich verdoppelte. Wie so oft regnete es mal wieder in London und sobald wir nach draußen traten, umschloss uns ein kaltes, ungemütliches Wetter und ließ mich frösteln.
"Nicht unbedingt geeignetes Wetter für einen Spaziergang", stimmte William mir zu und zauberte scheinbar aus dem Nichts einen Regenschirm und spannte ihn über uns auf.
"Besser", stieß ich erleichtert aus und atmete auf, während ich unter den Schirm näher an ihn heran trat.
William brüstete sich mit dem Kompliment und grinste zu mir hinunter ehe er mir verschwörerisch zuzwinkerte "Für Milady nur das Beste!"
In diesem Moment konnte ich sehen, wie einfach mein Leben sein könnte. William behandelte mich mit Respekt, war gutaussehend und genoss ein hohes Ansehen in unserer Gesellschaft. Er würde eines Tages in das Schifffahrtgeschäft seiner Familie einsteigen und wir könnten wunderhübsche Kinder bekommen. Vielleicht mit meinen braunen Augen und seinen blonden Haaren.Mit all meiner Konzentration schaute ich ihn mir genaustens an und versuchte mich dazu zu zwingen mich in ihn zu verlieben. Es trat definitiv ein leichtes Kribbeln im Bauch ein, insbesondere da William nun auf meinen Blick reagierte und durch seine hypnotisierenden blauen Augen zurück schaute, doch er entfachte einfach nicht das brennende und alles versenkende Feuer, das James entfacht hatte.
"Alles okay?" William beobachtete mich.
"Huh?!"
"Ihr machst wieder dieses Gesicht!" stellte er fest und runzelte die Stirn. Als ich noch immer nicht reagierte zeigte er mit seinem Finger auf sein eigenes Gesicht. "Worüber zerbrecht Ihr euch den Kopf?"
Wieso kannte er mich so gut? War ich etwa so leicht zu lesen?
"Und jetzt seid Ihr eingeschnappt!" seufzte er.
Allem Anschein nach ja.
"Wie macht Ihr das?" fragte ich gerade heraus.
Mittlerweile hatte sich der Nieselregen geradezu in einen vom Himmel herunter brechenden Sturzbach gewandelt, sodass wir unter dem Regenschirm umhüllt waren, wie durch einen Regenvorhang. Dabei prasselte das Wasser so laut auf uns nieder, das ich lauter sprechen musste, damit William mich weiterhin verstehen konnte.
William runzelte die Stirn. "Wie mache ich was?"
"Mich so gut verstehen und lesen können. Es sei alles wüsstet Ihr immer was ich denke!"
Zu unseren Füßen hatten sich Pfützen gebildet und alle paar Schritte passierte es, das ich in eine hinein trat, da mittlerweile auch die Sicht bis auf ein paar Meter eingeschränkt war. Meine Füße waren dementsprechend nass, mir war kalt und auch mein Rock hatte sich am Saum mit Wasser vollgesogen und hing nun besonders schwer an mir. Dann und wann fegte dazu noch eine Windböe unter den Schirm, trug eine Brise Regen in mein Gesicht und verwehte mir die Haare. Entnervt pustete ich eine verwirrte Strähne wieder nach hinten und schaute, an der Antwort interessiert, in William Gesicht. Dieser schaute mit einem sanften Lächeln zu mir hinunter und strich mir die eben diese Strähne hinters Ohr. Als er dann anfing zu sprechen, wand er sich wieder nach vorn, sodass ich mich ganz besonders konzentrieren musste um ihn zu verstehen. Der Wind pfiff uns dabei erschwerend um die Ohren und William sprach mehr zu sich selbst als zu mir.
"Ich höre eben auf Ihre Worte oder lese Ihre Gefühl aus Ihren Augen. Wann immer ich in Ihre Augen sehe, habe ich das Gefühl in Ihre Seele gucken zu können. So gütig und doch voller Energie und Kraft."
Überrascht über seine Antwort hielt ich ihn am Arm fest und forderte ihn so zum Stehen. "Das sehen Sie?", fragte ich geschmeichelt.
"Wie könnte ich denn nicht, es ist bemerkenswert!" Williams Augen schienen zu leuchten und erneut legte er mir eine Hand auf die Wange. Sie war kühl auf meinem erhitzen Gesicht. "Glauben Sie mir Zilpha, ich könnte eine Lebzeit damit verbringen in Ihr Gesicht zu schauen und hätte noch immer nicht genug davon, aus Ihnen schlau zu werden.
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Where The Lightning Struck
Historical Fiction🌶Dark Romance Taboo-History🌶 James und Zilpha Delaney, Halbgeschwister väterlicherseits wider Willen, wachsen seit einigen Jahren gemeinsam im Haus des Vaters im Jahre 1804 in London auf. Mit fortschreitendem Alter und entgegen jeglicher Vernunft...