Das Ritual

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Der Tempel sah nicht mehr aus wie das Gebäude, dass er jeden Sonntag betreten musste und in den letzten Wochen kennengelernt hatte. Der Boden war in der Mitte vollständig verschwunden, den Rändern des Loches nach war eine darunter liegende Höhle eingebrochen. Die Statuen und Säulen lagen zerbrochen herum und alles schien, als wären es alles Schäden durch den Höhleneinbruch.

Doch dies war keine normale Schule und hier würde niemals unbemerkt eine Höhle einsturzgefährdet sein, ohne dass es ein Erdelementarer es bemerken würde. Dieses Loch war ganz sicher nicht durch einen Zufall entstanden.

Dazu kam noch das der Tempel trotz allem nicht leer war, sondern sogar einige darin waren. Die meisten standen entlang der Wand und hielten sich scheinbar möglichst weit zurück, doch acht Personen waren in nächster Nähe zu dem Loch. Eine Person schwebte darüber, sodass Sylex annahm, dass es sich um einen Luftelementaren handelte, sechs andere standen direkt an den Rändern und murmelten irgendetwas vor sich hin, und einer stand ein paar Schritte von dem Loch weg, aber immer noch deutlich näher als alle anderen im Raum.

Die seltsame Sogwirkung schien von dem Loch auszugehen, vielleicht auch von den Personen oder dem Gemurmel, dass etwas von einem Ritual hatte. Wenn er es sich Recht überlegte, die ganze Anordnung wirkte wie irgendeine seltsame Form eines Rituales.

Langsam aber sicher wurde das Gemurmel der Personen lauter und nun konnte Sylex auch hören, was sie sagten, doch verstehen tat er es nicht. Die Sprache klang in seinen Ohren unbekannt und sehr melodisch. Sie schien ihn zu rufen, ihn dazu aufzufordern die Worte zu wiederholen.

Sylex biss sich auf die Zunge um ja keinen Ton von sich zu geben, denn noch schien ihn niemand bemerkt zu haben und er war sich nicht sicher, ob er bemerkt werden wollte. Dieses Ritual wirkte in seinen Augen so seltsam, dass er weder eine Ahnung hatte, für was es vielleicht gut sein könnte, noch ob er daran teilnehmen wollte.

Die Personen im Tempel schienen keine Bedenken zu haben, denn sie stimmten in das Gemurmel mit ein und es gewann an Kraft und an Anziehungskraft. Um die Personen an dem Loch schien die Dunkelheit zu pulsieren und Sylex konnte nicht mehr erspüren, was dort vor sich ging. Es schein sich zu verdichten und im nächsten Moment musste er geblendet die Augen schließen, als ein helles Licht den Tempel füllte.

Ob die im Inneren darauf vorbereitet waren oder nicht oder ob sie alles nicht wie er wahrgenommen hatten, wusste Sylex nicht, aber sie schien das Licht nicht zu beeinflussen. Sie rezitierten weiter kraftvoll und laut die sich ständig wiederholenden Sätze, die auch auf Sylex Zunge lagen, doch er weigerte sich, den Mund zu öffnen und sie auszusprechen.

Dafür schirmte er seine Augen mit einer Hand ab und sah in den wieder Tempel hinein. Um die sechs Personen, die den Kreis in der Mitte bildeten, pulsierte Licht und das so hell, dass man nicht direkt zu ihnen schauen konnte. Sylex kniff die Augen zusammen und vernahm ein Flackern des Lichtes.

Nun war es möglich zu ihnen zu schauen und dem Beobachter klappte beinahe der Mund auf, doch er presste seine Lippen noch zu einem festen Strich zusammen. Dicke, pulsierende Stränge aus Licht verbanden die sechs miteinander und bildeten so einen leuchtenden Kreis.

Nur was war das für ein Licht? Sylex hatte nie etwas vergleichbares gesehen. Es erschien in kühlem eisblau und strahlenden weiß und schien zu leben. Das Pulsieren kam nicht von den Personen sondern von dem Licht selbst, das noch dazu eine unglaublich gutes Gefühl auszusenden schien. Als er verstand, was er da gerade sah, konnte er nicht mehr verhindern, dass sein Mund auffiel.

Es war Macht, das Licht war das pure Leben, das nach den Lehren der Priester die größte Macht hatte. Wenn man die Macht, die seine eigene Lebensenergie einem gab, beherrschen konnte, dann war man göttlich. Dann musste man schon der Lieblingsschützling eines Gottes sein, denn dann war man unbesiegbar. Zumindest lehrten die Priester dies.

Sylex hatte nie gewusst, ob er das glauben konnte, doch jetzt, wo er diese pulsierenden Stränge selbst sah, da musste er das glauben. Sie schienen so übermächtig und ihre Anziehungskraft war größer als alles, was er bis dahin gesehen hatte. Als er bemerkte, dass auch aus seinem Mund die ihm unbekannten Worte entflohen, noch schwach und ohne Kraft, schloss er diesen schnell wieder.

Er wollte nicht in dieses Ritual hineingezogen werden, nicht dass er dann noch irgendwelche Verpflichtungen hatte, von denen er nichts wusste und die er nicht erfülle wollte. Da ließ er lieber Vorsicht als Nachsicht walten.

Der Sprechchor schwoll erneut an und die Welle der Macht, die nun in kurzen Abständen ausgestrahlt wurde, könnte Sylex spüren. Sie waren wie ein Nachhause kommen, wie die warmen Arme von Geliebten. Sie fühlte sich einfach richtig an, als würde sie einen schützen, als könnte kein Unglück dieser Welt ihm nun etwas anhaben.

Im nächsten Moment schossen Strahlen der Macht von jedem der sechs auf die schwebende Person zu, trafen sie in der Brust und im ersten Augenblick dachte Sylex, diese Person sollte geopfert werden. Er war nur Bruchteile davon entfernt, die Tür aufzuschlagen und hineinzustürmen, versuchend die Person zu retten, als diese von der Macht wie von einem Kokon eingehüllt wurde.

Der Kokon wuchs, wurde größer und dichter, während der Sprechchor drängender, manischer wurde, bis zwei dichte Machtsäulen von dem Kokon ausgingen. Eine nach unten in das Loch, eine nach oben zu dem Rauchdiamant, den er so bewundert hatte, als er den Tempel das erste Mal betreten hatte.

Der Kokon dünnte sich mehr und mehr aus, dafür bildete sich eine Gestalt aus der Macht, die größer und immer detailreicher wurde. Aus dem Loch flogen irgendwelche Teile, die sich mit einer Geschwindigkeit in der Macht ausbreiteten, dass man sie nicht genau sehen konnten.

Während die Macht immer dichter und dadurch heller und heller wurde, blieb aus der Sprechchor laut, mächtig und mitreißend, auch wenn Sylex noch immer mit aller Macht dagegen ankämpfte. Ein Knirschen, das von einem lauten Knacken gefolgt wurde, hallte durch den Tempel und in derselben Sekunde, in der der Sprechchor verstummte, breitete sich eine Machtwelle aus, die alle von den Beinen riss.

Sylex wurde nach hinten geschleudert und riss die Arme vors Gesicht, denn um ihn herum flogen Trümmerteile des Tempels. Hart kam er auf dem Boden auf und schaffte es von keinem der Teile getroffen zu werden. Als er sich aufsetzte und zu der Quelle der Macht sah, musste er sich mit beiden Armen abstützen, sonst wäre er wieder nach hinten umgefallen, der er war gefährlich nah an einer Ohnmacht.

Gegen den DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt