Bitte zum Tee

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Es klopfte und Sylex, der auf seinem Bett gelegen hatte, hob den Kopf. „Ja?" Die Tür öffnete sich und ein junger Mann sah herein. „Du bist Sylex, oder?" Sylex verdrehte die Augen. Es wäre ja nicht so, als würde sein Name zum Spaß an der Tür stehen, nickte dann aber.

Darauf schien der andere gewartet zu haben, denn nun kam er ganz ins Zimmer. Sylex wunderte sich, was der andere von ihm wollte. Er schätzte ihn auf gleichaltrig, also 19. In den Händen hielt er ein Stapel grauen Stoff und unwillkürlich fragte sich Sylex, was es war.

„Ich bin Jake. Drew hat mich gebeten erst mal dein Ansprechpartner zu sein, wenn du willst. Sie glaubt, dass es einfacher ist zu fragen, wenn der andere dasselbe Altert und Geschlecht hat wie man selbst." erklärte der andere glücklich lächelnd. Sylex hob zweifelnd eine Augenbraue. Ihm erschien der andere ungesund aufgedreht und er wusste sofort, er würde eher Drew fragen als Jake.

„Ich soll dir auch so ein paar Regeln erklären. Erstmal ist es egal, was du trägst, nur die Weste in der Hausfarbe ist Pflicht. Zweitens, was auch immer du tust, du erhältst deine Strafe von Drew und je schlechter du dich verhältst, umso mehr Stress hat sie." Jake lächelte leidend und Sylex schloss schadenfroh, dass er schon häufiger von Drew bestraft werden musste.

„Es sich mit Drew zu verscherzen ist doof. Drittens, wir wissen noch nicht, in welchen Unterricht du kommst, daher haben wir deinen Stundenplan noch nicht. Viertens, der Tempel ist immer offen und für alle zugänglich, Sonntags ist es Pflicht einmal hinzugehen." erklärte er weiter und Sylex verdrehte innerlich die Augen.

Er hatte keine Lust jeden Sonntag im Tempel aufzukreuzen und dort Zeit tot zu schlagen, aber er hatte das Gefühl, dass er es besser tat, denn mit Drew wollte er nicht aneinander geraten. Was ihn auch viel mehr störte, war der Fakt, dass noch niemand wusste mit wem er Unterricht haben würde. Nun hatte er wieder die Hoffnung, die er eigentlich schon lange aufgegeben hatte, dass er nicht mit den Vierzehnjährigen lernen musste.

„Ich habe dir hier deine Westen mitgebracht und soll dich fragen, ob du mit zum Tee kommen willst." erinnerte Jake daran, dass er noch immer im Zimmer war und hob die Arme, in denen er noch immer den Stoff, seine Westen, hielt. „Leg sie einfach auf den Tisch." meinte Sylex und stand auf. Er holte ein weißes Shirt aus seinem Schrank, zog es sich an und dann eine der Weste darüber.

Als er für einen Moment oberkörperfrei da stand, hörte er wie Jake hinter ihm die Luft einzog und leise „heiß" flüsterte. Er fand es interessant, dass Jake schwul war und merkte es sich, ließ sich aber nichts anmelden. Stören tat es ihn nicht, in seiner Meinung war Liebe immer gleich, ganz gleich wem man sie auf welcher Weise entgegen brachte.

Er öffnete die Zimmertür und warf Jake einen abwartenden Blick zu. Dieser starrte ihn noch immer an, fing sich dann aber wieder, schüttelte kurz den Kopf und ging dann an Sylex vorbei. Dieser schloss die Zimmertür und ging hinter dem anderen her, der ihm fröhlich etwas erzählte. Sylex hörte ihm nicht zu und versuchte ihn einfach nur auszublenden.

„Da wären wir. Hier treffen wir uns zum Tee, wenn wir uns denn hier treffen." Jake öffnete die Tür und Sylex sah sich um. Es war der Raum, zudem der große Balkon gehörte. Die Türen zu diesem waren geöffnet und sowohl im Raum als auch auf dem Balkon standen filigrane Tische.

Es waren einige hier, vor allem Ältere und vor jedem von diesem stand eine edle Tasse und auf jedem der runden Tische eine Kanne. Sylex sah sich um und entdeckte Drew, die alleine an einem der kleinen Tische auf dem Balkon saß. Zielstrebig ging er auf sie zu und blieb an dem Tisch stehen. Drew sah auf und lächelte.

„Setz dich doch." Elegant deutet sie auf einen freien Stuhl. Sylex setzte sich und Drew stellte ihm mit einer Handbewegung frei sich Tee und Kekse aus der flachen, kristallenen Schale neben der Teekanne zu nehmen. Zunächst roch er an dem Tee, der für ihn, der selten Tee trank, erstaunlich gut roch, und beschloss ihn dann zu probieren, auch wenn er Tee eigentlich eben nicht mochte.

Als er einen Schluck nahm, stellte er überrascht fest, dass der Tee genauso gut schmeckte wie er roch. „Drew!" Der kindliche Ruf kam überraschend von unten und Drew stand einfach auf und ging die zwei Schritte zum Balkongeländer, über das sie sich leicht lehnte. „Machst du uns bitte einen Ball? Bitte, bitte." Sylex runzelte die Stirn, da für ihn die Bitte mehr als seltsam klang.

Drew allerdings lächelte nur und formte mit den Händen einen Ball aus Dunkelheit, die sie einfach aus dem Nichts ergriff, und warf ihn zu den Jüngeren aus dem Haus, die Sylex sah, als er sich etwas Richtung des Geländers lehnte. Sie waren auf der Wiese vor dem Haus und spielten dort irgendwas. Ein paar Momente lehnte sich Drew an das Geländer und beobachtete die Jüngeren, bevor sie sich wieder setzte. „Was ist das für Tee? Der ist lecker." „Lotushonig." kam die knappe, aber freundliche Antwort.

Sylex betrachtete Drew und stellte fest, dass sein Hausvorstand eine wahre Schönheit war. Lange, dunkelrote Haare, dunkelrote, volle Lippen, mysteriöse schwarze Augen, edle, helle Haut. Ihre Bewegungen und ihre Haltung erinnerte ihn an seine kindliche Vorstellung von einer Prinzessin oder einer hohen Tochter. Ihre Ausstrahlung war aber die von einer erfahrenen Kriegerin, die eher sterben würde als aufgeben.

Drew schien die Musterung zu bemerken und es schien sie zu amüsieren und Sylex sah ertappt auf seine Tasse, die er mit beiden Händen umklammert hielt. Es machte ihn nervöse, vor allem auch, dass Drew überhaupt nichts dazu sagte. „Wie wird das hier ablaufen?" fragte er um das Thema zu wechseln, auch wenn er das Schweigen in Drews Gesellschaft irgendwie auch als angenehm empfunden hatte.

Drew trank einen Schluck, bevor sie die Tasse wieder abstellte. „Es unterscheidet sich hier nicht so sehr von normalen Schulen. Wir haben einen relativ normalen Stundenplan, nur eben zusätzlich elementar Unterricht." Sie lächelte und nahm sich erneut ihre Tasse. Sylex bewunderte ihre Eleganz und dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. Obwohl er es nicht gedacht hatte, ihm gefiel es hier auf der Schule, auch wenn immer alle sagten, dass es die größte Strafe war an eine solche gehen zu müssen.

Hier waren alle höflich zueinander, es wurde niemand gemobbt und schon gar nicht dafür, dass man still oder lieber alleine war. Alle sagten immer die Schulen wären so streng, aber es gab ja nicht mal eine wirkliche Schuluniform. Drew faszinierte ihn und auch die anderen Hausvorstände hatten sein Interesse geweckt.

Gegen den DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt