10. Erkenntnis

2.4K 44 2
                                    

Niklas lief und lief, immer weiter und weiter, ohne Pause. Das Laufen tat ihm so gut. Es war herrlich an der frischen Luft zu sein. Er schaffte es dabei auch endlich den Kopf freizubekommen und einfach einmal über gar nichts nachzudenken. Nach einer Stunde war er total ausgepowert, so dass er sich auf eine Bank am Flussufer setzte, um sich dort etwas auszuruhen. Gierig trank er aus seiner Wasserflasche. Es war wirklich nett von Julia, dass sie ihm jetzt das Laufen ermöglicht hatte. Sie schien gespürt zu haben, dass er gerade das, jetzt unbedingt brauchte. Niklas war froh, dass Julia nicht weiter nachgebohrt hatte, um genau zu erfahren, was denn heute mit ihm los war.
Sein Blick glitt den Fluss entlang. Er konnte aber gerade die ganze Schönheit der Natur,  die ihn umgab, nicht richtig wahrnehmen. „Julia", dachte er, wie kam sie eigentlich dazu, sich so um Max zu kümmern und damit indirekt auch um ihn? Hatte Julia sich Sorgen um ihn gemacht? Auf einmal schien etwas in ihm zu zerbrechen und er konnte es zulassen, über Julia nachzudenken. Seit ihrer Aussprache damals, hatte er es sich selbst strikt verboten, sich Gedanken über Julia zu machen. Er merkte, dass er sich damit nur selbst hatte schützen wollen. Er dachte an die kurze, schöne Zeit mit Julia, als er wie verrückt in sie verliebt war. Dann musste er an den Moment denken, in dem er erkannt hatte, dass sie bei Eric bleiben würde. Genauso erinnerte er sich an den Moment, als er sie dabei beobachtete wie sie Eric küsste. Niklas merkte, wie sehr ihn die Erinnerung an diese Begebenheiten schmerzten. Es überraschte ihn sehr, dass er nach dieser langen Zeit noch so verletzt war.
Auf einmal war er sich doch nicht mehr so sicher, dass er über Julia ganz hinweg war und er alles abgehakt hatte. Was, wenn Eva mit ihrer Behauptung, dass er Julia noch liebte doch nicht ganz im Unrecht war? Sonst würde er doch nicht mehr so unter diesen Erinnerungen leiden. Hatte er sich wirklich die ganze Zeit etwas vorgemacht und alle Gefühle unterdrückt, nur um nicht nochmal so verletzt zu werden? Er sass auf dieser Bank, den nach unten gebeugten Kopf, in seine Hände gestützt und dachte über Julia nach. Warum hatte er sich damals in sie verliebt? Was hatte ihm an ihr so besonders gefallen und wie war das jetzt? Umso mehr er über Julia nachdachte, desto mehr schmerzte ihn die Tatsache, dass sie ihn damals nicht gewollt hatte. Es liefen ihm Tränen übers Gesicht und es war ihm egal, er liess sie einfach auf den Boden tropfen. Er hatte sich nie eingestanden, wie enttäuscht er damals war, dass sie sich gegen ihn entschieden hatte, wie sehr sein Selbstbewusstsein und sein Stolz darunter eigentlich gelitten hatten. Er hatte den Starken, Verständnisvollen gespielt, der damit locker klarkommt und hatte einfach alles verdrängt. Und jetzt kam Eva daher, riss einfach an seiner Fassade und alle Gefühle kamen wieder hoch. Niklas fuhr sich mit der Hand über die Augen und wischte die Tränen weg. Diese unterdrückten Gefühle für Julia, die sich auf einmal alle wieder über ihn ergossen, wie, wenn ihm jemand einen Einer Wasser über den Kopf leeren würde, überforderten ihn total. Was sollte ihm denn diese Einsicht jetzt bringen, ausser Schmerzen und Traurigkeit. Er hatte doch mit dieser Fassade ganz gut gelebt und er hätte auch so weiterleben können. Eva dachte, dass es so einfach wäre und er bloss mit Julia zu sprechen brauchte. Sie hatte doch keine Ahnung! Niklas merkte wie er bei der Vorstellung Julia seine Liebe zu gestehen, Angst bekam, Angst davor, dass sie ihn wieder zurückwies und er noch einmal so verletzt werden würde.
Niklas schaute auf seine Uhr. Es war Zeit nach Hause zu laufen, er konnte Julia nicht noch länger auf Max aufpassen lassen.
So hatte er sich sein Vater-Sohn Wochenende wirklich nicht vorgestellt. Beim Gedanken daran, dass Julia bei ihm zu Hause war, wurde ihm etwas mulmig. Wie würde es sein, Julia ohne seine schützende Fassade zu begegnen?

Total verschwitzt kam er zu Hause an. Julia und Max schienen noch nicht vom Spielplatz zurück zu sein. Niklas nutzte die Zeit, um noch schnell unter die Dusche zu springen. Während er duschte, waren seine Gedanken wieder bei Julia. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass er sich nach einer Beziehung mit ihr sehnte. Er liebte diese Frau sogar noch mehr als damals. Was sollte er nur tun? Er war hin - und hergerissen, zwischen mit Julia über seine Gefühle zu sprechen und seiner Angst vor Ablehnung und erneuter Verletzung. Gerade als Niklas das Bad verliess, kamen Max und Julia zur Haustüre herein. Er beobachtete die Beiden, denn sie hatten ihn noch nicht entdeckt. Die zwei lachten und scherzten miteinander während Julia Max half seine Schuhe und Jacke auszuziehen. Er war total hin und weg von dem Anblick. Seit langem nahm er wieder wahr, wie schön und wie liebevoll Julia war. Sie würde eine so tolle Mama abgeben. Er liebte diese Frau so sehr! „Papa!" Max hatte ihn entdeckt, sprang auf ihn zu und berichtete ganz aufgeregt was er erlebt hatte. Julia blieb neben der Türe stehen und schaute grinsend zu. Sie musterte Niklas, er sah besser aus, nicht mehr so angespannt. In dem Moment sagte Niklas: „Vielen Dank Julia, es hat mir echt gut getan. Ich fühle mich jetzt wieder besser. Jetzt werde ich uns erstmal eine Pizza bestellen, darf ich dich als Dankeschön dazu einladen?" Max hüpfte auf und ab und rief Pizza, Pizza und freute sich. Julia stand unschlüssig da. Sie musste hier ganz dringend weg! Sie merkte, dass sie ihre Gefühle nicht mehr im Griff hatte. Niklas sah so gut aus, wie er da stand mit seinen noch feuchten, zerstrubbelten Haaren. „Wenn ich dich doch nicht so lieben würde" ,dachte Julia und hätte heulen können. „Welche Pizza hättest du denn gerne?" fragte Niklas und ging einfach davon aus, dass sie blieb. Julia gab sich geschlagen und dachte daran, dass sie nachher im Bett haufenweise Taschentücher voll heulen würde.
Das Abendessen verlief um einiges gesprächiger als das Mittagessen. Niklas war wie ausgewechselt und beteiligte sich wieder an den Gesprächen. Aber er war ungewohnt schüchtern gegenüber ihr, empfand Julia. Nach dem Essen sagte Niklas zu Max: „So mein Sohn jetzt ist es aber höchste Zeit zum Schlafen gehen. „Ich muss Julia noch gute Nacht sagen!" ,sagte Max und kletterte auf ihren Schoss. Er umarmte sie und gab ihr einen ausgiebigen Kuss auf die Backe. Er strahlte Julia an und sagte: Du bist so schön weich, so wie Mama, nicht so kratzig wie Papa." Julia musste lachen und sagte: Schlaf gut Max!"  Max umarmte sie noch einmal und sagte: „Ich hab dich lieb Julia, Gute Nacht!" Und dann rannte er in sein Zimmer. Nun stand Julia auf und sagte: „So dann werde ich jetzt auch mal gehen. In dem Moment entschied sich Niklas, alles auf eine Karte zu setzen und das Risiko einzugehen, noch einmal so verletzt zu werden. Er sagte: „Kannst du kurz warten, bis ich Max ins Bett gebracht habe? Ich möchte gerne noch mit dir reden." „Ok" ,Julia stockte leicht und schaute ihn verwirrt an. Dann war Niklas auch schon Max in dessen Zimmer gefolgt.

 Niklia „Die Richtige"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt