21. Anspannung

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Leyla besorgte Frühstück für Zwei, in der Cafeteria und brachte das Essen in Niklas's Büro. Ihr Freund hatte es nicht geschafft, sich in die Cafeteria zu setzen und sich dort allen neugierigen Blicken und Fragen auszusetzen. Die Beiden nahmen ihr Frühstück weitestgehend schweigend zu sich. Was hätte Leyla auch sagen sollen? Floskeln wie; das wird schon wieder, oder; sie schafft das schon, waren wirklich nicht angebracht. Ausserdem, wie könnte Leyla ihm irgendetwas versprechen, von dem sie doch gar nicht wusste ob es zutreffen würde. Leider sah es wirklich sehr schlecht für Julia aus. Niklas zwang sich zu Essen, teilweise musste er das Marmeladebrot richtig runterwürgen und das keineswegs weil es so schrecklich schmeckte. Sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an und er hatte so gar keinen Appetit. Der einzige Grund warum er sich das antat, war um bei Kräften zu bleiben für Julia. Der Oberarzt hatte schon bemerkt, dass sein Körper langsam seinen Tribut forderte und etwas schlapp machte. Er konnte es sich nicht leisten, nichts zu Essen. Leyla beobachtete ihren Freund, wie er total mechanisch versuchte sein Essen runterzuwürgen. Er tat ihr so wahnsinnig leid, es musste so schrecklich sein, den über alles geliebten Menschen so zu sehen und nicht zu wissen, ob er überhaupt noch einmal aufwachte. Leyla hatte nach Ben's Motorradunfall zwar ähnliches durchgemacht, aber so sehr in Lebensgefahr geschwebt hatte Ben damals nicht. Sie legte ihrem Freund den Arm um die Schulter. Sie konnte gerade nicht viel mehr tun, als einfach nur für ihn da zu sein. Als es Niklas endlich geschafft hatte, den grössten Teil seines Frühstücks in seinen Magen zu befördern, schaute er Leyla an und sagte gepresst: „Leyla, ich pack das einfach nicht, sie darf nicht sterben!" Leyla nickte nur und nahm Niklas einfach in den Arm. Er schluckte einige Male schwer, konnte aber seine Tränen nicht zurückhalten. Während sie auf dieser Couch saßen, Niklas in Leylas Armen, ließ Niklas, seiner aufgestauten Wut freien Lauf. „Es ist so gemein!" ,presste Niklas zwischen den Zähnen hervor, „Es war gerade so schön! Warum konnte es nicht einfach so bleiben!" „Ich weiss es auch nicht!" ,flüsterte Leyla traurig und hielt Niklas noch ein bisschen fester.
Als Niklas spürte, wie müde und erschöpft er wirklich war, löste er sich langsam von Leyla und schaute ihr in die Augen. „Danke! Danke, dass du einfach da bist und mich aushältst und dass du keinen smalltalk von mir erwartet hast. Das bedeutet mir wirklich sehr viel, Leyla."Die Freundin nickte nur und erwiderte: „Selbstverständlich, du hast Gleiche für mich getan, nach Bens Unfall." Leyla stapelte das Frühstücksgeschirr und forderte Niklas auf: „So jetzt solltest du dich etwas hinlegen und versuchen zu schlafen. Vielleicht wäre es gut, wenn du ein leichtes Beruhigungsmittel nimmst, um besser einschlafen zu können." Niklas willigte gehorsam ein und nahm das Beruhigungsmittel, dass Leyla ihm brachte. Nachdem sie mit dem Geschirr verschwunden war, legte er sich mit einer Decke auf die Couch und versuchte abzuschalten, was gar nicht so leicht war. Die ganzen Ereignisse der letzten paar Stunden und die Bilder, der verletzten Julia spukten durch seine Gedanken. Trotzdem fiel er nach einigem Grübeln vor Übermüdung in einen tiefen traumlosen Schlaf.

Als Niklas erwachte, brachen die Ereignisse der letzten Stunden, alle auf einmal wieder über ihn herein. Niklas fühlte sich total hilflos. Einfach nur abwarten und nichts tun zu können widersprach gänzlich seiner Art. Er suchte das nächste WC auf und wusch sich mit kaltem Wasser gründlich sein Gesicht, um wieder einigermassen klar denken zu können. Auf dem Rückweg in sein Büro, fiel ihm auf wie dunkel es draussen schon war. Hatte er so lange geschlafen? Er musste schleunigst zurück zu Julia. War sie wirklich immer noch nicht aufgewacht?  Vielleicht, dachte er, einen Funken Hoffnung schöpfend, hatte man ja vergessen ihn zu holen. Hektisch stürzte er in Julias Zimmer, nur um alles genau so vorzufinden, wie er es hinterlassen hatte. Enttäuschung machte sich in ihm breit, warum wachte sie denn einfach nicht auf? Traurig nahm er seine Position auf dem Stuhl neben Julias Bett wieder ein und löste Hannah ab, welche froh war, sich etwas ausruhen zu können. Der Oberarzt griff wieder nach Julias Hand und hielt sie fest, was konnte er sonst auch anderes tun. Die Tür ging auf und Wolfgang kam herein. „Niklas ich muss kurz mit dir sprechen. „Du solltest jetzt besser nach Hause gehen und dich ausruhen, morgen brauche ich dich hier wieder. Du bist für einige Operationen eingeplant." Ganz entgeistert schaute Niklas seinen Chef an. Das konnte doch jetzt wirklich nicht sein ernst sein. „Auf gar keinen Fall lasse ich Julia jetzt hier alleine! Ich möchte bei ihr sein, wenn sie aufwacht! Ausserdem würde ich morgen so oder so nicht für den OP taugen!" , erwiderte der Oberarzt empört. „Es ändert doch nichts, ob du jetzt hier bei ihr bist oder nicht! Aber ich, muss wirtschaftlich denken, es würde für die Klinik zu teuer werden, deine OP's zu verschieben und wir reden hier nicht von denen, die in anderen Krankenhäusern gemacht werden müssten, weil sie keinen Aufschub dulden." ,rechtfertigte sich Wolfgang. Matteo, der sich noch einmal vergewissern wollte, dass Julia's Werte noch stabil waren, hatte den letzten Teil dieses Gesprächs mit angehört. „Herr Berger!" mischte er sich nun ein. „Seien sie ganz unbesorgt, ich werde morgen, an meinem freien Tag, hier erscheinen und Dr. Ahrend's OP's übernehmen." „Tja es
geht doch!" meinte Wolfgang und trat auf den Gang hinaus. Ihm war es eigentlich egal, wie dieses Problem gelöst wurde, Hauptsache, die Operationen fanden statt. „Ich kann ja nicht zulassen, das dem Klinikum solche Unkosten entstehen." ,rief Matteo ihm sarkastisch hinterher. „Danke!" Niklas blickte dankbar zu Matteo auf. Dieser zuckte nur mit den Schultern und meinte. „Es geht mir nur um ihre Patienten, ich kann ja nicht zulassen, dass sie in diesem Zustand ein Skalpell in die Finger bekommen." Niklas wusste ganz genau, dass der Kollege nicht die ganze Wahrheit sagte, hinter seiner harten Schale vermutete Niklas doch ein weiches Herz. Niklas meinte zu spüren, dass Moreau, die ganze Sache mit Julia auch nicht kalt ließ. Matteo kontrollierte konzentriert Julias Werte und murmelte vor sich hin. „Jetzt sollte sie aber schon langsam einmal aufwachen." Und an Niklas gewandt meinte er: „Ahrend, ihnen muss ich ja nicht erklären, was das bedeutet." Niklas nickte fast unmerklich, als plötzlich die Geräte zu piepen begannen. Durch einen Blick auf Julias Werte und nach einem schnellen Abtasten ihres Bauches stellte Matteo fest: „Mist hypovolämischer Schock! Das müssen innere Blutungen sein. Wahrscheinlich wieder die Milz, damit mussten wir rechnen." Moreau fluchte vor sich hin und schob Niklas unwirsch  zur Seite. „Machen sie Platz da Ahrend!" ,befahl er und drückte den Notrufknopf. Worauf gleich darauf Frau Koshka erschien. „Wir müssen sofort in den OP , wahrscheinlich wieder die Milz!" ,klärte Matteo Theresa auf, während er schon dabei war das Bett mitsamt Julia aus dem Zimmer zu schieben. Er blickte sich nochmal kurz um, suchte den Augenkontakt zu Niklas und sagte mit Nachdruck: "Ahrend! Sie bleiben hier, sie haben keinen Zutritt zu meinem OP!" Und etwas freundlicher fügte er hinzu: „Ich werde alles tun um ihre Freundin zu retten!" Warum das jetzt auch noch, warum konnte es nicht einfach aufwärts gehen? Er brauchte Julia doch, er wollte sie nicht verlieren. Mit diesen Gedanken, stand er verzweifelt auf dem Gang der ITS und schaute zu wie Julia zum 2. Mal in den OP gebracht wurde. Er wollte seiner Freundin jetzt möglichst nah sein, darum setzte er sich auf einen Stuhl vor dem OP Trakt. Hier würde der Oberarzt, auch auf gar keinen Fall das Ende der OP zu verpassen. Nach gefühlt, einigen Stunden ging die Schiebetür auf und Matteo erschien. Niklas's Gedanken spielten verrückt. Was würde jetzt passieren? Würde Moreau ihm jetzt sagen, dass es vorbei war? Würde gleich sein ganzes Leben wie ein Kartenhaus zusammenstürzen? „Ahrend kommen sie schon! Sie liegt im Aufwachraum, sie dürfen zu ihr!" ,eindringlich holte Matteo Niklas aus seinen Gedanken. Er atmete erleichtert auf: „Sie lebt!" Obwohl Niklas sehr leise zu sich selbst gesprochen hatte, konnte Moreau ihn verstehen. „Natürlich lebt sie, was denken sie denn! Ich lass die Berger doch nicht einfach sterben, ich brauch sie noch für meine Patientenbriefe!" Der Ansatz eines leichten lächelns machte sich für den Bruchteil einer Sekunde auf Matteos Gesicht bemerkbar. Niklas und Matteo traten an das Bett heran in dem Julia lag. „Wir konnten die Milz gut entfernen, leider hat sie schon wieder einiges an Blut verloren und braucht jetzt noch ein paar Blutkonserven." erklärte Matteo. „So, extubieren können wir jetzt auch." Und schon hatte Matteo den Tubus entfernt. Julia atmete wieder selbständig, über diesen, Fortschritt war Niklas sehr erleichtert. Ein kleiner Teil seiner Last schien ihm von den Schultern zu fallen und erfüllte ihn mit einem schwachen Hoffnungsschimmer. Den Rest der Nacht, verbracht Niklas wieder an Julias Bett sitzend und ihre Hand halten. Morgens um 5 Uhr, der Oberarzt war gerade etwas eingenickt, spürte er ein leichtes Zucken von Julias Hand. Sofort war er hellwach und starrte gebannt auf die Hand seiner Freundin. Was war das? Hatte sie sich gerade bewegt, oder hatte er schon Wahnvorstellungen? Es passierte nichts mehr und Niklas ließ enttäuscht die Schultern hängen. Ein paar Minuten später meinte er, doch wieder ein leichtes Zucken ihrer Hand zu spüren. Hatte er wirklich etwas gespürt? Er war kurz davor, verrückt zu werden. Sein ganzer Körper spannte sich jetzt an, vor Aufregung und Hoffnung, während er seine Freundin sehr genau beobachtete. Da! War da nicht gerade ein zucken in den Lidern gewesen? „Julia mein Schatz!" ,flüsterte er flehend, bitte wach auf!"

 Niklia „Die Richtige"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt