23. Trost

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Mehr denn je, zauberte der Gedanke an Julia, ein Lächeln auf Niklas Gesicht. Mit einem Solchen betrat er also, voller Vorfreude ihr Zimmer. „Komisch!" ,dachte der Oberarzt, „es war ganz dunkel, ob Julia vielleicht schon schlief?" Um sie nicht zu wecken, schlich er sich leise zu ihrem Bett. Julia schien sich unter ihrer Bettdecke verkrochen zu haben. Vorsichtig setzte sich Niklas auf die Bettkante und lauschte. Ganz leise, vernahm er ein  Schluchzen, von unter der Bettdecke. Oh nein! Seine Prinzessin schien zu weinen. Was war nur passiert? Hoffentlich hatte sie nicht wieder stärkere Schmerzen. Niklas legte die Pizzen auf den Tisch, hob die Bettdecke etwas an und schlüpfte darunter. Er schob seinen Körper ganz nah zu Julia und kuschelte sich vorsichtig an sie. Seine Hand legte er behutsam auf ihre Schultern und strich ganz sanft und beruhigend über diese. Anschliessend streichelte er ihren Nacken bis hin zu ihren Haaren. „Hey mein Schatz!" flüsterte er liebevoll „Was ist denn los? Warum weinst du?" Der Oberarzt wartete geduldig, bis Julia nach einigen Minuten, langsam ihren Kopf zu ihm drehte. Bevor sie irgendetwas sagen konnte, nahm sie das Taschentuch entgegen, welches Niklas ihr hinstreckte und schnäuzte sich ausgiebig. Während Niklas sie mit einem einfühlsamen, auffordernden Blick bedachte, näherte sich seine Hand, ihrem Gesicht und seine Finger strichen ganz vorsichtig über ihre nassen Wangen und wischten die Tränen ein wenig weg. Julia löste sich aus ihrer Starre und platzte mit dem heraus, was sie schon den ganzen Nachmittag so beschäftigt hatte. Sie erzählte ihrem Freund, von der Visite mit Moreau und von der Angst, die der Gedanke an die Reha gerade in ihr auslöste und wie sie das alles total überforderte. Niklas blickte sie verständnisvoll an. Seine Finger waren zu ihren Haaren gewandert und streichelten nun sanft ihren Kopf. Traurig sagte er: Ich versteh das so gut mein Schatz, das ist wirklich nicht leicht. Auch nicht für mich! Ich hätte dich auch so viel lieber hier, bei mir!" Langsam bewegte sich sein Kopf zu Julias Gesicht. Ganz sanft legte er seine weichen Lippen auf ihre. Julia erwiderte den Kuss, in dem sie sich total verlor und der ihre Sorgen kurz in den Hintergrund treten ließ. Beide genossen diesen immer intensiver werdenden Kuss und konnten dabei für einen kurzen Augenblick das hier und jetzt vergessen. Als Niklas seine Lippen wieder von Julia löste, gab er ihr noch einen zärtlichen Kuss auf die Stirn und nahm seine Freundin ganz fest in seinen Arm. Ein ganz kleines Lächeln zeichnete sich in Julias Gesicht ab. Es tat ihr so gut, dass er da war. Bei ihm fühlte sie sich einfach so geborgen. Wenn er sie in seine starken Arme nahm, sahen ihre Probleme  plötzlich nur noch halb so groß aus. „Hör zu mein Schatz! Leider wissen wir aber beide, dass Moreau recht hat und diese Reha unumgänglich ist, wenn du irgendwann wieder einmal ganz normal gehen können möchtest." ,erklärte Niklas ihr einfühlsam. Julia nickte langsam: „Ich weiss Niklas, ich habe einfach eine Scheissangst davor! Wenn ich meinen Arm oder das Handgelenk bewege, dann fühlt es sich an, als wenn ein Messer da durch gestochen wird. Am liebsten möchte ich den Arm gar nicht bewegen, geschweige denn, anstrengende Übungen damit machen. Ich fühle mich noch nicht bereit dazu." Niklas nickte nur, er konnte das gut verstehen, wie konnte er ihr da nur helfen? Wenn Dr. Moreau sie für bereit hielt, dann war sie auch bereit. Wenn sie jetzt noch lange warten würde, würden die Muskeln noch mehr zurück gehen und der Arm steif werden. Auch das Bein musste dringend noch mehr trainiert werden. Jetzt schien ihm aber nicht der richtige Moment zu sein, um medizinische Fakten zu diskutieren. Niklas fiel wieder ein, dass er etwas zu Essen mitgebracht hatte und sagte darum zu Julia: „Vielleicht ist es aber besser, dieses Thema jetzt einmal ruhen zu lassen und nicht hungrig und total übermüdet, solche Probleme zu wälzen. In diesem Zustand sehen Probleme nämlich meistens noch viel größer aus, als sie ohnehin schon sind! Meine Prinzessin, was hälst du von einer Pizza mit Rucola Tomate und Parmaschinken?" „Du hast Pizza mitgebracht?" Das Lächeln, dass Julia jetzt übers Gesicht huschte war schon viel fröhlicher. „Ja extra für dich, meine Schöne, dein Wunsch ist mir Befehl!" Niklas stand auf,  knipste die Nachttischlampe an und präsentierte Julia, die Pizzen mit einer Verbeugung. Julia lachte: „Danke! Du bist einfach der Beste! Heute kann ich so eine Pizza ganz besonders gut gebrauchen!" Niklas richtete ihr die Pizza auf ihrem Nachttisch an und beugte sich über seine Freundin, um sich zur Belohnung für den Lieferdienst einen Kuss abzuholen. Genüßlich ihre Pizza verspeisend, saßen sie aneinander gelehnt in Julias Bett. Als ihre Mägen voll waren und die Situation sich wieder beruhigt hatte, zog der Oberarzt seine Freundin wieder in seine Arme, strich ihre schönen langen Haare auf die Seite und verteilte kleine Küsse auf ihrem Nacken! Julia schloß ihre Augen und sog jede einzelne Liebkosung in sich auf, wie ein trockener Schwamm. Es tat so gut, diesen Mann bei sich zu haben! Ein lächeln breitete sich langsam über ihrem Gesicht aus und brachte ihre matten Augen ganz leicht zum Strahlen. Niklas war dazu übergegangen, vorsichtig ihren Nacken zu massieren und sagte eindringlich mit leiser Stimme: „Mein Schatz ich verspreche dir, dich auch in dieser Rehaklinik, so oft wie irgendwie möglich zu besuchen! Ich werden dich nicht alleine lassen!" Wenn ich hier in Erfurt sein werde, dann werden wir einfach das Handy Netz total überlasten." Bei diesem Gedanken musste Niklas grinsen. Er beugte seinen Kopf nach unten, führte seine Lippen an Julias Mund und forderte Julia zu einem Kuss auf, dem sie sich nur allzu gerne hingab.
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Gerade hatte Niklas, Max vom Bahnhof abgeholt. Heute wollte er seinen Sohn das Erste mal mit zu Julia ins Krankenhaus nehmen. Bei jedem seiner Besuche hatte Max Niklas bestürmt, endlich Julia besuchen zu dürfen. Bisher hatte sich Niklas aber noch nicht getraut ihn mitzunehmen, aus Sorge, dass es noch zu viel für seine Freundin wäre. Heute, dachte er, würde Julia es packen und froh sein, über diese sehr willkommene Abwechslung. Max war voller Vorfreude, Julia endlich wieder zu sehen und sang während der Autofahrt ein Lied aus dem Kindergarten. Als Niklas die Autotüre öffnete sprang Max ihn mit einem Satz an. „ Hey, so stürmisch? Im Krankenhaus bei Julia darfst du aber nicht so wild sein!" ,lachte Niklas. „Ich werde ganz brav sein! Ich versprechs!" ,versicherte Max und schaute seinen Papa mit einem seiner treuherzigsten Blicke an. „Gut!", lächelte Niklas. „Dann mal nichts wie los!" In Julias Zimmer angekommen, blieb Niklas an der Tür stehen und beobachtete schmunzelnd, wie Max zum Bett seiner Freundin ging, hinaufkletterte und Julia freudig umarmte. „Julia! Endlich bin ich bei dir! Ich hab dich so vermisst." Julias Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und sie spürte, ihre Augen ganz nass werden, so gerührt war sie über die Begrüßung des Kleinen. Max übersähte ihr Gesicht mit Bussis und kuschelte sich dann ganz vorsichtig neben sie. Julia legte ihren gesunden Arm um das Kind und genoß den wundervollen Augenblick. Es fühlte sich so gut an, wenigstens ein bisschen am normalen Leben teilzunehmen. Liebevoll flüsterte sie Max zu: „Und ich erst! Du hast mir sooo gefehlt!" Niklas löste sich von der Beobachterposition an der Türe und kam lachend auf die Beiden zu. „Schön, dass ihr so glücklich seid, meine zwei süßen Kuschelbären!" Er beugte sich über seine Freundin und küsste sie zärtlich zur Begrüssung. Dann ließ er sich an der anderen Seite des Bettes auf der Bettkante nieder. Max zeigte Julia die Bilder, die er extra für sie gemalt hatte. Julia versicherte ihm, diese im Krankehauszimmer aufhängen zu lassen, um sie immer sehen zu können. „Genau! Damit du mich nicht vergisst!" ,meinte Max. Dich, werde ich ganz bestimmt nicht vergessen!" lachte Julia. Was sie aber sogleich wieder bereute, da ihr beim Lachen immer noch die Rippen schmerzten. „Wenn deine Bilder hier hängen, kann ich sie immer anschauen und mich dran freuen!" ,erklärte sie dann. Max nickte heftig, das fand er gut! Max plappere und plapperte, er erzählte vom Kindergarten, seinen Geschwistern und allen anderen möglichen und unmöglichen Sachen. Julia hörte ihm aufmerksam zu und freute sich über diesen Lichtblick in ihrem langweiligen Krankenhausalltag. Es war eine Freude, die Beiden zu beobachten. Niklas konnte gar nicht ermessen, wie glücklich es ihn machte, dass sich die zwei wichtigsten Menschen in seinem leben so gut verstanden, ja sogar heiß und innig liebten. Mit der Zeit ließ Julias Konzentration nach und Niklas empfand, daß es an der Zeit war, sich zu verabschieden, damit Julia sich ausruhen konnte. Max war ganz und gar nicht damit einverstanden, Julia schon verlassen zu müssen. Niklas versuchte ihn mit einem Eis und anschliessendem toben auf dem Spielplatz zu locken. Nur widerwillig verabschiedete sich der Kleine von Julia. Mit Tränen in den Augen umarmte er sie und gab ihr ein Abschiedsküsschen. Schlussendlich ließ er sich von seinem Papa auf den Arm nehmen und hinaustragen mit dem versprechen, dass er Julia ganz bald wieder besuchen dürfe. „Wenn uns hierbei jemand zuschaut, der uns nicht kennt, der würde bestimmt meinen, dass sich das Kind gerade von seiner Mama verabschieden musste." ,dachte Niklas mit einem Blick auf den weinenden Max in seinem Arm. Einerseits verursachte dieser Gedanke ein warmes Gefühl von Familie in ihm, aber andererseits hatte dieser Gedanke auch etwas beunruhigendes, wenn er an Arzu dachte.

 Niklia „Die Richtige"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt