26. Überraschung

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Nachdem Niklas sein Auto, so auf dem Parkplatz der Klinik Sonnental platziert hatte, dass es nicht so einfach gesehen werden  konnte, suchte er mit seinem Gepäck ein wunderschönes, einsam gelegenes Plätzchen im Klinik Garten auf. Dieses hatte er bei seinem ersten Besuch entdeckt und nun entschieden, dass dies der perfekte Ort für seine Überraschung war. Es war herrlich warm und Niklas genoß es, die Sonnenstrahlen auf seinem Körper zu spüren. Schon bald konnte er die romantische Stelle sehen. Schöne, intensiv duftende Rosenbüsche grenzten ein kleines, saftiges, grünes Stück Wiese gespickt mit Gänsblümchen nach Norden ab. Das Gras war sehr moosig, was Niklas aber gar nicht als Nachteil empfand, denn darum fühlte sich der Boden so richtig schön weich an. Nach Osten, wurde der kleine Platz, von einer majestätischen  Trauerweide begrenzt, deren lange Zweige, fast den Boden berührten und optimalen Schatten spendeten. Ausserdem sorgte die Trauerweide auch für die Abgescheidenheit dieses Fleckchen Wiese's. Ein kleiner feiner Weg, zweigte vom Hauptweg ab und schlängelte sich an das südliche Ende von Niklas's Plätzchen. Im Westen grenzte ein kleiner Weiher an die Wiese, auf dem Enten zwischen wunderschönen Seerosen herum schwammen. Sogar eine Entenmama mit 5 kleinen Entlein konnte der Oberarzt entdecken. Etwas nervös, machte sich Niklas dran, alles vorzubereiten. Im Vornherein hatte er mit Julia's Physiotherapeuten telefoniert. Niklas hatte ihn gebeten, Julia mit den Krücken an diese schöne Stelle im Park zu schicken. Der Oberarzt hoffte, dass sich seine Freundin überzeugen lassen würde, hierher zu kommen. Bevor er den Korb mit den gekühlten Getränken und dem Essen, so unter die Trauerweide stellte, dass er schön im Schatten stand, legte Niklas eine Picknickdecke auf den weichen, moosigen Boden und verteilte darauf einige Kissen. Fertig mit seinen Vorbereitungen, schaute er sich noch einmal prüfend alles an, dann nickte er zufrieden, während sich seine Mundwinkel zu einem lächeln nach oben bogen. Jetzt fehlte nur noch Julia. Mit steigender Ungeduld, wartete der Oberarzt darauf, dass seine Freundin endlich auftauchte. Er spürte, wie die Anspannung immer mehr, seinen ganzen Körper in Besitz nahm und er immer unruhiger wurde. Eigentlich war er sich ziemlich sicher, dass sich Julia über seine Überraschung freuen und positiv darauf reagieren würde, aber ein ganz kleiner Teil in ihm, fürchtete sich trotzdem ein wenig vor Julia's Reaktion.
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Heute war einfach ein furchtbarer Tag, sie würde so froh sein, wenn er endlich vorbei war. Julia saß in der Physiotherapie und musste neue, sehr schmerzhafte Übungen für die Stärkung ihrer Armmuskulatur über sich ergehen lassen. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte brav, dass zu tun, was der Physiotherapeut von ihr forderte. Sie schwitzte und konnte die Schmerzen kaum noch ertragen. Wie sie diese blöden Übungen hasste.
Ihre Gedanken schweiften ab, um sich etwas von dem Schmerz abzulenken. Dieses Wochenende, ach dass dürfte, wenn es nach ihr ginge, auch schon wieder vorbei sein. Sie wüsste keinen Grund, warum sie sich darauf freuen sollte. Niklas würde arbeiten müssen und darum in Erfurt bleiben. Weder ihre Eltern noch einer ihrer Freunde oder Kollegen kamen dieses Wochenende zu Besuch. Wie sie es hasste, an Wochenenden hier allein herum zu sitzen und Trübsal zu blasen. Bestimmt würde sie sich wieder furchtbar langweilen. Ihre Doktorarbeit hatte sie inzwischen fertig geschrieben, Bücher hatte sie während der Zeit im JTK zur genüge gelesen und Sport war im Moment nicht möglich. Ihre Sehnsucht nach zu Hause und ihrem normalen Leben war unbeschreiblich. „Frau Berger! Bitte konzentrieren sie sich jetzt, wir haben nur noch ein paar Minuten!" ,streng holte der Physiotherapeut Julia aus ihren trüben Gedanken. „Nur noch ein paar Minuten." ,an diesem Gedanken hielt Julia fest. Es würde gleich vorbei sein! Diese paar Minuten nutzend, brachte der Physiotherapeut Julia noch einige Male an ihre Grenzen. Dann endlich, konnte sie erleichtert auf der Uhr erkennen, dass es 16:00 Uhr war. Sie hatte es einmal mehr überstanden, diese Einheit war vorüber und damit auch die Quälerei. Bevor sie sich total erschöpft, in ihren Rollstuhl sinken lassen konnte, kam der Physiotherapeut mit Krücken auf sie zu. Das war doch wohl jetzt nicht sein ernst! Sah er denn gar nicht, wie erschöpft und verschwitzt sie war? „So jetzt habe ich noch eine letzte Übung für sie!" ,erklärte der Physiotherapeut. „Nein!" schoss es wie aus einem Maschinengewehr dem Therapeuten entgegen. „Sie können doch jetzt nicht auch noch von mir verlangen, an Krücken zu gehen!  Mir reicht es jetzt! Es ist genug für heute! Sehen sie eigentlich nicht, wie kaputt ich bin?" „Hören sie mir doch zuerst einmal zu, was ich von ihnen möchte, bevor sie wie eine Furie auf mich losgehen!" , versuchte der Therapeut sie zu beschwichtigen. „Nein! Ich kann nicht mehr!" ,entgegnete Julia trotzig. Der Therapeut ließ sich nicht beirren und erklärte einfach weiter: „Ihre Aufgabe beinhaltet, daß sie alleine mit den Krücken in den Park gehen und dort...." Der Physiotherapeut beschrieb ihr ausführlich, den Weg zu der Stelle, an der Niklas sie in Empfang nehmen wollte. „Ich ganz allein? Sind sie total verrückt geworden?" Julia war einfach nur fassungslos. „Das habe ich noch nie gemacht!" Immer noch äusserlich ruhig schlug der Therapeut vor: „Dann wird dies halt ihr erstes mal!" Innerlich wurde er langsam unruhig und bezweifelte immer mehr, dass er es schaffen konnte, diese sture Frau, dazu zu bewegen, sich mit den Krücken auf den Weg zu machen. „Und wenn ich mich einfach weigere? wollen sie mich dann zwingen?" „Nein natürlich nicht!" sagte der Therapeut resigniert. „Aber, wenn sie es nicht tun, laufen sie in Gefahr, etwas zu verpassen!" Irgendetwas in der Art, wie ihr Therapeut das gerade gesagt hatte, ließ Julia aufhorchen. Diesem Mann, schien es wirklich wichtig zu sein, dass sie dorthin ging. Ausserdem war gerade ihre Neugierde geweckt worden. Sie wollte ja nur hoffen, dass es sich auch lohnen würde. Ohne ein Wort zu sagen, griff sie nach den Krücken, stützte sich darauf ab und versuchte vorwärts zu kommen. Schon beim ersten Abstützen ihres Unterarmes fühlte es sich an, wie wenn lauter kleine Messer in ihren Arm gesteckt würden. Sie stöhnte leise auf, vor Schmerz und versuchte mit zusammengebissenen Zähnen weiter zu machen. Drei Schritte machte sie vorwärts, dann musste sie anhalten. Sie hätte laut aufschreien können, so schmerzhaft war es. Julia pausierte kurz und versuchte dann wieder, weiter zu gehen. Am Haupteingang angekommen, ließ sie sich kurz auf die Couch fallen. Wie blöd war sie eigentlich, dass mitzumachen? Sie hatte doch niemals genügend Kraft um bis zu diesem Weiher zu gelangen. Aus irgendeinem, ihr unbegreiflichen Grund, gab sie nicht auf, sondern machte weiter. Nach den nächsten 4 Metern hing sie in den Krücken und atmete schwer. Es war viel zu heiß hier draußen und die Schmerzen im Arm wurden immer unerträglicher. Noch 2 Meter, ganz langsam kam sie vorwärts. Vor lauter Schmerz fühlte sie sich, wie in einem Nebel, als ob sie gar nicht mehr alles, um sich herum mitbekam. Meter für Meter, schleppte sich Julia vorwärts, ständig mit dem Gefühl, gleich vor Schmerzen zu explodieren. Als sie ungefähr zwei drittel des Weges zurück gelegt hatte, wurde es auf einmal leichter, die junge Frau begriff gar nicht, wie ihr geschah. Sie kam schneller voran, der Schmerz war zwar noch da, aber er lähmte sie nicht mehr. Irgendwie war er besser zu ertragen. Der kleine süße Weiher lag nun vor ihr. Diese paar Meter würde sie jetzt auch noch schaffen. Und dann, was würde sie dort tun? Einfach wieder umdrehen? Bei dem Gedanken, gleich wieder zurück zu müssen, wurde ihr ganz schwindlig. „Nicht so weit denken Julia!" ,schalt sie sich selber. Nur noch den nächsten Schritt im Blick habend, zwang sie sich dazu, durchzubeissen. Die meiste Zeit schaute sie konzentriert auf den Boden,  nur ab und zu blickte sie hoch, um zu sehen, ob ihre Richtung noch stimmte und ob ihr jemand entgegen kam. Keine Menschenseele war im Park zu sehen, wahrscheinlich waren die Patienten, die keine Therapien mehr hatten, von ihren Angehörigen zu Ausflügen abgeholt worden, dachte Julia traurig. Umso stärker erschrak Julia, als in ihrem Blickfeld auf einmal, Beine auftauchten. Sie hatte doch gerade geschaut und da war weit und breit niemand gewesen. Woher kam diese Person? „Bravo!" hörte sie, vermutlich die Person sagen, zu der diese Beine gehörten. „Was soll denn......" lhr Blick glitt nach oben und es verschlug ihr die Sprache, als sie von zwei wunderschönen Augen magisch angezogen wurde, welche ihr wohlbekannt waren. „Niklas!" ,rief sie total verwundert aus und schaute ihn völlig perplex, mit weit aufgerissenen Augen an. Sie nahm beide Krücken in eine Hand und rieb sich mit der anderen, über ihre Augen, um zu prüfen, ob mit ihnen alles in Ordnung war. „Niklas bist du wirklich hier?" Julia konnte es einfach nicht glauben. Niklas grinste sie an und zog sie in seine Arme. „Hey mein Schatz ich habe dich schon sehnsüchtig erwartet." „Hab ich dir, diese Wahnsinnsaktion mit den Krücken zu verdanken?" Niklas nickte reumütig. „Ja! Es tut mir leid, dass du so sehr gelitten hast! Du musst aber auch zugeben, dass es immer besser ging, umso länger du unterwegs warst, oder?" „Stimmt! Komischerweise war das wirklich so! Aber ich habe definitiv sehr gelitten, es war richtig schrecklich! Dafür brauche ich jetzt eine Entschädigung!" Niklas sah sie gespielt traurig an: „Ist es denn nicht Entschädigung genug, dass ich heute hier bin?" Doch, dass könnte ich als Entschädigung akzeptieren." Ein Lächeln umspielte Julia's Mund. Sie legte ihre Hände in Niklas Nacken, zog ihn ein wenig zu sich herunter und hauchte: „Einen Kuss brauche ich aber auch noch!" ,bevor sie ihre Lippen auf die Seinen legte und ihren Freund voller inbrunst küsste. Als sie sich wieder voneinander lösten, führte der Oberarzt, seine Julia zu dem romantischen Fleckchen und half ihr, es sich auf der weichen Decke gemütlich zu machen.

 Niklia „Die Richtige"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt