Ich denke nicht mehr an dich.
Nicht, wenn ich morgens meine Augen öffne und ein neuer Tag angebrochen ist. (Und ich mich frage, ob du auch gerade aufgewacht bist.)
Nicht, wenn ich aus dem Haus gehe, mit einem Kaffeebecher in der Hand, ohne Milch, damit die Farbe mich nicht an deine Augen erinnert. (Du hast deinen Kaffee immer mit viel Milch und Zucker getrunken, wobei ich den Hintergrund dazu nicht verstanden hatte, da es danach kein Kaffee mehr war.)
Erst recht nicht, wenn ich in der U-Bahn sitze und dieser Typ mit dem blauen Kapuzenpulli einsteigt. (Er hat die gleiche Frisur wie du, wobei die heutzutage fast jeder Mann hat. Aber dir haben Kapuzenpullis besser gestanden. Meistens sitzt seine Freundin neben ihm und hält dabei seine Hand. Ich hasse sie, weiß aber nicht einmal wieso.)
Und auch nicht mehr, wenn ich in unserem kleinen Lokal sitze und Essen bestelle. (Du hast immer das gleiche bestellt, wie ein alter Rentner, der nichts mehr neues probieren will. Ich mochte deine Spießigkeit.)
Ich denke nicht mehr an dich, wenn ich durch die Straßen der Stadt laufe. (Die mit unseren Erinnerungen zugepflastert ist. Jede Straßenlaterne erzählt eine Geschichte von uns und erhellt die Vergangenheit.)
Ich denke auch nicht an dich in dem einen kleinen Café Namens „Tratschtante", mit dem leckeren Oreomuffin. (Als du zu mir meintest:" Hoffentlich verschluckst du den Ring nicht, den ich darin versteckt habe!")
Nicht, wenn ich die Nacht hinausschaue mit den tausendenden von Himmelskörpern dran. (Und mir schmerzlich bewusst wird, das nicht annähernd so viele Sternschnuppen ausreichen würden, um das Geschehene ungeschehen zu machen.)
Nicht, wenn ich mich mit unseren gemeinsamen Freunden treffe.(Und mich frage, wann sie dich das letzte Mal gesehen haben und ob noch ein kleiner Teil von dir an ihnen hängt.)
Am aller wenigsten denke ich an dich, wenn ich zwei alte, glückliche Menschen auf einer Parkbank sehe. (Wie an diesem sonnigen Nachmittag im März. Es war der 18. und wir liefen an einem alten Ehepaar vorbei am Mainufer. Ich dachte heimlich:" Das könnten wir später sein!" und du hast gesagt:" Schau mal, das sind wir in 30 Jahren.")
Ich befürchte, nie hat ein Mensch weniger am Tag nicht an dich gedacht.
Doch dann bist du heute an mir vorbeigelaufen und mir wurde bewusst: der einzige Moment, in dem ich überhaupt nicht an dich denke, ist, wenn ich dich sehe. Denn nichts an dir erinnert mich noch an dich.
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UNSPOKEN
PoetryDie Stürme in meinem Kopf ruinieren den Garten, den meine Seele trägt....