Karma

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Alle reden von Karma. Und das so oft, dass ich mittlerweile das Gefühl habe, mittendrin zu stecken.

Das Wort „Karma“ ist in der Möchtegern-Jugend in letzter Zeit zu einer Art Standard-Antwort auf all die missglückten Versuche geworden, irgendetwas zu erreichen. „Ich habe ´ne  Abfuhr bekommen.“ „Tja, Karma“, heißt es dann und damit ist das eigentlich so komplexe Schicksal und die Logik der universellen Energien, die uns umgeben, erklärt.

Es hat eine Weile gedauert, bis die Bedeutung des Wortes in den Tiefen meines Gehirns angekommen ist. Und dann erreichte mich das Karma auch höchstpersönlich. Mittlerweile verbringe ich so viele Stunden allein mit meinem Kopf, dass die Überlegung, Karma existiere tatsächlich, meine Gedankenströmungen übernommen hat. 

Der Duden definiert Karma als „das die Form der Wiedergeburt eines Menschen bestimmende Handeln“. Das, was ich also in der Gegenwart tue, wirkt sich- positiv oder negativ- auf den Verlauf meines Lebens bzw. auf meine Wiedergeburt aus. So die Buddhisten. 

Wahrscheinlich kann man jetzt darüber streiten, ob plötzlich alle Jugendlichen um einen herum dem buddhistischen Glaube beigetreten sind, aber das Konzept Karma scheint sich in unserer Gesellschaft etabliert zu haben. Tja, und mich lässt der Gedanke nicht mehr los, mittendrin zu stecken. 

Es ist immer eine Frage der Perspektive. Ja, ich wurde zuerst verlassen. Und man hat mir dabei extrem das Herz gebrochen. Aber letztlich war ich diejenige, die sich schnell wieder verliebt hat und die Versuche abgeblockt hat, die Trennung rückgängig zu machen. War das der Moment, in dem ich anfing, fleißig Karmapunkte zu sammeln? Vielleicht. 

Zumindest führte ich einige Monate lang eine tolle Beziehung, war verliebt, verreiste, lernte dazu und war in vielen Momenten sehr glücklich. 
Aber auch das ist wieder eine Frage der Perspektive. Denn in der Zeit standen fünf Monate Fernbeziehung auf Grund eines Auslandssemesters auf der Tagesordnung, gefolgt von zwei Monaten, in denen 400 Kilometer Autobahn die Beziehung davon abhielten, „normal“ zu sein. Und während ich fleißig meine Rückkehr plante und mich in romantischen Vorstellungen des Zusammenziehens verlor, entschied das Karma wahrscheinlich, sich an mir für die abscheuliche Tat von vor einem Jahr zu rächen und schlug zu. 

Das ist jetzt über acht Wochen her. Und immer noch ist Wein mein Notausgang. Immer noch finde ich mich regelmäßig in einem Loch aus Trauer und völliger Verständnislosigkeit wieder. Und immer wieder führe ich einen Kampf gegen den inneren Drang, ihm zu schreiben.  

Ja, vielleicht ist es Karma, was sich gerade ungewollt Zutritt in mein Leben verschafft hat. 

Aber da ich ein von Grund auf optimistischer Mensch bin, hier eine weitere Überlegung. Vielleicht ist es das Schicksal. Vielleicht steckt tatsächlich hinter jedem Geschehen ein größerer Plan. Und vielleicht stimmt der Gedanke, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert und am Ende immer alles gut wird. Und, wie ein guter Freund sagen würde, der liebend gern Oscar Wilde zitiert: Und wenn es nicht gut wird, ist es nicht das Ende. 

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