H E A R T S

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Heute Nacht habe ich geträumt, dass du gestorben bist. Und ich habe viele Tränen geweint, wegen all der Sachen, die nicht mehr sein konnten. Als ich dann aufgewacht bin, habe ich bemerkt, dass du wirklich fort warst.

Nur eben nicht ganz so weit weg. Eigentlich bist du mir noch sehr nah. Zumindest geografisch. Du wohnst im selben Land. Deine Stadt kann man von hier aus knapp in drei Stunden mit dem Zug erreichen. Hin und wieder höre ich etwas in den Nachrichten daher. Weil ihr so eine renommierte Uni habt. Aber du bist noch nicht vorgekommen. Du läufst nur bei mir durchs Bild.

Wenn man es bildhaft sehen möchte, bist du sogar ein Teil von mir. Weil ich manchmal an dich denke. Und da oben drin ist alles meins. Dort hast du ein Zimmer. An dessen Wände Striche gezogen sind, für jeden Tag. Es sind über zwanzig. Und es werden wohl neue hinzukommen.

Im Traum habe ich nicht gewusst, dass wir uns nicht mehr verstehen. Ich habe geweint, weil du plötzlich fort warst. Und all das vorbei, was ich so an uns gemocht habe. Wenn ich wach bin, weine ich nicht wegen dir. Ich denke nur oft, dass es mir Leid tut. Und manchmal auch, dass es dir noch Leid tun wird. Und dann merke ich, dass man da was machen muss.

Ich schreibe dir hin und wieder Kurznachrichten. Ich provoziere dich, weil mich dein Schweigen stört. Du antwortest mir nie. Weil ich bei dir keine Stimme mehr habe. Ich höre jetzt langsam auf damit, von dir eine Antwort zu erwarten. Weil ich sie mir alle selbst geben kann. Nur zuhören, konntest du schon immer ein bisschen besser als ich. Und deshalb fehlst du mir noch.

Ich habe gemerkt, dass ich dich nicht zum Leben brauche. Es gibt noch andere Ohren und Schultern da draußen. Unsere hatten ja teilweise schon Druckstellen und waren ausgefranst. Außerdem mochte ich nie, wie du beim Essen den Mund aufgemacht hast. Und wenn du mir erzählt hast, dass du nicht lieben könntest, da hab ich mir immer gedacht, dass es doch mit mir auch irgendwie geht.

Vielen geht es ähnlich wie uns. Die haben andere Gründe aber am Ende läuft es auf das gleiche hinaus. Manchmal treffe ich auf so einen und dann reden wir über euch. Aber das bringt meistens nicht viel. Außer der Gewissheit, dass auch andere Fehler machen.

Zu meinem Geburtstag kam nicht mal irgendwas Hämisches. Oder Ironie. Klar. Man wünscht jemandem lieber nichts, wenn man ihm nichts Gutes wünschen kann. Und weil ich dich schon so lange kenne trifft es mich. Und weil du mich schon so lang kennst triffst du mich. Ich überlege jetzt schon, was ich dir demnächst wünschen könnte. Es wird zum Spiel, was bitterernst ist.

Manchmal lache ich aus Versehen wie du. Oder spreche bestimmte Worte ähnlich aus. Schaue mich um. Auf der Suche nach einem, der mit mir lacht. Frage mich, was du davon halten würdest. Ich finde das unheimlich. Weil wir uns so lange nicht mehr gesehen haben. Und du trotzdem noch präsent bist.

Ich höre hin und wieder von anderen was du so treibst. Die entschuldigen sich dann immer gleich. Fast genau so, als würde man über einen frischen Toten sprechen. Irgendwie sind wir wohl tatsächlich füreinander gestorben. Wir konnten ja auch nie wirklich ohneeinander leben.

Ich habe keine Ahnung, wie die Sache ausgeht. Wer sich zu wem im Grab umdreht. Ich weiß nur, dass wir gerade eine große Chance vergeben.

Du bist weg aber ich bin noch hier und ich erzähle allen von dir.

Ich habe gekämpft um den ersten Platz in deinem Herzen, den du mir nicht geben wolltest.

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