Die Wahrheit ist, dass ich dich immer noch vermiss

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Wir müssen nicht reden, haben nie viel geredet weil Worte nicht immer alles ausdrücken können und wir schon längst wussten, was der andere dachte. Ich kannte dein gespieltes Lachen und deine ernste Wut, die beinahe niemals zum Vorschein kam. Du kanntest mein betrunkenes Ich und meinen Liebeskummer, der mich beinahe umgebracht habe. Im Nachhinein denke ich, dass du das einzig gute an der Beziehung warst, weil ich dich sonst nie kennen gelernt hätte. Letztens ist meine Festplatte gestorben. Das war ärgerlich, wegen der Texte, der Bilder, der Musik. Doch im Endeffekt ist alles ersetzbar, nur Dateien gespeichert im digitalen Kosmos, nicht Wirkliches. Nur das Video, das vermisse ich.
Das Video von uns, das einzige. Wie wir nebeneinander auf dem Bett sitzen. Wie ich dich anschreie, weil du weißt, wie man sich in Halo unsichtbar machst und immer wieder von hinten tötest. Wie wir synchron die Köpfe sinken lassen, wenn wir bei Buzz schon wieder die falsche Antwort gedrückt haben. Wir sich meine Finger in den Controller krallen, bis die Knöcheln weiß hervortreten, aber ich dich doch niemals in Street Fighter besiegen werde. Und egal was ich sage, du lachst. Oder du sitzt still in der Ecke, dein Gesicht sieht zufrieden aus und wir beide wissen, dass es kein aufregender, aber ein besonderer Moment ist, indem alles vor unserem Fenster egal ist.

Mit dir konnte ich alles hassen: Menschen, die Gesellschaft, das System, Grafikhuren und pöbelnde Jugendliche. Vielleicht hast du manchmal zu viel gehasst, nein sicher hast du zu viel gehasst und dann kam ich mir immer wie ein guter Mensch vor, weil ich manchmal noch den positiven Kern in etwas sah, das du schon längst aufgegeben hattest. Noch war meine Weltanschauung nicht vom Zynismus zerfressen, noch knuffte ich dich für bissige Kommentare in die Seite, verdrehte pflichtbewusst die Augen und schnalzte mit der Zunge. Ich dachte du würdest übertreiben aber ich glaube deine Ironie war nur ein Schutzschild, um die Wahrheit sagen zu können.

Du mochtest mich, weil ich Videospiele gespielt habe. Ich mochte dich, weil ich bei dir unbefangen sein konnte, ohne darüber nachzudenken, wie ich auf dich wirke.

Du wirst immer den Großteil deines Lebens vor mir verschweigen, ein lebendes Rätsel sein, das ich nie ganz entschlüsseln werde. Warum weiß ich nicht, aber ich werde es akzeptieren weil man dich so hinnehmen musst, wie du nun einmal bist.

Weil mein Kampf nicht umsonst war. Weil ich dich nicht weg werfen möchte.

Weil du in meinen Augen kein schlechter Mensch bist, sondern nur nicht zu den anderen passt.

Weil du immer anders sein wirst.

Weil du der einzige Mann bist, der mich manchmal noch zum weinen bringt.

Weil ich nicht in dich verliebt bin aber dich mit unerschütterlicher Aufrichtigkeit liebe.

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