Mobiltelefone sind ein Fluch. Das denke ich jedes beschissene Mal, wenn ich auf mein dunkles, schwarzes Display starre und mich krampfhaft dazu zwinge, die Hintergrundbeleuchtung nicht zu aktivieren, weil das nur wieder eine leise, aber minimal-schmerzhafte Enttäuschung bedeutet hätte. Die zweihundertneunundsechtzigste Mini-Enttäuschung darüber nämlich, dass da wieder nicht dein Name erscheint. Weil es wieder nicht Du bist, der die Regeln bricht.
Es ist bescheuert, es ist erbärmlich, es ist wider jeder Vernunft, denke ich und ertrage es kaum, dieses fremde, liebestolle Spiegelbild, das mich da aus dem schwarzen Bildschirm meines Smartphones heraus bemitleidenswert mustert. Dann erwische ich mich dabei, stopfe das Gerät zurück in meine Tasche, ärgere mich darüber, schon wieder dieser kindischen Träumerei verfallen zu sein und gehe in Gedanken wieder und wieder die Tatsachen durch, die es mir leichter machen, dich endlich und endgültig abzuhaken.
Das geht so alles nicht mehr, haben wir gesagt. Kein Kontakt erstmal, haben wir gesagt. Ein klarer Schnitt, der das laute Chaos in unseren Köpfen beseitigt. So hatte ich es mir vorgestellt.
Aber anstatt der Stille, die doch hätte einkehren sollen, ist da jetzt dieses nervige kleine Hintergrundrauschen, das einfach nicht weggehen will. So wie ein Tinnitus, der sich nicht im Ohr, sondern im Bewusstsein gemütlich einnistet und dort, mal mehr mal weniger, alle noch so klugen, rationalen Gedanken dieser Welt übertönt.
Tinni-was-wenn-das-ein-Fehler-ist-tus.
Kein Kontakt. Erstmal. Wie lange ist eigentlich so ein »Erstmal«? – Schon wieder! Mist, Mist, Mist!
Dieses Hin und Her, genau das sollte es nicht mehr geben. Darum ja, kein Kontakt. Abstand. Klare Fronten. Und jetzt? Jetzt ist da dieses beschissene Hintergrundrauschen, das einfach nicht weggehen will.
Irgendwo habe ich mal gehört, dass sich Van Gogh das Ohr abgeschnitten hat, weil er so seinen Tinnitus loswerden wollte. Ich würde auch gerne etwas abschneiden – nur was? Das Herz, den Kopf? Ja, was überhaupt? Was ist überhaupt dafür verantwortlich, dass Du einfach nicht verschwinden willst, obwohl Du doch im Grunde niemals richtig da warst!?
Du bist gar nicht wirklich da. Du bist gar nicht wirklich da! Du bist nur ein Hintergrundrauschen, ein dissonanter Ton, der einfach nicht mit der Melodie harmoniert, die ich für mein Leben geschrieben habe. Das hast du selbst gesagt und du hattest vielleicht recht damit. »Ich wünschte, ich würde wollen«, hast du gesagt und damit unabsichtlich den Ton angeschlagen, der mir jetzt nicht mehr aus dem Kopf gehen will.
Man liest in Medizinbüchern, dass Tinnitus nur selten wieder ganz verschwindet und dass er schlimmer wird, wenn man ihm Beachtung schenkt. Van Gogh, dem armen Kerl, hat es vermutlich auch nicht das Geringste genutzt, sein Ohr abzuschneiden. Es mag sein, dass auch Du niemals wieder richtig weggehen wirst. Vielleicht bleibst du für immer dort, als dieses Rauschen, das versucht mir weiszumachen, da wäre noch mehr gewesen. Aber vielleicht, denke ich und schaue zum ersten Mal ganz ruhig auf das leuchtend leere Display, ist das auch einfach okay so.
Denn mal ehrlich: Was ist schon ein einziger schiefer Ton im Hintergrund, wenn auf der Bühne ein erstklassiges Orchester das Stück so meisterhaft spielt, dass alles andere an Bedeutung verliert.
Du bist gar nicht wirklich da. Du bist nur ein belangloses Hintergrundrauschen.
Tinni-was-wenn-das-ein-Fehler-ist-tus.
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UNSPOKEN
PoetryDie Stürme in meinem Kopf ruinieren den Garten, den meine Seele trägt....