Gut gemacht, Hannah, hörte ich Raven Dragonis Stimme in meinem Kopf und lächelte. Die beiden hatten bekommen, was sie verdienten. So wie sie einander verdienten. Ich fühlte mich als würde ich schweben. Der Triumpf vernebelte meinen Kopf und noch immer pulsierte meine Magie gemischt mit Adrenalin aufgeregt durch meinen Körper. Grinsend ließ ich ein paar Funken aus meinen Fingern sprühen und genoss das leise Knistern der Magie. Es hatte so gut getan, die angestauten Kräfte loszulassen. Dieses berauschende Gefühl schien noch immer durch meinen Körper zu rasen und ich konnte nicht genug davon bekommen. Ich wollte wissen, zu viel meine Magie in der Lage war. Ich beschleunigte meine Schritte und rannte schon fast den Gehweg hinunter. Als ich um die Kurve bog und die dunklen, von der Sonne angestrahlten Wolken erblickte, hätte ich beinahe aufgejubelt. Ein Gewitter wäre perfekt. Ich erinnerte mich an den großen Wald, den die Siegessäule umrahmte und joggte los. Ich würde mich aufhalten lassen. Nicht von Raven und erst recht nicht von seinem merkwürdigen Schmerz in meinem Kopf.
Ich brauchte fast anderthalb Stunden bis ich den Park endlich erreichte. Inzwischen hatte der Himmel sich zugezogen, Menschen flohen mit eingezogenen Köpfen vor dem nahenden Unwetter, während ich genüsslich den Geruch des kommenden Regens in meine Lungen saugte. Außer Atem lief ich die vorgegebenen Wege des Parks entlang und fand schließlich eine Grünfläche, die wahrscheinlich als Liegewiese diente. Etliche Verpackungen von Lebensmitteln lagen im Gras und verunstalteten diesen Ort. Doch ich war ja nicht die Müllabfuhr. Also konnte es mir auch egal sein. Zu meiner Verärgerung hatte ich mit Seitenstechen zu kämpfen als ich ungefähr in der Mitte der Wiese zum Stehen kam. Meine Kondition war wirklich nicht mehr die Beste und das musste ich ändern.
Der Wind brachte die Blätter der Bäume zum Flüstern und Rascheln und ich atmete einige Minuten einfach nur durch. Ich musste warten, bis das Gewitter losging. Angespannt ließ ich mich zu Boden sinken, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Vollkommen regungslos verharrte ich in dieser Position und wartete.
Der Wind wurde stärker und wirbelte die schwüle Sommerhitze durcheinander. Meine Haare flogen mir ums Gesicht, doch ich rührte mich nicht. Meine Konzentration lag einzig und allein auf meiner Magie.
Konzentration, Visualisierung, Anwendung. Diese drei Worte hatten sich in mein Gedächtnis gebrannt und ich wiederholte sie in Gedanken wie ein Mantra. Einmal. Zweimal. Dreimal. Mit jedem Mal wurde das Brodeln der Magie in meinen Adern stärker. Heiß und strahlend. Ein Strom aus flüssiger Energie.
Dann traf ein Regentropfen mein Gesicht und ich öffnete langsam die Augen. Innerhalb von Sekunden öffnete der Himmel seine Schleusen und das Wasser durchdrang meine Kleidung, meine Haare, meine Schuhe. Ich richtete mich auf. Mein Puls hämmerte kraftvoll und ich fühlte mich so stark wie noch nie. Doch wo blieben Blitz und Donner? Es dauerte nicht lange bis ich begriff, dass dies einfach nur ein Regenschauer war.
„Egal", murmelte ich und hob die Hände, sodass die Handflächen in Richtung Himmel zeigten. Langsam ließ ich zu, dass die Magie sich manifestierte. Funken und kleine Blitze zischten und knisterten um meine Finger wie winzige Schlangen. Faszinierend betrachtete ich die zuckenden Lichter. Weiß, violett, silbern. Sie waren wunderschön.
„Dann wollen wir mal", wisperte ich und streckte meine Arme aus. „Konzentration, Visualisierung, Anwendung". Vor meinem inneren Auge schossen Blitze in den dunklen Himmel und ich sammelte alle Kräfte, die ich besaß. Die Magie staute sich in den Adern und Venen meiner Handgelenke bis ich das Gefühl hatte, sie nicht mehr halten zu können. Meine Zähne knirschten, so sehr hatte ich sie vor Anstrengung zusammengepresst.
Mit einem Keuchen hob ich die Barrieren auf und die Magie brach kraftvoll aus meinen Händen. Grellweiße Blitze rasten den Wolken entgegen. Das Knistern füllte meine Sinne, meine Hände zitterten vor Anspannung.
„Ja!", rief ich triumphierend und verstärkte meine Anstrengung. Mit neuer Intensität zischten die Blitze in die Höhe. Funken tanzten um meinen Körper, der Wind zerrte an meinen Haaren und Regen perlte von meiner Haut.
Ich fühlte mich wie im Rausch. Adrenalin pumpte durch meinen Körper. Das war Macht. Tödlich und zu gleich wunderschön. Das Licht der Blitze ließ die Umgebung in unheimlichem Glanz erscheinen. Es hatte etwas Geisterhaftes. Die Schatten der Büsche flackerten, das Gras schien sich zur Seite zu neigen und ich atmete scharf ein. Abrupt ballte ich die Hände zu Fäusten und die Blitze verschwanden. Mein Körper kribbelte. Gleichzeitig stolperte ich zur Seite und hatte Mühe, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das war der absolute Wahnsinn gewesen. Keuchend stützte ich meine Hände auf die Oberschenkel und genoss die letzten Tropfen des Adrenalins in meinen Adern. Vor meinen Augen tanzten schwarzen Flecken und in sekundenschelle übermannte mich dann doch die Erschöpfung. Ich sank auf die nasse Wiese, legte mich auf den Rücken und konzentrierte mich nur auf meine Atmung. Schwere legte sich auf meine Glieder, Müdigkeit breitete sich in meinem Körper aus und mir fielen die Augen zu.
„Hannah ... Hannah!"
„Nein", stieß ich hervor und fuhr hoch. Elaras Stimme hallte in meinem Kopf und hinterließ einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge. Warum hörten diese Albträume nie auf? Ich hatte entschieden die Nase voll davon. Verärgert rappelte ich mich hoch. Meine Sachen klebten nass an meinem Körper und meine Haare hingen in feuchten Strähnen über meinen Schultern. Der Regen war einem kaum spürbaren Sprühregen gewichen und der Wind wehte nur noch schwach durch die Zweige der Bäume. Das Unwetter hatte die unerträgliche Hitze aus der Luft gewaschen und eine angenehme Kühle hinterlassen. Ich konnte endlich wieder freier atmen, auch wenn ich dafür tatsächlich anfing zu frieren.
Geh zurück. Das war genug für heute, meldete Raven sich auf einmal zu Wort und ich war überrascht von dem beinahe sanften Tonfall in seiner Stimme.
„Als ob ich jetzt vorhatte, noch tanzen zu gehen", erwiderte ich ironisch und schlenderte den mit Pfützen gespickten Weg zurück bis ich die Siegessäule erreichte. Von hier war es noch ein ganzes Stück bis zu Ravens Wohnung, doch als sich schließlich die Sonne wieder zeigte und warme Sonnenstrahlen meine Haut wärmten, fing ich fast schon an, den Spaziergang zu genießen. Eine ungewohnte Ruhe breitete sich in meinem Inneren aus – ein Frieden wie ich ihn lange nicht mehr gefühlt hatte.
Ich wusste, ich würde Raven nicht enttäuschen. Ich würde die restlichen zwei Artefakte finden, meine Tante besiegen und es von ganzem Herzen genießen. Ohne jeden Zweifel.
Du wirst mich nicht enttäuschen, hallte Ravens Stimme und doch glaubte ich, eine unterschwellige Drohung darin wahrzunehmen.
Nein, dachte ich mir. Das werde ich nicht.
Die Sonne wanderte schon in Richtung Horizont als ich die kleine Wohnung erreichte. Rasch schlüpfte ich aus meinen klammen Sachen, hängte sie auf und wickelte mich in ein Handtuch. Dann widmete ich mich meinem kargen Abendessen und meinen Gedanken.
Rom war das nächste Ziel meiner Reise. Eine Stadt, die vor Geschichten von Morden, Hinrichtungen und Geistern nur so strotzte. Es würde interessant werden. Nicht nur in dieser Hinsicht, denn ich hatte Ideen. Ideen, die meine Tante betrafen und deren bildliche Vorstellung mich lächeln ließen.
Ich werde am Wochenende updaten, habe ich mir gesagt und tadaaa, ich hab's geschafft :D
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Academy for Elementarys 2 - Vernichtender Kampf
Fantasy- BAND 2 der Academy for Elementarys-Reihe! Der folgende Text enthält SPOILER für Teil 1! - „Sie gehört zu den Gorgonen. Zu Raven Dragonis Gefolge. " Zwei Sätze, die mir seit einer Woche durchgehend im Kopf umherwirbeln. Seit dem Tag, an dem Raven...