Kapitel 27 - Hannah

1.4K 107 5
                                    

Ich rannte. Rannte bis meine Lungen schmerzhaft nach Luft verlangten. Mit jedem Schritt, den ich auf den harten Pflastersteinen tat, verflüchtigte sich das Triumphgefühl, das mich erfüllt hatte und löste sich schließlich vollständig auf. Zurück blieb eine merkwürdige Leere.

Keuchend blieb ich stehen und lehnte mich an eine Hauswand. Mein Blick wanderte zu meiner Klinge. Das Blut war in der Hitze des Tages getrocknet und klebte in dreckigem Rot am Metall. Ich hielt den Dolch vor mich und versuchte, das Blut mit dem Saum meines Shirts abzuschrubben, doch es war wie festgeklebt und alles, was ich erreichte, war die Tatsache, dass sich nun auch mein Shirt rot färbte.

„Nein", stieß ich hervor und sah mich hektisch um. Wasser. Ich brauchte Wasser. Mein Instinkt sagte mir, ich solle die Gasse hinunterlaufen und das tat ich auch. Meine Gedanken rasten, doch nichts ließ sich fangen. Schließlich erreichte ich das Ende der Gasse und blieb abrupt stehen. Vor meinen Füßen ging es ein paar Meter Böschung in die Tiefe, bevor das dreckige Wasser des Tibers am Ufer leckte. Ohne zu zögern kletterte ich über das Geländer und rutschte die Böschung hinunter. Auf Knien beugte ich mich über das Wasser und tauchte hektisch die Klinge hinein. Mit der anderen Hand wischte ich über die flache Seite, doch das Blut wollte sich nicht lösen. Mein Atem beschleunigte sich. Was war hier los? Der Panik nah rappelte ich mich hoch und stolperte mit Schuhen mehrere Meter in den Fluss. Die seichte Strömung zerrte an meinen Beinen, doch alles was ich wahrnahm, war der Dolch und das Blut meiner Tante. Wie besessen schrubbte ich mit dem Saum meines Shirts auf dem Metall herum.

„Geht ab, verdammt", fluchte ich und das tat es. Zuerst löste sich die Kruste von der Klinge und färbte das Wasser um meine Beine hellrot, doch dann strömte immer mehr Blut in den Fluss. Es schien aus dem Dolch zu kommen. Stetig wie Wasser aus einem Wasserhahn fließt.

„Was ...", keuchte ich und geriet immer mehr in Panik. Meine Finger wollten den Griff nicht loslassen. Sie schienen wie festgeklebt, während das Wasser inzwischen die Farbe frischen Blutes angenommen hatte. Ich kämpfte gegen die stärker werdende Strömung an, Angst griff mit eisigen Klauen nach meinem Herz und ich wollte schreien, doch kein Laut entwich meiner Kehle. Der Fluss schwoll an, das Wasser schien auf einmal dickflüssiger zu sein. Der Geruch von Metall und Verwesung lag in der Luft, verschloss meine Atemwege wie ein Korken eine Flasche Wein. Ich flehte um Hilfe. Betete, dass jemand kommen und mich hier herausholen würde. Der Fluss hatte sich inzwischen zu einem reißenden Strom verwandelt und ich stand wie ein Felsen mitten drin. Den tosenden Wellen gnadenlos ausgesetzt. Ich schluckte das blutrote Wasser, hustete und würgte, meine Augen brannten, meine Haut juckte schmerzhaft.

„Hannah", rief eine Stimme über das Tosen des Wassers hinweg und ich riss die Augen auf. Vor meinen Augen bildete der Fluss einen schäumenden Strudel und aus seiner Mitte stieg eine Gestalt auf.

Eine Frau.

„Elara", wisperte ich hoffnungsvoll. Meine Tante war so atemberaubend schön, dass ihr Anblick schmerzte. Und als sie mir in die Augen blickte, brachen die Schuldgefühle mit voller Wucht über mich herein.

„Es tut mir leid", hauchte ich. „Es tut mir so leid."

Ihre smaragdgrünen Augen wurden hart. Eisige Kälte breitete sich in meinem Körper aus, als ich begriff, dass sie mir nicht helfen würde.

„Du verdienst keine Vergebung."

Jedes Wort bohrte sich in mein Herz wie eine Klinge und hinterließ klaffende Wunden.

„Nein", wimmerte ich, während meiner Tante in einem tosenden Wirbel roten Wassers verschwand. Die Welle überrollte auch mich und drang in meinen Mund, meine Ohren, meine Nase.

„Hannah!", brüllte jemand und schüttelte mich heftig. Ich schoss in die Höhe, trat wild um mich, meine Magie knisterte unbändig um meine Hände.

Academy for Elementarys 2 - Vernichtender KampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt