Kapitel 45 - Hannah

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Will überließ mir freiwillig sein Bett, kümmerte sich ohne Fragen zu stellen um mich, sodass mir ganz warm ums Herz wurde.

„Schlaf gut", raunte er und küsste mich liebevoll, woraufhin die Schmetterlinge in meinem Magen urplötzlich zum Leben erwachten. Viel zu schnell hatte er sich wieder von mir gelöst und verließ leise den Raum.

Es kam so wie ich es geahnt hatte. Wenn ich wegdämmerte, schreckte ich augenblicklich wieder hoch. Schweiß verklebte meine Haare, mein Puls hämmerte und ich sah immer wieder diese furchtbaren Bilder. Meine Fantasie schmückte sie auch noch aus, sodass ich mich nach zwei Stunden nicht einmal mehr traute, zu blinzeln.

„Verschwindet", zischte ich und vergrub entnervt das Gesicht in den Händen. Ich fühlte mich schrecklich – und das traf es nicht einmal ansatzweise. Beschmutzt, schuldig, dreckig waren nur einige der Wörter, die mir auf Anhieb einfielen. Ruckartig schleuderte ich die Decke zur Seite und rannte ins Bad. Schwungvoll klatschte ich mir eiskaltes Wasser ins Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal. Meine Haut prickelte vor Kälte und ich holte keuchend Luft. Alles war mir recht, wenn ich einfach nur vergessen durfte. Wenigstens für ein paar Stunden.

Ich blinzelte das Wasser aus meinen Augen und starrte in den Spiegel. Ein bleiches Gesicht blickte mir entgegen. Müde und mitgenommen. Einzig und allein das Blau meiner Iris strahlte und ich senkte rasch die Lider.

Jemand klopfte zaghaft an die Tür und ich schrak zusammen.

„Ja?", fragte ich und trocknete mein Gesicht mit einem der weichen Handtücher.

„Alles in Ordnung, Hannah?", wollte meine Mutter wissen und steckte ihren Kopf in den Raum.

„Es könnte besser sein", erwiderte ich ehrlich und ließ mich von meiner Mum umarmen.

„Elara hat es mir erzählt", flüsterte sie und ihr Atem kitzelte mir im Nacken. „Es gefällt mir ganz und gar nicht, aber ich vertraue dir – und ich vertraue Elara. Jetzt, da sie ihre Magie zurück hat, werdet ihr sicher genug sein. Euer Flug geht morgen früh."

Und zum zigsten Mal diesen Sommer setzte ein Flugzeug mit mir an Bord auf einer Landebahn auf. Der Abschied von Will, Mara und Ethan war mir unglaublich schwer gefallen. Alle drei hatten mitkommen wollen, doch meine Mum war vehement dazwischen gegangen. Mara hatte mich beinahe erdrückt und gedroht, sie würde mich höchstpersönlich aus der Hölle holen, sollte ich draufgehen. Wills undefinierbarer Blick brannte noch immer auf meiner Netzhaut und ich seufzte leise. Diese ungewollte Trennung hatte uns mehr geschadet, als ich zugeben wollte und wir würden dringend miteinander reden müssen. Ethan schien ganz der alte zu sein und seine unbeholfene Umarmung hatte mich ein wenig zur Ruhe kommen lassen. Dann dachte ich an James' finsteren Gesichtsausdruck als meine Tante ihre Hand aus seiner gelöst hatte. Ich wusste nicht, was in seinem Kopf vorgegangen war, doch die Tatsache, dass die beiden inzwischen verlobt waren, ließ einige Möglichkeiten vermuten.

Die Motoren des Flugzeuges erstarben und nur das Gerede der anderen Passagiere drang an meine Ohren.

„Komm, Hannah", meinte meine Tante und erhob sich von ihrem Platz.

Das einzige Gepäckstück, das wir mitgenommen hatten, war mein Rucksack mit einigen notwendigen Gegenständen. Ich quetschte mich aus der Sitzreihe heraus und folgte dem Menschenstrom zum Ausgang. Ein frischer Wind wehte mir entgegen und nichts erinnerte mehr an die Hitze von vor einigen Wochen.

Ein Taxi brachte uns Minuten später zu dem Ort, an dem ich Alexandra Norris das letzte Mal gesehen hatte. Der Bar der Gorgonen. Alles wirkte genauso verlassen und einsam wie bei meinem ersten Besuch.

„Das ist sie", meinte ich und deutete auf das Gebäude. Elara ließ ihren Blick über die Fassade gleiten und seufzte.

„Lass uns anfangen." Stundenlang durchstreiften wir die umliegende Gegend, blickten in Hinterhöfe, schmale Straßen und verlassene Gebäude. Ab und an begegneten wir einem Anwohner, der uns misstrauische Blicke zuwarf, streunende Katzen und Hunde folgten uns für einige Meter und der Geruch nach Abfall stieg mir in die Nase. Ich verlor zunehmend die Hoffnung, mein Magen meldete sich und meine Füße schmerzten.

Academy for Elementarys 2 - Vernichtender KampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt